Breckerfeld. Der EN-Kreis, der die Prioreier Straße in Breckerfeld komplett für Motorräder sperren wollte, macht einen Rückzieher. Alle Hintergründe.

Die unfallträchtige Prioreier Straße zwischen Breckerfeld und Hagen, auf der vor wenigen Wochen ein junger Motorradfahrer sein Leben verlor, wird nun doch nicht voll für Motorräder gesperrt. Damit vollzieht der Ennepe-Ruhr-Kreis, der als Reaktion auf zahlreiche Unfälle eine erneute Komplettsperrung (wie sie bis 2022 galt) durchsetzen wollte, eine Kehrtwende.

Dafür werden die bestehenden Sperrzeiten nun weiter ausgeweitet. Sie gelten künftig wochentags zwischen 15 und 22 Uhr sowie samstags und sonntags. Entsprechende Schilder, die diese auf den ersten Blick durchaus komplexe Lösungen den Motorradfahrern begreiflich machen sollen, werden in Kürze aufgehängt.

Das mildeste Mittel

„Mit dieser Entscheidung werden die ursprünglichen Überlegungen für eine komplette Sperrung der Prioreier Straße für Motorräder nicht umgesetzt“, heißt es denn auch in einer Erklärung des EN-Kreises. Grundsätzlich sei die Verwaltungsbehörde verpflichtet, bei ihren Entscheidungen immer die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu prüfen, um das mildeste Mittel zu wählen, welches zum Erreichen des Ziels – hier die Vermeidung weiterer Unfälle – führt. Im Rahmen der Anhörung und einer Sitzung der Unfallkommission habe sich herausgestellt, dass in einer vergleichbaren Situation auf der B 236 in Schwerte eine nochmalige Erweiterung der Sperrzeiten, dort auf wochentags 17 bis 22 Uhr, zum Erfolg (also zu einer Reduzierung der Unfälle) geführt hätte.

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Seitens der Verwaltung, so teilt der Kreis weiter mit, sei nun aufgrund der Expertise dieses Gremiums aus Fachleuten von Straßen NRW, der Polizei sowie der Bezirksregierung und des Kreises beschlossen, dieses Modell zu übernehmen. Jedoch habe der Ennepe-Ruhr-Kreis in seiner Anordnung – auch mit Blick auf den tödlichen Unfall im vergangenen Monat, der am frühen Nachmittag geschah – den Zeitraum, der in Schwerte gilt, um täglich zwei Stunden ausgeweitet.

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Des Weiteren beschloss die Unfallkommission für ein Mehr an Sicherheit für die Motorradfahrer zudem das Aufstellen zusätzlicher Richtungstafeln (rot-weiße Pfeile in den Kurven) sowie das Erneuern der Fahrbahnmarkierungen. Eine von der Unfallkommission in Auftrag gegebene Prüfung der Griffigkeit der Fahrbahn habe ergeben, dass diese keine Mängel aufwies.

Uneinigkeit zwischen den Behörden

Nach Informationen unserer Zeitung hatte es in Bezug auf die Sperrung durchaus Differenzen zwischen dem Ennepe-Ruhr-Kreis, dem Landesbetrieb Straßen NRW und der Kreispolizeibehörde gegeben. Die nun getroffene Regelung scheint ein Kompromiss, der wohl auch aus Sorge einer erneuten Klage getroffen wurde. Denn: Die sogenannte Priorei war nach mehreren tödlichen Unfällen Anfang der 80er-Jahre gesperrt worden.

Blumen erinnerten an der Unfallstelle an den tragischen Tod eines 22-Jährigen an der Prioreier Straße in Breckerfeld.
Blumen erinnerten an der Unfallstelle an den tragischen Tod eines 22-Jährigen an der Prioreier Straße in Breckerfeld. © WP | Jens Stubbe

Ein Motorradfahrer hatte unterstützt vom Bundesverband der Motorradfahrer dagegen geklagt und schließlich Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht hatte die Regelung im April 2022 gekippt. Seither hatten sich auf der kurvenreichen Strecke zahlreiche, zum Teil auch schwere Motorradunfälle ereignet. Einer davon, am 13. Juni 2024, endete tödlich.

Baumann unzufrieden mit Lösung

Nicht zufrieden mit der jetzt getroffenen Lösung ist der ehemalige Breckerfelder Bürgermeister Klaus Baumann, der für die CDU im Kreistag sitzt. Er hatte sich zuletzt vehement für eine Vollsperrung für Motorräder ausgesprochen. „Ich habe gegenüber dem Kreis mein Unverständnis geäußert“, so Baumann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich hätte mir eine Vollsperrung im Interesse der Verkehrsteilnehmer und unserer Rettungskräfte gewünscht. Ich hoffe sehr, dass es zu keinen weiteren schweren Unfällen während der Öffnungszeiten kommt.“

Spezialisten der Polizei untersuchten am 13. Juni an der Prioreier Straße in Breckerfeld die Unfallstelle.
Spezialisten der Polizei untersuchten am 13. Juni an der Prioreier Straße in Breckerfeld die Unfallstelle. © Alex Talash | Alex Talash

Deutlich hatte auch der Großvater des zuletzt verstorbenen 22-jährigen Motorradfahrer Position gegenüber unserer Zeitung bezogen. „Es ist höchste Zeit, dass diese Strecke wieder für Motorradfahrer gesperrt wird“, hatte der 87-Jährige erklärt, als er von der damals noch geplanten Sperrung erfahren hatte. „Über lange Jahre hinweg war sie das ja. In dieser Zeit hat es keine schweren Unfälle gegeben.“ Und weiter: „Mein Enkel war fasziniert von der Strecke. Nachdem sie an den Wochenenden gesperrt wurde, ist er regelmäßig donnerstagnachmittags dort gefahren.“

Neuer Hotspot am Donnerstag

Der Donnerstag war zuletzt für Motorradfahrer zu einem neuen Hotspot geworden. Insbesondere bei gutem Wetter treffen sich dutzendweise Motorradfahrer an der Zufahrt zum Klärwerk oder an der Drehe. Von dort rasen sie die Kurven hinauf, wenden im Kreisverkehr, um gleich anschließend (weitestgehend unbehelligt von der Polizei) wieder hinabzurasen.

Immer wieder mussten in den letzten Monaten Rettungshubschrauber auf der Prioreier Straße in Breckerfeld landen. Am 13. Juni kam für einen 22-jährigen Motorradfahrer jede Hilfe zu spät.
Immer wieder mussten in den letzten Monaten Rettungshubschrauber auf der Prioreier Straße in Breckerfeld landen. Am 13. Juni kam für einen 22-jährigen Motorradfahrer jede Hilfe zu spät. © Alex Talash | Alex Talash