Schwelm. Der Rat der Stadt Schwelm hatte schon für eine einheitliche Grundsteuer-Erhebung gestimmt. Jetzt gibt es einen neuen Vorstoß.
Das Thema Grundsteuer bleibt ein Dauerbrenner. Während die Städte Schwelm und Ennepetal bereits entschieden haben, welche Grundstücke sie wie belasten wollen, wird Gevelsberg am Donnerstag, 30. Januar, darüber entscheiden lassen. Gleichzeitig gibt es in Schwelm schon einen neuen Vorstoß, das Thema anders anzugehen. So setzen die Fraktionen von SPD und CDU sich per Antrag dafür ein, statt des erst beschlossenen einheitlichen Hebesatzes nun doch einen differenzierten auf den Weg zu bringen. Das Ziel: Wohngrundstücke nur so viel wie zwingend nötig zu besteuern, denn - so betonen beide Fraktionen - „Wohnen muss bezahlbar bleiben.“
Konkret schlagen Sozial- und Christdemokraten vor, dass die Stadt Schwelm nach den notwendigen Vorarbeiten eine Grundsteuersatzung ausarbeitet, die zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken unterscheidet. Die neue Satzung soll Ungleichgewichte zum Nachteil einer höher besteuerten Wohnbebauung ausgleichen und weiterhin eine Aufkommensneutralität für die Stadt sicher stellen. Aufkommensneutralität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Einnahmen der Kommune nach der Reform der Grundsteuer ungefähr so hoch sein müssen wie zuvor.
Vor allem aus Sorge vor Rechtsunsicherheiten hatte der Rat am 28. November 2024 dem Vorschlag der Stadtverwaltung zugestimmt, die Grundsteuer einheitlich zu erheben - mehrheitlich, auch mit den Stimmen von SPD und CDU. Diese argumentieren nun, dass mittlerweile eine ausreichende Datengrundlage für eine belastbare Festlegung differenzierter Hebesätze vorliegen dürfte. Außerdem würden zwischenzeitlich weitergehende Rechtsgutachten vorliegen, die eine rechtssichere Einführung einer differenzierenden Satzung positiv einschätzen, heißt es weiter im gemeinsamen Antrag.
Stadt spricht von rückwirkender Anpassung
Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil aus 2018 das bisherige System der Grundsteuer-Bewertung für verfassungswidrig erklärt. Das Land NRW stellte den Kommunen frei, wie sie den Hebesatz anpassen. Bei einem differenzierten Hebesatz kann eine Kommune zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstück unterscheiden. Der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke darf aber nicht niedriger sein als der Hebesatz für Wohngrundstücke. Der Nachteil: Kommunale Spitzenverbände sahen Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung und sorgten sich, dass diese Berechnung rechtlich angreifbar wäre. Der Vorteil: Die Inhaber von Wohngrundstücken würden entlastet und gewerblich genutzte Grundstücke würden teurer.
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Mit der Rechtsunsicherheit und einem daraus resultierenden Klagerisiko argumentierte vordergründig auch die Stadt Schwelm, die sich daher für einen einheitlichen Hebesatz aussprach. Den beschloss der Rat mit den Stimmen von SPD, CDU, Wählergemeinschaften und BIZ. Grüne, FDP und Linke stimmten dagegen. Gleichzeitig legte der Rat fest, dass diese Berechnung noch einmal überprüft werden soll, da noch nicht für alle Grundstücke Zahlen vorliegen würden. Die Stadt erklärte dazu, dass eine rückwirkende Anpassung der Hebesätze bis zum 30. Juni 2025 möglich sei.
Darauf nehmen auch SPD- und CDU-Fraktion Bezug. Der Beschluss des einheitlichen Hebesatzes für die Grundsteuer sei zum damaligen Zeitpunkt aus Gründen der Rechtssicherheit geboten gewesen, schreiben die beiden Fraktionsvorsitzenden Thorsten Kirschner (SPD) und Michael Müller (CDU). „Der Verwaltung lagen noch nicht alle für eine mögliche Differenzierung erforderlichen Daten vor, da es nach Auskunft der Kämmerin noch circa 400 offene Fälle gab.“ Wie eingangs erwähnt gehen beide Fraktionen aber davon aus, dass die Situation sich zwischenzeitlich geändert hat.
Fraktionen sehen nun Rechtssicherheit
Eine differenzierte Grundsteuersatzung biete die Möglichkeit, Belastungsverschiebungen zum Nachteil von Wohngrundstücken im Rahmen der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten so weit wie möglich abzufangen, erklären Kirschner und Müller weiter. Für die Stadt Schwelm stelle das die einzige Möglichkeit dar, um unbillige Härten und soziale Ungleichheiten unter Beachtung der verfassungsgerichtlichen und landesrechtlichen Vorgaben so weit wie möglich zu vermeiden. „Auf Grundlage der nunmehr vorliegenden Erkenntnisse gehen unsere Fraktionen davon aus, dass eine solche Differenzierung auch rechtssicher möglich ist“, machen die beiden Fraktionsvorsitzenden deutlich.
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Außerdem schlagen sie vor, bis zu einer abschließenden Beschlussfassung über eine mögliche Differenzierung der Grundsteuerhebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke von einer Versendung der Grundsteuerbescheide zunächst abzusehen - „um eine zusätzliche Belastung der Verwaltung sowie eine Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden.“ Der Finanzausschuss wird in seiner Sitzung am Donnerstag, 30. Januar, über den Antrag beraten. Die finale Entscheidung trifft der Rat in seiner Sitzung am 13. Februar.
Reaktionen auf den Antrag von SPD und CDU gibt hingegen schon jetzt. Die Fraktion der Schwelmer Grünen zeigte sich ironisch: „Die Grünen freuen sich, dass Verwaltung und die schwarz-rote Ratsmehrheit nun offenbar doch dem Vorschlag der Grünen-Ratsfraktion folgen wollen.“ Wie die Grünen hatten auch FDP und Linke Ende November auf Ungerechtigkeiten eines einheitlichen Hebesatzes verwiesen und betont, dass Wohnraum bezahlbar bleiben müsse. SPD und CDU hatten im Rat erklärt, dass sie das ähnlich sehen, sie aber zunächst eine rechtliche Grundlage für das weitere Verfahren auf den Weg bringen wollten.