Essen. Thomas Ring führt seit 25 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durch. Dafür hat er schon etliche Morddrohungen erhalten. Wie der Essener damit umgeht.
- Thomas Ring bietet in seiner Praxis in der Essener Innenstadt seit mehr als 25 Jahren Schwangerschaftsabbrüche an, medikamentös und operativ.
- Mit welchen Anfeindungen er zu kämpfen hat, welche Frauen zu ihm kommen – und warum eine Entkriminalisierung der Abbrüche aus seiner Sicht nur wenig verändern würde.
- Lesen Sie hier sein Protokoll:
„Ich habe schon etliche Morddrohungen erhalten. Mir wurden zum Beispiel Zeitungsberichte aus den USA zugeschickt über Ärzte, die erschossen wurden, weil sie Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt haben. Dazu hatte jemand in Großbuchstaben geschrieben: ,Gynäkologen, tragt kugelsichere Westen!‘ Die Polizei fuhr dann zur Sicherheit regelmäßig bei mir zuhause und an der Praxis vorbei.
Das ist aber schon fast 25 Jahre her. Zu der Zeit, also 1999, gab es auch die meisten Proteste direkt vor meiner Praxis in der Essener Innenstadt. Regelmäßig haben Menschen mit Rosenkränzen und Kreuzen demonstriert. Das hat zum Glück nachgelassen. Aber ich kenne auch Kollegen, bei denen das heute noch vorkommt. Von daher finde ich es gut, dass die Gehsteigbelästigung nun verboten werden soll.
Essener Frauenarzt sucht Gespräch mit Abtreibungsgegnern
Bei mir ist das so: Wenn jemand mir oder meinen Patientinnen droht, führt das eher dazu, dass sich meine Meinung verhärtet. Trotzdem ist es wichtig, das Gespräch mit den Abtreibungsgegnern zu suchen. Ich habe schon oft mit ihnen Kontakt aufgenommen. Als ich zum Beispiel mal einen sehr christlichen Mann angerufen habe, dachte er, ich würde ihn beschimpfen wollen. Aber das würde ja nichts bringen. Wir haben also sehr sachlich miteinander geredet.
Entkriminalisierung umstritten
Sollten Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden? Diese Frage führt derzeit in Deutschland zu vielen Diskussionen. Gegen eine neue Regelung spricht sich etwa die katholische Deutsche Bischofskonferenz aus. „Eine gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs muss sowohl die Grundrechtsposition der Frau als auch die des ungeborenen Lebens in verfassungsrechtlich gebotener Weise berücksichtigen“, heißt es dazu.
Daher hielten die deutschen Bischöfe an einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch fest. Wie viele Gegnerinnen und Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen argumentieren sie damit, dass das ungeborene Leben geschützt werden müsse: „Beim vorgeburtlichen Leben handelt es sich von Anfang an um individuelles Leben, das nach christlicher Auffassung Anspruch auf den gleichen Schutz seines Lebens hat und dem die gleiche Würde zukommt.“
Natürlich war uns beiden klar, dass wir nicht auf eine Meinung kommen werden. Aber er hat zumindest eingesehen, dass die betroffenen Frauen sich teilweise in sehr schwierigen Situationen befinden. Ich habe dann auch vorgeschlagen, dass er ja einen Fond einrichten könnte für Frauen, die ihre Schwangerschaft nur aus finanziellen Gründen abbrechen.
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Generell sind die Gründe, warum Frauen bei mir einen Abbruch machen lassen, sehr, sehr vielfältig. Manche wurden vom Partner verlassen, bei manchen darf die Familie nicht wissen, dass sie vor der Ehe Sex hatten. Andere sagen: ,Ich bin im Job so weit gekommen und will noch weiterkommen, das kann ich noch nicht für ein Kind aufgeben‘ oder ,Ich bin zu alt. Ich habe schon zwei Kinder, an die ich denken muss.‘ Ungeplante Teenie-Schwangerschaften sind tatsächlich sehr selten.
Es gibt aber, zumindest in meiner Praxis, leider nicht wenige Frauen, die das alles zu sehr auf die leichte Schulter nehmen. Der traurige ,Rekord‘ einer Frau liegt bei 15 Abtreibungen. Wir sprechen mit ihr jedes Mal über Verhütung. Aber sie setzt weiter auf eher unsichere Methoden. Für sie ist ein Abbruch keine große Sache, weil sie anders sozialisiert wurde.
Neue Gesetze für Schwangerschaftsabbrüche? „Würde Situation nicht verbessern“
Die allermeisten Frauen treffen die Entscheidung allerdings sehr bewusst. Dass sie dafür extra zu einer Schwangerschaftskonfliktberatung müssen, stört manche. Sie fühlen sich bevormundet. Andere sind unsicher und auf die Beratung angewiesen. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass es das Angebot gibt. Es sollte allerdings nicht verpflichtend sein. Dann hätten die Beratungsstellen auch mehr Zeit für die Frauen, die wirklich Hilfe brauchen.
Ich finde es generell gut, dass gerade darüber diskutiert wird, wie sich die Regeln für einen Abbruch in Deutschland verändern und Hürden abgebaut werden könnten. Es ist aber illusorisch zu glauben, dass sich nur durch eine neue Gesetzeslage die Situation der Frauen verbessern wird.
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Um wirklich etwas zu verändern, sollte sich die Politik vielmehr dafür einsetzen, dass es im Ruhrgebiet spezialisierte Kliniken gibt, die den Frauen unkompliziert ein Angebot machen können. Es braucht schließlich – wie in vielen Bereichen der Medizin – nicht möglichst viele Einrichtungen, sondern wenige große, die die Expertise haben und für die sich der Eingriff überhaupt rechnet. Nur so kann den Betroffenen wirklich geholfen werden.“
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