Schwelm. Tötung im Affekt? Warum die Staatsanwaltschaft dem angeklagten Schwelmer nicht glaubt. Ihm wird vorgeworfen, seine Ex-Frau erstochen zu haben.
Staatsanwalt Lukas Franke fordert lebenslange Haft für den Angeklagten im Schwelmer Mordprozess. Wie er in seinem Plädoyer am Montagnachmittag am Hagener Landgericht deutlich machte, habe sich der 48-Jährige, der angibt, seine 50-jährige Ex-Frau getötet zu haben, des Mordes schuldig gemacht. Dabei sieht Franke die Merkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe bestätigt. Darüber hinaus hält er auch die sogenannte besondere Schwere der Schuld für gegeben. Sollte das Gericht seiner Auffassung folgen, hieße das, dass der Beschuldigte nach einer Verurteilung nicht schon nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden kann.
Zur Vorgeschichte: Der Angeklagte hatte im früheren Verlauf des Prozesses über seine beiden Verteidiger schriftlich verlauten lassen, seine ehemalige Partnerin und Mutter eines gemeinsamen Sohns, im Februar im Streit und aus dem Affekt heraus mit einem Messer tödlich verletzt zu haben. Die Tat passierte auf einem Garagenhof an der Moltkestraße in Schwelm, direkt an der Wohnadresse des Opfers. 34 Mal soll er das Messer in den Körper der Frau gestoßen haben, ihr die Kehle und Halsschlagadern durchgeschnitten haben. Laut Einlassung des Angeklagten sei es zu einem Handgemenge gekommen, infolgedessen das Messer auf den Boden gefallen sein soll. Sowohl er als auch seine Ex-Frau hätten danach gegriffen, hieß es. Er habe die Waffe zuerst erreicht und dann auf sein Gegenüber eingestochen.
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Es entstand das Bild einer Affekt-Tat, das die Staatsanwaltschaft allerdings für wenig glaubhaft hält. Vielmehr hält sie die Tat für geplant. „Der Angeklagte hat dem Opfer an dessen Wohnanschrift aufgelauert“, so Lukas Franke. Als die Frau ihr Auto in der Garage geparkt habe und ausgestiegen sei, habe er sie angegriffen und auf sie eingestochen. Er habe eine Waffe und Wechselkleidung dabei gehabt, außerdem im Vorfeld recherchiert, wo zum Beispiel im Körper welche Organe liegen oder wie man nach schwerer Körperverletzung bestraft wird. Das sieht der Staatsanwalt ganz klar als Zeichen der Vorbereitung auf die Tat. Des Weiteren habe der Angeklagte laut Zeugenaussagen gedroht, dem Opfer Gewalt anzutun, sollte dieses sich von ihm trennen.
Rede von einer Tat aus Hass
Dass die Frau noch einen Rucksack auf dem Rücken und Schlüssel in der Hand gehabt habe, deutet für die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass sie in gewohnter Routine aus dem Auto habe aussteigen und zur Wohnungstür habe gehen wollen. „Das passt nicht zur Einlassung des Angeklagten, dass sie ihn attackiert hat“, schlussfolgert Lukas Franke. „Dann hätte sie den Schlüssel sicher fallengelassen.“ Wenn sie den Angeklagten im Vorfeld überhaupt wahrgenommen hätte, wäre sie aus Sicht des Staatsanwalts erst gar nicht aus dem schützenden Auto ausgestiegen. In der Einlassung des Angeklagten hatte es geheißen, dass er seine Ex-Frau vorher zufällig in deren Auto gesehen und dass es Blickkontakt gegeben habe. „Es bleiben keine Zweifel, dass der Angeklagte das völlig überraschte Opfer in der Garage angriff“, erklärt aber der Staatsanwalt. Das Opfer sei arglos gewesen, das Mordmerkmal der Heimtücke daher bestätigt.
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34 Stiche und eine durchgeschnittene Kehle sprechen für den Staatsanwalt eine klare Sprache. Laut Obduktion seien die Einstiche mit großer Wucht erfolgt. „Das war ein Angriff aus Wut und Hass“, so Franke. Der Angeklagte habe durch die Trennung seine Familie – gemeint sind Partnerin und gemeinsamer Sohn – verloren. Das perfekte Bild der Familie nach außen hin sei zerbrochen. Der Angeklagte habe Rache genommen. Der Staatsanwalt sieht daher auch das Mordmerkmal der niederen Beweggründe gegeben.
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Die Einlassung des 48-Jährigen hält Lukas Franke für eine „Verteidigererklärung“, wie er sagt, die erst nach der Beweisaufnahme gemacht worden sei und daher auf diese hätte abstimmt werden können. Franke geht zudem davon aus, dass der Angeklagte vollumfänglich schuldfähig ist. Dabei stützt er sich auf ein Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Nikolaus Grünherz, der dieses ebenfalls am Montag während der Verhandlung erläuterte und verschiedene Kriterien darlegte, die für und gegen eine Schuldunfähigkeit sprechen. Grünherz betont allerdings auch, dass der Angeklagte für dieses Gutachten nicht befragt worden sei. Seine Einschätzungen beruhten demnach vor allem auf Zeugenaussagen.
Zweifel an Aussagen
Grünherz stellte auch fest, dass sich der Angeklagte sehr genau an das Geschehen vor und nach der Tat erinnern konnte und bei der Festnahme ruhig und besonnen gewirkt habe, was aus seiner Sicht gegen eine schwere seelische Erschütterung spreche. Dass sich der 48-Jährige zwar genau an das Vorher und Nachher, nicht aber in allen Details an die Tat selbst erinnere, spricht für Staatsanwalt Franke ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit der Einlassung.
„Es bleiben keine Zweifel, dass der Angeklagte das völlig überraschte Opfer in der Garage angriff.“
Auch Aussagen des Angeklagten, dass das Opfer Gewalt gegen ihn ausgeübt habe und sich geäußert habe, ihm den Sohn wegnehmen zu wollen, zweifelt der Staatsanwalt an. Der Angeklagte habe stattdessen versucht, das Opfer bewusst in ein schlechtes Licht zu rücken, weshalb Franke auch für die besondere Schwere der Schuld plädiert. Er beantragt eine lebenslange Freiheitsstrafe und dass der aktuelle Haftbefehl aufrecht erhalten bleibt.
Damit ist der Schwelmer Mordprozess auf die Zielgrade eingebogen. Am Montag, 20. Januar, wird auch die Verteidigung des Angeklagten ihr Plädoyer halten. Wie ist die Tat ihres Mandanten durch das Gericht zu bewerten? Für wie valide halten sie die Basis, auf der die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer abstellt? Die Rechtsanwälte Ihsan Tanyolu und Christoph Wortmann werden ihre Sicht der Dinge schildern. Das Urteil ist derzeit für den 28. Januar terminiert.