Gevelsberg/Schwelm/Ennepetal. Es läuft die Probephase für die elektronische Patientenakte für alle. Was Ärzte aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm von ihr halten.

Elektronische Patientenakten (ePa) für alle – damit wirbt das Bundesgesundheitsministerium. Viele Ärzte sind davon überzeugt, dass die ePa noch nicht ausgereift sind. Ist das so und wie sehen das die Hausärzte aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm. Unsere Redaktion hat mit ihnen darüber gesprochen, welche Vor- und Nachteile sie in dem Konzept sehen.

Ungefähr 70 Praxen in Westfalen-Lippe nehmen seit dem 15. Januar an einer Pilotphase teil, wie die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe angibt. Ein bundesweiter Rollout solle erst nach einer erfolgreichen Pilotphase erfolgen. Wann das sein wird, kann die Vereinigung noch nicht angeben.

Schwelmer Arzt zu elektronischen Patientenakten: Besonders bei Notfällen hilfreich

„Ich finde das generell gut“, meint Internist Tobias Ryschka, dem eine Hausarztpraxis in der Schwelmer Bahnhofsstraße gehört. Zudem habe er schon Erfahrungen mit dem neuen System gesammelt: „Ich habe einige Patienten, die das bereits nutzen.“

„Ich habe jahrelang in einer Notfall-Station gearbeitet“, erklärt er. Bei einem Notfall seien die Patienten teilweise bewusstlos oder könnten nicht sprechen. Eine elektronische Akte könne dann helfen. „Da können ganz viele Fehler vermieden werden“, betont Tobias Ryschka. Auch im ambulanten Bereich sei eine elektronische Patientenakte hilfreich, vermutet er. „Fachärzte können auf Medikamente zugreifen. Doppelte Verschreibungen und Wechselwirkungen werden so leichter vermieden.“

Verbraucherzentrale Iserlohn - Tipps zur Elektonischen Patientenakte
Die Testphase der elektronischen Patientenakte läuft. Ärzte aus Ennepetal, Schwelm und Gevelsberg äußern sich zum Plan, die elektronische Patientenakte für alle umzusetzen. © IKZ | VZ NRW adpic

Umsetzung schwierig, Vorteile der elektronischen Patientenakte aber im Vordergrund

An eine allgemeine Umsetzung der ePa im Februar glaubt Tobias Ryschka noch nicht, denn trotz des Lobs sieht er auch Probleme beim neuen System. Viele Regelungen seien noch unklar – etwa wie eine Archivierung erfolgen solle oder wie mit gesetzlich betreuten Patienten aus dem Pflegeheim umgegangen werde. Die Umsetzung werde unter anderem auch wegen der erforderlichen Software schwierig: „Es gibt zig verschiedene Apps dafür.“

Wie der Chaos Computer Club gezeigt habe, sei die Datensicherheit zudem noch nicht ausgereift, obwohl es um hochsensible Daten gehe. Das würde auch die Unsicherheit unter den Patienten und Patientinnen erhöhen. „Aber ich würde keinem raten, es deswegen nicht zu machen“, erklärt Tobias Ryschka. „Für mich steht der Vorteil im Vordergrund, weil man im Notfall schnell handeln kann und nicht erst in irgendwelchen Warteschleifen hängt oder an einem Freitagnachmittag niemanden mehr erreicht.“

Internist Tobias Ryschka in Schwelm hat lange in einer Notfall-Station gearbeitet. In akuten Situationen könne eine elektronische Patientenakte helfen, meint er.
Internist Tobias Ryschka in Schwelm hat lange in einer Notfall-Station gearbeitet. In akuten Situationen könne eine elektronische Patientenakte helfen, meint er. © WP | Alisa Schumann

Arzt aus Ennepetal: „Es ist ein Chaos“

Etwas anders sieht es Dr. Karsten Stolz von dem Praxisteam Voerde in Ennepetal. Doch auch für ihn steht nicht die Kritik an der Sicherheit des neuen Systems im Vordergrund. Zwar sei auch diese ein wichtiges Thema, doch zunächst sei die Funktionalität wichtiger. Doch er glaubt nicht, dass diese schon gegeben sei. „E-Rezepte und E-AU funktionieren noch immer nicht. Heute zum Beispiel kann ich wieder keine eAUs ausgeben“, erklärt er.

Bereits die Einführung von E-Rezepten und eAUs sei in Deutschland nicht gut abgelaufen und habe ihn viel Geld gekostet. „Wenn es funktioniert, dauert es viel länger als wenn ich es händisch ausfüllen würde.“ Ein ähnliches Ergebnis befürchtet er auch bei einer allgemeinen Einführung der ePa.

Dabei hat Karsten Stolz grundsätzlich nichts gegen die Einführung einer elektronischen Patientenakte und hält diese sogar für eine gute Idee, wie er erklärt. Aber er sagt auch: „Es ist stümperhaft gemacht. Ich warte so lange mit der Einführung ab, bis die elektronische Patientenakte verpflichtend ist.“

Ennepetal
Dr. Karsten Stolz vom Praxisteam Voerde in Ennepetal erklärt, warum er die elektronische Patientenakte noch nicht benutzen möchte. © Praxisteam Voerde | Praxisteam Voerde

Elektronische Patientenakte: Gevelsberger Arzt sieht viele Probleme

„Langfristig ist die ePa sicherlich sinnvoll“, erklärt Dr. med. Thomas Heidenreich zunächst vorsichtig. Er ist Facharzt für Allgemeinmedizin in Gevelsberg. „Aber es wird alles übers Knie gebrochen“, kritisiert er die Herangehensweise von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der Gevelsberger Arzt sieht Probleme bei Datenschutz, Umsetzung und Datensicherheit. „Es ist Hohn, dass Lauterbach sagt, wir machen vier Wochen Erprobungsphase. Das kann in der Zeit doch gar nicht ausgewertet werden.“

Gevelsberg
Dr. med. Thomas Heidenreich aus Gevelsberg sieht noch viele Probleme bei der elektronischen Patientenakte. © privat | Privat

Es gebe viele schwammige und zu wenig definierte Formulierungen. So sei beispielsweise nicht immer klar, was genau unter die sensiblen Daten falle oder wann eine Erkrankung als psychische Erkrankung gelte und damit mit bestimmten Zugriffsbeschränkungen versehen werden könne.

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Änderungen vor der Einführung der elektronischen Patientenakte notwendig

Zudem könnten viele Patienten mit den erforderlichen technischen Herausforderungen nicht umgehen. Um die elektronische Patientenakte einzuführen, seien qualifizierte Personen notwendig – auch keine Selbstverständlichkeit bei der aktuellen Personalknappheit.

Probleme sieht der Gevelsberger Arzt auch bei Therapieanpassungen. „Medikamentenpläne werden aus den E-Rezepten erstellt“, erklärt er. „Wenn jemand eine Anpassung der Medikamente erhält, also beispielsweise nur noch eine halbe statt einer ganzen Tablette nehmen soll, kann ich das auf dem E-Rezept nicht mehr ändern.“ Trotz all seiner Kritik ist auch Thomas Heidenreich nicht generell gegen die ePa. Bis sie eingeführt wird, müsse sich allerdings noch einiges ändern.