Hochsauerlandkreis. Wer in der 10. Klasse am Gymnasium im Schuljahr 2023/24 sitzenbleibt, muss an eine andere Schule. Die liegen im HSK weit weg – zuweilen sehr weit
Morgens zur Haltestelle laufen, ein paar Klassenkameraden im Bus treffen und wenig später sind die Schüler schon auf dem Schulgelände angekommen. Andere wohnen vielleicht so nah dran, dass sie problemlos zu Fuß den Weg zum Gymnasium gehen können. Für manche von ihnen könnte damit bald Schluss machen. Wer im Schuljahr 2023/24 die zehnte Klasse nicht erfolgreich abschließt, muss nicht nur die Schule verlassen, sondern sich je nach Wohnort auch potenziell jeden Tag auf eine lange Odyssee zur neuen Schule gefasst machen.
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Das NRW-Schulministerium hatte am Dienstag die Einrichtung von landesweit 80 „Bündelungsgymnasien“ angekündigt. Sie sollen im Schuljahr 2023/24 jene Schülerinnen und Schüler auffangen, die im Zuge der Umstellung vom acht- auf das neunjährige Gymnasium (G9) ihre Schule als Sitzenbleiber in der zehnten Klasse verlassen müssen. Das Problem: Der letzte G8-Jahrgang startete im Sommer 2018 und befindet sich mittlerweile in der achten Klasse. Er steht somit kurz davor, in die Oberstufe zu kommen, die mit der zehnten Klasse beginnt. Die zehnte Stufe fällt in G9 wiederum in die Mittelstufe, und genau das könnte zum Problem für den letzten G8-Jahrgang werden: Das Schulrecht verbietet es nämlich, von der Ober- in die Mittelstufe zu wechseln. Wer aus dem letzten G8-Jahrgang in der 10. Klasse sitzenbleibt, wäre gezwungen, das eigene Gymnasium zu verlassen, wenn es kein Bündelungsgymnasium ist. Und diese sind sehr rar im Hochsauerlandkreis.
Lange Fahrzeiten für Schülerinnen und Schüler zu Gymnasien im HSK
Schülerinnen und Schüler müssten dann nämlich nach Arnsberg, Meschede, Bad Berleburg, Paderborn und Lippstadt fahren. Und da die Wissbegierigen in dieser Zeit nur selten über einen Führerschein verfügen, sind entweder die Eltern gefragt, um ihre Kinder zu chauffieren oder der öffentliche Nahverkehr kommt ins Spiel. Mit stellenweise sehr ungünstigen Fahrzeiten. Von Brilon oder Olsberg aus, vergehen immerhin mit der RLG schon rund 45 Minuten pro Fahrt. Extrem ist es für Schülerinnen und Schüler aus Hallenberg, die den Weg nach Meschede antreten würden. Sie wären nicht nur fast zwei Stunden unterwegs, sondern müssten sich aufgrund des ungünstigen Fahrplans sogar noch je nach Verkehrsmittel 50 Minuten beschäftigen bevor der Unterricht erst losgeht. Eine denkbar ungünstige Situation, denn schließlich warten Nachmittags nach einer langen Heimfahrt nicht nur die Hausaufgaben, sondern ziemlich schnell auch die Vorbereitungen auf das Abitur.
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Ulrich Cappel ist Schulleiter am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Winterberg und sagt: „Wir tun alles dafür, dass versetzungsgefährdete Schülerinnen und Schüler gefördert werden, damit sie nicht sitzen bleiben.“ Frühzeitig würden die Lehrer nach den kritischen Fällen schauen und überlegen, wie diese aufgefangen werden könnten. Im Rahmen von Förderplänen kann mitgeteilt werden, wo Nachholbedarf besteht. Im hauseigenen Programm „Schüler helfen Schülern“ gibt es in unterschiedlichen Fächern Hilfe, wo Aufgaben und Lösungswege noch mal anders erklärt werden können. Aber auch im Unterricht wird, laut Cappel, darauf geachtet Aufgaben differenziert zu stellen, um den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, das Geforderte zu verstehen.
Schulministerium in NRW zu Fahrzeiten im HSK
Der Anteil derjenige, die an den jeweiligen Schulen die Versetzung in die elfte Klasse nicht schaffen werden, dürfte gering sein. Das Schulministerium in NRW sieht kein Problem in den langen Fahrtwegen im Sauerland: „Die lokale und regionale Schulentwicklungsplanung gehört gemäß § 80 Schulgesetz zu den zentralen Aufgaben der kommunalen Schulträger. Ziel der Schulentwicklungsplanung ist, in allen Landesteilen ein gleichmäßiges und alle Schulformen und Schularten umfassendes Bildungs- und Abschlussangebot sicherzustellen. Für die Bündelungsgymnasien gilt: Sie erweitern ab dem Schuljahr 2023/24 für Schülerinnen und Schüler eines bestimmten Jahrgangs das Angebot zum Besuch der gymnasialen Oberstufe an Gymnasien. Dabei können Schülerinnen und Schüler auch auf Bündelungsgymnasien in benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten ausweichen.“ Das nächstgelegene Bündelungsgymnasium im benachbarten Kreis wäre in Willingen. Das ist aber nicht mehr in NRW.
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„Alternativ können sie ihre Schullaufbahn darüber hinaus auch an anderen Schulformen mit gymnasialer Oberstufe fortsetzen, zum Beispiel an Berufskollegs und Gesamtschulen. Dadurch sollte es möglich sein, zumutbare Fahrzeiten und Schulwege sicherzustellen“, heißt es weiter von Seiten des Schulministeriums. Im Hochsauerlandkreis gibt es keine einzige Gesamtschule, aber immerhin sowohl in Brilon als auch in Olsberg je ein Berufskolleg.
Berufskollegs in Brilon und Olsberg für das Abitur
In Brilon wartet am Ende der Jahrgangsstufe 13 das auf das Wirtschaftsgymnasium zugeschnittene Zentralabitur. Das Kolleg in Olsberg bietet die Fachoberschulklasse 13 mit den Schwerpunkten Technik sowie Gesundheit/Soziales an. Diese fachlichen Schwerpunkte legen zusammen mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch die vier Abiturfächer fest. „Für uns ist das ein normaler Durchgang, wenn Schüler beispielsweise von Realschulen und Sekundarschulen zu uns kommen“, sagt Volker Dietrich, Schulleiter am Berufskolleg in Olsberg. Derzeit besuchen circa 200 Schülerinnen und Schüler die Bildungseinrichtung. Wie viele jeweils aufgenommen werden können im Jahr sei Ressourcenabhängig. Klar ist aber für ihn, dass es noch Luft nach oben gibt. Ein paar angehende Abiturienten aus umliegenden Gymnasien aufzunehmen ginge also. „Um Gottes Willen, das ist gar kein Problem.“
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Um den Schulwechsel zu vermeiden, besteht auch die Möglichkeit frühzeitig die neunte Klasse zu wiederholen, um in eine G9-Stufe zu rutschen.