Schwelm. Zeugenaussagen enthüllen erschreckende Details aus der Ehe des Angeklagten, der seine Frau brutal getötet haben soll.

In dem aufwändigen Prozess gegen einen Schwelmer, der am 28. Februar seine Ehefrau mit 34 Messerstichen brutal getötet haben soll, nimmt das Schwurgericht am Hagener Landgericht nun das Eheleben zwischen dem Opfer und dem Angeklagten unter die Lupe. Aussagen, dass der Tatverdächtige in der Vergangenheit gegenüber seiner Frau gewalttätig gewesen sei, hatten den Verdacht nach der Tat schnell auf ihn gelenkt. Dies bestätigen nun auch Zeugenaussagen mit erschreckenden, gewalttätigen Demütigungen, die der 48-Jährige seiner Frau angetan haben soll.

Zeugin schildert schlimme Zustände in der Ehe

Besonders die Schilderungen einer Zeugin stechen an diesem vierten Verhandlungstag heraus. Sie war laut eigener Aussage eine sehr enge Freundin des Opfers und auch diejenige, die die Beerdigung der Schwelmerin organisiert hat. Die beiden hatten sich ein Jahr vor der Tat im Februar 2023 in einer Gruppentherapie kennengelernt, die die 50-jährige Schwelmerin nach der Trennung von ihrem Ehemann begonnen hatte. Zu Beginn soll sie „sehr ruhig, sehr in sich gekehrt, verängstigt“ gewesen sein und oft geweint haben. Je länger die Therapie ging, desto besser soll sie sich gefühlt haben. „Das war die beste Zeit ihres Lebens, jetzt kann das Leben beginnen“, gibt die Zeugin Gefühle des Opfers nach der Trennung wieder.

Denn zuvor soll die Schwelmerin in ihrer Ehe durch die Hölle gegangen sein. Gegenüber der Freundin habe sie erzählt, dass ihr Mann sie in der gemeinsamen Wohnung „tagelang ohne Essen an die Heizung gekettet“ habe, sie im Keller eingesperrt wurde oder er sie nach einem Streit „bei Minusgraden nackt auf den Balkon gesperrt“ habe. Zudem soll der 48-jährige Angeklagte seine Frau immer wieder verprügelt und auch zum Sex gezwungen haben. „Je länger sie zusammen waren, desto schlimmer wurde es“, schildert die Zeugin, was das Opfer ihr erzählt haben soll.

Schwiegermutter soll Bescheid gewusst haben

Die gleiche Freundin erwähnt auch im Zeugenstand, dass die Schwiegermutter des Opfers über die Gewalt in der Ehe Bescheid gewusst haben soll. Die Schwelmerin soll sie oft ins Vertrauen gezogen haben. „Aber sie hat ihr nicht geholfen“, sagt die Freundin dazu. Die 80-jährige Schwiegermutter selbst war an diesem Tag ebenfalls als Zeugin geladen, machte aber genau wie der Vater und Bruder des Angeklagten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Blickkontakt zu seinen nächsten Angehörigen sucht der Tatverdächtige nicht. Er schaut die meiste Zeit nach unten oder an die Decke.

„Er brauchte die Macht über sie und auch über den Sohn.“

Zeugenaussage einer Freundin des Opfers

Außerdem soll der Angeklagte auch den gemeinsamen Sohn geschlagen und ihm einmal auch eine Socke in den Mund gestopft haben. Der Vater habe seinen Sohn zudem sehr gedrillt, was die Schule angeht. Die Zeugin schildert eine Situation, in der der Sohn angeblich bis drei Uhr morgens lernen musste, obwohl am nächsten Tag Schule war. „Er brauchte die Macht über sie und auch über den Sohn“, sagt die Freundin vor Gericht. Der Angeklagte habe alles kontrolliert, was seine Frau esse, was sie trinke, wie viel sie wiege und sie auch von allen isoliert. „Sie durfte nichts alleine entscheiden.“

So soll die Trennung abgelaufen sein

Die Freundin berichtet auch von dem Tag, an dem die Schwelmerin mit ihrem Sohn aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. „Es war ein Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr konnte.“ Die Zeugin selbst war nicht dabei, weil sie sich erst danach kennenlernten, gibt lediglich wieder, was ihr das Opfer über den Tag im Nachhinein erzählt haben soll. Die 50-Jährige soll für ihre Flucht drei oder vier alte Freundinnen kontaktiert haben, die mit ihren Männern vorbeikamen. Einer der Männer soll den Angeklagten zurückgehalten haben, während die Schwelmerin und ihr Sohn eilig das Nötigste zusammenpackten und aus der Wohnung flohen.

GEPIXELTE VERSION
Die Trauer und Bestürzung über die Tat war groß unter den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Viele legten vor dem Wohnhaus der Schwelmerin Blumen nieder und zündeten Kerzen an. © WP | Stefan Scherer

„Es gab keine Chance, sich auf normalem Wege zu trennen“, soll die Schwelmerin ihr gesagt haben. Das Opfer habe bereits 2021 Kontakt zu einem Psychologen aufgenommen und nach Hilfe gesucht, um sich zu trennen, es am Ende aber wieder gelassen. „Wahrscheinlich aus Angst.“ Einen Mann wie ihn verlasse man nicht, soll er ihr gesagt haben, und dass sie es bereuen würde. Konkrete Konsequenzen habe er ihr aber nicht angedroht. Angst, dass ihr der 48-Jährige nach der Trennung etwas antun könnte, soll sie nicht gehabt haben. „Er hätte ihr zu Zeiten, wo sie zusammen waren, so vieles angetan, was Schlimmeres könnte nicht passieren“, gibt die enge Freundin ein Gespräch darüber mit dem Opfer wieder.

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So geht es dem Sohn

Auch zum Sohn habe die Freundin ab und zu telefonisch Kontakt. Sie habe seine Wünsche bei der Planung der Beerdigung berücksichtigt. „Es geht ihm logischerweise nicht gut“, erzählt sie. Über die Tat würde er nicht sprechen, aber sie habe das Gefühl, dass jetzt langsam erst alles bei ihm ankomme. „Ein ganz toller, großartiger, sehr sensibler Junge“, so beschreibt sie ihn. Das Verhältnis zu seiner Mutter bezeichnet sie als sehr eng. Zu dem Vater möchte er keinerlei Kontakt. Auch zu den Großeltern väterlicherseits sei das Verhältnis nicht gut. Sie hätten ihn immer gedrängt, sich mit dem Vater zu versöhnen. Der 15-Jährige tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Ob er selbst noch vor Gericht aussagen wird, bleibt ungewiss.

Weitere Zeugenaussagen

Eine weitere Bekannte, die das Opfer seit November 2023 aus der gleichen Therapiegruppe kannte, war am Tattag mit dem Opfer zum Joggen verabredet. Sie haben oft zusammen Sport gemacht, auch drei bis vier Mal die Woche Kickboxen und Selbstverteidigung. Beim Kickboxen soll die 50-Jährige oft ihren Ärger über ihren Noch-Ehemann rausgelassen haben.

„Wenn man sie gesehen hat, ging die Sonne auf.“

Zeugenaussage einer Bekannten über das Opfer

Eine engere Freundschaft zwischen beiden Frauen soll gerade im Entstehungsprozess gewesen sein. „Wenn man sie gesehen hat, ging die Sonne auf“, beschreibt sie die Schwelmerin als einen sehr lieben Menschen, der immer ein Lächeln im Gesicht hatte. Da die Bekannte deutlich später zu der Therapiegruppe gestoßen ist, wüsste sie nicht viele Details aus dem Eheleben, gibt aber an, dass die Ehe des Opfers der Grund für dessen Therapie gewesen sei. „Sie hat gesagt, sie ist froh, wenn die Scheidung durch ist.“ Sie schildert auch, genau wie zwei weitere Freundinnen, mehrere Male den Angeklagten in der Nähe der neuen Wohnung seiner Frau in der Moltkestraße gesehen zu haben. „Sie hat sich oft geärgert, dass er am Park herumlungert.“

Eine andere Zeugin verstrickt sich in Widersprüche

Nach einer Verhandlungspause sagt noch eine weitere Zeugin aus. Sie kennt die Schwelmerin seit Jahren, weil die Söhne auf die gleiche Schule gehen, der Kontakt sei aber erst nach der Trennung der Schwelmerin von ihrem Mann enger geworden. Die Frau ist im Zeugenstand sichtlich nervös, zupft immer wieder an ihrer Tasche herum. Während fast jeder Frage bleibt sie vage, will sich nicht erinnern können oder darüber nichts wissen.

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Irgendwann verliert die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen ihre Geduld und weist die Frau nachdrücklich darauf hin, dass man sich hier nicht zu einem Kaffeekränzchen verabredet habe, sondern versuche, ein Tötungsdelikt aufzuklären. Konfrontiert mit den eigenen Aussagen, die sie im Vorfeld bei der Polizei gemacht hatte, bestätigt sie diese dann doch immer, nur um sie direkt wieder zu relativieren. Auf Nachfrage der Nebenklagevertreterin Heike Tahden-Farhat, gibt die Zeugin zu, dass sie sich sehr unwohl fühle und Angst habe. Wovor genau lässt sie offen.

Der Angeklagte, der den Großteil der Verhandlung teilnahmslos auf seinem Platz sitzt und keinerlei Emotionen erkennen lässt, tauscht sich während dieser Zeugenvernehmung immer wieder flüsternd mit seinen Verteidigern aus.

Abschließend wird ein Gutachten eines DNA-Abgleiches verlesen, in dem menschliche Kopfhaare untersucht wurden, die an der rechten Hand des Opfers gefunden wurden. Sie waren aber für eine genaue Zuordnung qualitativ nicht ausreichend geeignet, sodass man nicht ausschließen könne, dass die Haare von der Geschädigten selbst stammen. Es bleibt somit vorerst ein auf Zeugenaussagen basierender Indizienprozess, der in der kommenden Woche fortgesetzt wird.