Marsberg. Rita Vogt ist stellvertretende Schulleiterin in Marsberg. Sie blickt auf Missgriffe in der Corona-Zeit und sagt, wie eine Lösung verhindert wird.
Die Coronafallzahlen unter Schülern und Lehrern steigen, sorgen für Ausfälle, erschwerte Unterrichtsbedingungen. Aber der Alltag in den Bildungseinrichtungen muss weitergehen, während Lehrkräfte ständig an ihrer Belastungsgrenze sind. An der Sekundarschule in Marsberg gibt es auch in dieser Woche mehr als 30 positiv getestete Schüler und zahlreiche weitere Quarantänefälle. Sieben Lehrkräfte fehlen pandemiebedingt, drei weitere fehlen aus anderen Krankheitsgründen. In der vergangenen Woche musste schon auf Distanzunterricht umgestellt werden. Diese Woche sind Schüler bis zur vierten Stunde wieder vor Ort im Klassenraum. Die stellvertretende Schulleiterin Rita Vogt erklärt, welche Aspekte das Lehren und Lernen gerade erschweren.
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Zeitweise müssen zwei Klassen gleichzeitig von Lehrkräften betreut werden, Kurse werden zusammengelegt. Diese Strategie fährt die Schule noch mindestens diese Woche. Je nach Entwicklungsgeschehen auch noch länger. Das macht die Lage nicht einfacher. „Es steigert natürlich das Infektionsrisiko. Die Räume sind nicht dafür ausgelegt, so viele Schüler aufzunehmen“, sagt Vogt. Abstände zueinander fallen entsprechend geringer aus. Eine Alternative gibt es aber nicht. Distanzunterricht soll so weit wie möglich vermieden werden und anders ist Präsenzunterricht aktuell nicht möglich, weil das Personal fehlt. Währenddessen gab es schon am Montagmorgen direkt sechs neue positive Tests unter den Kindern. Die Schüler mussten sofort nach Hause. „Es ist sehr stressig und erfordert unglaublich viel Organisation“, erklärt die stellvertretende Schulleiterin. Beklagen will sie sich nicht, aber in den vergangenen zwei Jahren hat sich doch einiges aufgestaut. Sie hofft auf Besserung in den nächsten zwei Wochen.
Distanzunterricht an Sekundarschule in Marsberg beendet
Zwei weitere Wochen, in denen die Schüler oft ohne die eigenen Fachlehrer auskommen und sich auf andere Lehrer einstellen müssen. Bildung ist laut Vogt gefühlt gerade nach hinten geschoben worden. Es gibt keine Klasse, in der nicht mindestens ein Schüler im Distanzunterricht ist. Abends oder am frühen Morgen werden die Materialien verschickt, an Nachmittagen gibt es Videositzungen. Dann warten Nach- und Vorbereitungen des Unterrichts auf die Lehrkräfte. Eine große Doppelbelastung. „Das sieht man von außen nicht mehr. Lehrer ist kein entspannter Beruf“, so Vogt. Ihre Kollegen erklären ihr gegenüber auch immer öfter, dass sie erschöpft sind.
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Rita Vogt ist froh, dass sie ein recht junges Kollegium hat. Andernfalls hätte die digitale Einarbeitung noch mehr Zeit in Anspruch genommen. Für die meisten Lehrer über 40 Jahre war das völliges Neuland. Mehr und mehr wird an der Front verlangt. Eine zusätzliche Anstrengung für die erfahreneren Kollegen, nach der niemand fragt. Das Kollegium stärkt sich gegenseitig den Rücken, opfert Mittagspausen, um sich unter anderem in den technischen Belangen unter die Arme zu greifen.
Wechselunterricht an Sekundarschule gewünscht
An der Sekundarschule in Marsberg ist klar, was nötig wäre, um die Situation zu verbessern. Vor allem mit Blick auf die Schüler: Im vergangenen Jahr konnten alle bereits Erfahrungen mit Wechselunterricht machen. Dieses Konzept sieht vor, dass feste Gruppen wochenweise im Wechsel in den Klassenräumen unterrichtet werden. „Es gäbe kleinere Gruppen um die man sich ganz anders kümmern kann. Die Schüler lernen das Doppelte, obwohl sie nur die Hälfte der Zeit hier sind.“ Gesundheitsschutz und das Recht auf Bildung wären besser miteinander vereinbar. „Gleichzeitig könnten die Lehrkräfte regelmäßig Kontakt zu allen Schülerinnen und Schülern halten, nicht zuletzt auch, um Benachteiligungen insbesondere von Kindern und Jugendlichen zu verhindern, die im Elternhaus nicht die Unterstützung bekommen können, die notwendig ist“, führt Vogt fort.
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Die Bundesregierung spricht sich aber klar gegen das Modell aus. „Vorrangiges Ziel ist es, für möglichst alle Schülerinnen und Schüler, die nicht von einer Infektion oder Quarantänemaßnahme betroffen sind, ein möglichst hohes Maß an Präsenzunterricht sicherzustellen.“, heißt es von Seiten des Schulministeriums. Sämtliche Einschränkungen seien so gering wie möglich zu halten und schnellstmöglich wieder aufzuheben. Eine Ansicht, die im Moment jenseits der Realität ist, wie Vogt sagt.
Ministerin Gebauer: Wechselunterricht keine Alternative
Ministerin Gebauer schloss eine coronabedingte Aufteilung in Lerngruppen aus. „Wechselunterricht ist für Nordrhein-Westfalen keine Alternative.“ Eine Sachverständigen-Anhörung des Landtags habe ergeben, dass er „die schlechteste aller Alternativen“ sei, weil die Aufteilung den höchsten Aufwand erfordere, den Kindern aber am wenigsten gerecht werde. Für sie komme nur Präsenz- oder Distanzunterricht infrage.
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Die Arbeitsgemeinschaft der Medizinisch Wissenschaftlichen Fachgesellschaften stellte hingegen fest, dass bei einem sehr hohen Infektionsgeschehen Wechselunterricht umgesetzt werden sollte. Eine entsprechende Leitlinie war auf Initiative des Bundesbildungsministeriums von 27 Fachgesellschaften, darunter dem Robert-Koch-Institut, entwickelt worden.