Haspe. Die zunehmende soziale Not von immer mehr Menschen in Hagen hat auch die Arbeit der Beratungsstelle „Corbacher 20“ erheblich verändert.

Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Inflationsrate und der mit dem Ukraine-Krieg deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten hat sich vor allem für die Schwächsten in der Gesellschaft die existenzielle Lage im Laufe des Jahres erheblich zugespitzt. Diese zusätzliche Dramatik spiegelt sich wie unter einem Brennglas in der täglichen Arbeit der Beratungs- und Begegnungsstätte „Corbacher 20“ in Hagen-Haspe wider und hat dort das Aufgabenspektrum erheblich verschoben.

„Für viele Bürgerinnen und Bürger ist die Existenzsicherung mittlerweile ein zentrales Problem geworden“, beschreibt der ehemaliger Hasper Pfarrer Heinrich Baumann, Vorsitzender des Trägervereins für christliche Sozialarbeit Haspe, die Situation. „Ihr ohnehin knapp bemessenes Budget reicht nicht mehr aus, um die gestiegenen Kosten des täglichen Bedarfs insbesondere für Nahrungsmittel und Energie decken zu können.“ Frauen und Männer klopfen an der Tür, weil sie schlichtweg hungrig sind und nicht mehr wissen, wo sie für sich und ihre Familien das Geld für einen Lebensmitteleinkauf herbekommen sollen.

Hungrige fragen nach Essen

„Neben Geringverdienern und Alleinerziehenden, die bisher schon kaum über die Runden kamen, sind dies bei uns überdurchschnittlich viele Arbeitslose und zunehmend auch Rentnerinnen und Rentner, da die Rentenerhöhungen im letzten und auch in diesem Jahr unter der Inflationsrate bleiben“, skizziert Baumann die Lage. „Hinzu kommen geflüchtete Menschen aus der Ukraine, die in diesem schrecklichen Krieg alles verloren haben und umso mehr auf unsere Unterstützung angewiesen sind.“

Die Sozialarbeiter Laura Kujath und Torben Redding müssen ihre Beratungsgespräche immer wieder unterbrechen, weil Menschen nach Essbarem fragen.
Die Sozialarbeiter Laura Kujath und Torben Redding müssen ihre Beratungsgespräche immer wieder unterbrechen, weil Menschen nach Essbarem fragen. © WP | Michael Kleinrensing

Ursprünglich versteht sich die „Corbacher 20“ als eine Anlaufstelle, in der Menschen bei sozialen und finanziellen Themen eine fundierte Beratung erhalten, sich untereinander austauschen können und mit ihren Sorgen und Nöten eben nicht allein bleiben. Doch die Nachfrage nach Lebensmitteln habe sich inzwischen mehr als verdreifacht, erzählt Laura Kujath, zusammen mit Torben Reddig die Sozialarbeiterin im Team: „Immer häufiger müssen wir unsere Gespräche mit den Besuchern unterbrechen, weil zum Teil schon zum Monatsanfang Leute vorbeikommen und nach Essen fragen – aber wir sind eben keine Tafel oder Lebensmittelausgabe“, sieht sie zunehmend die Gefahr, dass das Kerngeschäft – nämlich die Beratung und Betreuung – zu kurz kommt.

Keine Räume für Ausweitung

Zudem fehle es in der „Corbacher 20“ auch an adäquaten Lagermöglichkeiten, macht Kujath deutlich, dass die Hasper Sozialeinrichtung an räumliche Grenzen stoße. Denn das Team habe durchaus den Anspruch, im Notfall Hilfsbedürftigen zumindest mit einer klassischen Konservendose, einem Paket Nudeln mit einer Fertigsoße aus dem Glas zumindest über den nächsten Tag zu helfen: „Zu sagen, wir lassen das, wäre gegen alles, wofür die Corbacher 20 steht“, beschreibt sie Selbstverständnis und DNA der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Helfer.

Vereinsvorsitzender Heinrich Baumann möchte auf jeden Fall verhindern, dass sich die „Corbacher 20“ in eine Lebensmitteltafel verwandelt.
Vereinsvorsitzender Heinrich Baumann möchte auf jeden Fall verhindern, dass sich die „Corbacher 20“ in eine Lebensmitteltafel verwandelt. © WP | Michael Kleinrensing

„Uns in eine klassische Lebensmitteltafel zu verwandeln, wollen wir auf jeden Fall verhindern“, unterstreicht Heinrich Baumann, „das sprengt unsere Möglichkeiten.“ Auch feste Abgabezeiten wolle er nicht etablieren, weil die entsprechenden Warteschlangen das friedliche Miteinander mit der Nachbarschaft gefährden könnten. Dazu müssen gesonderte Räumlichkeiten gefunden werden – die findet die „Corbacher 20“ zurzeit jedoch ebenso wenig wie das „Soziale Küchenstudio“, das seine Interims-Anlaufstelle in der Hüttenplatz-Passage bei der GWG aufgeben musste.

Loch im Jahresbudget

Zudem stellt sich die Budget-Frage: Zum Teil werden Lebensmittel gespendet, aber das „Corbacher-20“-Team muss auch immer wieder zukaufen – im vergangenen Jahr wurden hierfür etwa 10.000 Euro investiert. „Doch dieser Betrag steigt stetig“, weiß Baumann, dass hier noch so manche Gottesdienst-Kollekte und auch eine Unterstützung der Landeskirche notwendig sein werden, um die Kosten zu decken.

Auch im Jahresbudget der Beratungs- und Begegnungsstätte von etwa 137.000 Euro klafft zurzeit noch ein fünfstelliges Loch. Eine Spende der Bezirksvertretung Haspe über 4000 Euro, die die „Corbacher 20“ seit ihrer Gründung im Jahr 1990 immer wieder finanziell unter die Arme gegriffen hat, kommt da sicherlich sehr gelegen, löst jedoch nur bedingt die Etatsorgen.

Spenden sind immer willkommen

Beim täglichen Bedarf geht es keineswegs bloß um die pure Existenzsicherung. Mit den ihnen fehlenden finanziellen Mitteln werden die Menschen auch der gesellschaftlichen Teilhabe beschnitten und ihre sozialen Kontakte eingeschränkt.

Genau an dieser Stelle agiert die „Corbacher 20“ als Anlauf-, Kontakt-, Austausch- und Beratungsort. Hier existiert ein Forum, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen, Erfahrung auszutauschen, zwischenmenschliche Kontakte zu knüpfen und sich gegenseitig Mut zu machen.

Wer die Arbeit des Vereins für christliche Sozialarbeit Haspe (www.corbacher20.de) mit einer Spende unterstützen möchte, kann über die Märkische Bank (IBAN: DE56 4506 0009 2603 8250 00) und die Sparkasse Hagen (IBAN: DE47 4505 0001 0103 0268 00) finanziell helfen.