Gladbeck. Hohe Krankenstände, Kita-Schließungen: Eine Erzieherin aus NRW lebt in einem Teufelskreis. Von der Gesellschaft fordert die 48-Jährige Rücksicht.
Nicole J. arbeitet seit über 20 Jahren als Erzieherin. Die 48-jährige Gladbeckerin beobachtet die Entwicklung ihres Berufs mit großer Sorge. An Politik und Gesellschaft hat sie eine klare Botschaft: „Ich möchte nicht mehr dafür verantwortlich gemacht werden, dass unser Bildungssystem nicht geachtet wird.“ Lesen Sie hier das Protokoll einer Frau, die sich in einem Teufelskreis von Notbetreuung in der Kita und krankgeschrieben im Bett befindet:
„Die Notfallpläne in der Kita sind für alle Beteiligten zermürbend, auch für uns Erzieherinnen und Erzieher. Ich liege mal wieder mit einem schweren Infekt zu Hause. Viele von uns gehen sogar krank zur Arbeit, damit es in der Kita nicht zu Notfallplänen oder Schließungen kommt. Im Endeffekt ist das ein Teufelskreis. Die Kinder stecken mich an, weil die Eltern sie krank in die Kita bringen – etwa weil sie schon zu viele Krankentage auf der Arbeit genommen haben.
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Doch wir Fachkräfte werden für alles verantwortlich gemacht. Man hört ständig, dass wir immer krank seien, oder dass wir doch bitte mal auf unseren Urlaub verzichten sollten wegen des Personalmangels. Dabei sind wir genauso Menschen, die Familie und Freunde haben. Es ist nicht schön, so oft private Treffen absagen zu müssen, die eigentlich wichtig wären, um mal runterzukommen.
Erzieherin aus Gladbeck: „In der Politik finden wir kaum Gehör“
Ich möchte nicht mehr dafür verantwortlich gemacht werden, dass unser Bildungssystem nicht geachtet wird. Wir sind ausgelaugt und fühlen uns machtlos, weil wir die Kinder gerade nicht mehr so auf ihrem Entwicklungs- und Bildungsweg begleiten können, wie wir das eigentlich gerne würden. Aber die Rahmenbedingungen sind dafür einfach nicht mehr gegeben.
In der Politik finden viele Erzieherinnen und Erzieher kaum Gehör. Ich habe den Eindruck, dass sich daran auch erstmal nichts ändern wird. Besonders schlimm finde ich, dass die gesellschaftliche Basis auf der Bildung der Kleinsten aufbaut. Für die Zukunft habe ich da wenig Hoffung. Deshalb verliere ich immer mehr die Lust, gehe immer weniger mit Herzblut zur Arbeit. Umso wichtiger ist es, dass wir alle gemeinsam, auch die Kitaträger, unsere Probleme immer wieder an die Politik herantragen. Damit wir endlich sichtbar werden.“
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