Berlin. Eltern bekommen ihr erstes Kind heute später als früher. Eine Betroffene erzählt von ihrem Wunsch, mit über 40 Mutter zu werden.
„Ein Kinderwunsch lässt sich nicht mit dem Alter abstellen, nur weil man gerade 35 oder 40 Jahre alt geworden ist“, sagt Janin Ziegenhagen. Die zweifache Mutter weiß, wovon sie spricht. Der Kinderwunsch kam erst spät in ihr Leben, dafür sehr intensiv. Bei der Geburt ihres erstgeborenen Sohnes war sie knapp 40 Jahre alt, bei der Geburt ihres zweiten Sohnes dann bereits 44 Jahre.
So wie Ziegenhagen entscheiden sich heute mehr Menschen zu einem späteren Zeitpunkt im Leben dafür, Eltern zu werden. Väter sind im Durchschnitt 33,3 Jahre alt, wenn ihr erstes Kind auf die Welt kommt, Mütter 30,1 Jahre. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts für 2022 hervor.
Die Gründe für eine späte Elternschaft sind dabei vielfältig: So nehmen etwa Ausbildung und Studium mehr Zeit in Anspruch und auch die Partnersuche gestaltet sich mancherorts schwierig. Manche haben eine Krankheitshistorie, mussten Fehlgeburten verarbeiten oder wurden vom Partner vertröstet. Bei Ziegenhagen hatte es emotionale Gründe: „Ich hatte früher nie einen Bezug zu Kindern.“
Kinderwunsch: „Bin der Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen“
Im Freundeskreis der Hamburgerin hatte kaum jemand Nachwuchs. Als Selbstständige, die gerne und viel arbeite, habe sie auch deshalb die Frage, ob sie Kinder wolle, immer wieder auf „später“ verschoben, erinnert sich Ziegenhagen. „Mit Ende 20 dachte ich, ich denke mit Anfang 30 darüber nach, mit Anfang 30 habe ich es auf Mitte 30 verschoben und so weiter.“ Sie sei der Auseinandersetzung mit dem Thema aus dem Weg gegangen.
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Erst als ihr Ehemann, mit dem sie zu diesem Zeitpunkt bereits über zehn Jahre zusammen war, seinen Wunsch nach Kindern offen kommunizierte, kam die damals 38-Jährige ins Grübeln. „Ich dachte mir, irgendwas muss ja dran sein, an diesem Muttersein“, sagt Ziegenhagen.
Ein Jahr lang probierte das Paar den nun geweckten Babywunsch Realität werden zu lassen, bis es endlich klappte: Mit 39 Jahren wurde Janin Ziegenhagen schließlich auf natürlichem Wege schwanger. „Ich hatte großes Glück“, reflektiert sie. Denn wie sie ihren Körper mit Blick auf eine Schwangerschaft am besten versorge, etwa mit Folsäure oder anderen Mineralstoffen, damit habe sie sich damals gar nicht wirklich beschäftigt.
Die Schwangerschaft selbst empfand Ziegenhagen als stressig: Als Selbstständige konnte sie sich nicht krankmelden, musste weiter Geld in die Haushaltskasse bringen, zahlreiche Kunden zerrten an ihr, sie wollte und musste also trotz Schwangerschaftsübelkeit und Sodbrennen weiterarbeiten. Abgesehen davon sei die Schwangerschaft jedoch vergleichsweise unkompliziert verlaufen, sagt sie.
Schwangerschaft: Starke Veränderungen auf emotionaler Ebende
„Mein Körper hat die ganze Schwangerschaft sehr gut mitgemacht und auch danach habe ich weder Dehnungsstreifen noch Wassereinlagerungen oder Übergewicht behalten“, so Ziegenhagen. Auch nach dem geplanten Wunsch-Kaiserschnitt sei sie schnell wieder auf den Beinen gewesen.
Auf emotionaler Ebene hingegen bemerkte die Mutter nach der Geburt eine Veränderung: „Ich hatte vorher gedacht, ich würde nach der Schwangerschaft sofort arbeiten wollen, und dann wollte ich am liebsten jede Sekunde mit meinem Sohn verbringen.“ Schnell war klar, dass noch ein weiteres Kind die Familie bereichern sollte.
„Wenn man vierzig ist, kommt keiner auf die Idee, dass man noch ein weiteres Kind plant“, sagt die heute 47-Jährige. So wusste fast niemand davon, dass ihr Partner und sie erneut versuchten, ein weiteres Kind zu bekommen. Dieses Mal probierten sie es eineinhalb Jahre, doch es wollte einfach nicht klappen. „Ich war schon fast 43, deshalb besuchten wir eine Kinderwunschklinik“, erklärt Ziegenhagen.
Dort folgte die Ernüchterung. Test bestätigten, was Ziegenhagen geahnt hatte: Aufgrund ihres fortgeschritteneren Alters lag die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, bei ihr „weit unter 5 Prozent“. Für sie hörte sich das an wie „ausgeschlossen“.
Kinderwunschärztin: „Viele Frauen kümmern sich zu spät“
„Ich war unglaublich traurig“, erinnert sich Ziegenhagen. Beim zweiten Mal sei der Kinderwunsch fast noch größer gewesen, als beim ersten Mal. Ihre Erklärung: Zu dem Zeitpunkt habe sie schon gewusst, wie erfüllend die Mutterschaft für sie sei.
„Viele Frauen kümmern sich leider erst dann um ihren Kinderwunsch, wenn es schon fast zu spät ist“, sagt „Kinderwunschärztin“ Corinna Mann aus München. Die Gynäkologin ist selbst vierfache Mutter und hat sich auf die Behandlung von Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch spezialisiert.
Viele Frauen wüssten gar nicht, dass die Fruchtbarkeit schon ab Anfang 30 Jahren langsam und ab zirka 38 Jahren dann deutlich nachlasse, betont Mann. „Frauen sind von 20 bis Anfang ihrer 30er am fruchtbarsten.“ Klappt es auf natürlichem Wege nicht oder nicht mehr, bietet die Ärztin Frauen mit Kinderwunsch in ihrer Klinik hormonellen Behandlungen an – IVF oder ICSI.
IVF steht für „In-vitro-Fertilisation“, und bedeutet, dass die Befruchtung außerhalb des Körpers im Reagenzglas stattfindet. ICSI ist eine besondere Form der IVF, bei der ein besonders leistungsstarkes Spermium unter dem Mikroskop einzeln ausgewählt wird.
„Zu mir kommen Frauen, die einen sehr großen Kinderwunsch haben“, sagt die Münchener Ärztin, „wenn dieser unerfüllt bleibt, kann das zu einem hohen Leid führen.“ Das IVF/ICSI-Verfahren werde besonders häufig bei Frauen verwendet, die über 40 Jahre alt sind, sagt Mann. Dazu werde meistens mit Hormonen stimuliert, die auf die Patientin genau angepasst seien.
Wird eine Kinderwunschbehandlung notwendig, werden die Kosten für die Verfahren von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese können etwa beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachgelesen werden:
- das Paar muss miteinander verheiratet sein
- die Frau ist älter als 25 Jahre und jünger als 40 Jahre
- der Mann ist älter als 25 Jahre und jünger als 50 Jahre
- die Unfruchtbarkeit muss ärztlich festgestellt worden sein
- ausschließlich die Ei- und Samenzellen dieses Paares dürfen verwendet werden
- vor der Behandlung muss eine medizinische oder psychosoziale Beratung stattgefunden haben
„Da habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben diskriminiert gefühlt“, sagt Janin Ziegenhagen mit Blick auf ihr Alter und die Kinderwunschbehandlung. „Alle meine Werte waren prima. Generell sprach nichts gegen eine Schwangerschaft und doch war ich es quasi nicht mehr wert, dabei unterstützt zu werden.“
Kinderwunschbehandlung: Andere Regelung bei privaten Krankenkassen
Auch die Ärztin findet die Regelung nicht gut. „Ich finde, die privaten Krankenkassen machen das besser. Sie unterstützen Frauen mit Kinderwunsch, solange noch eine Chance von über 15 Prozent pro Zyklus besteht,“ sagt Mann. Dies sei rein statistisch bis zum 43sten Geburtstag der Fall.
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Die Ärztin gibt jedoch zu bedenken: Je älter betroffene Frauen sind, desto schwieriger sei es, schwanger zu werden. Auch das Risiko einer Fehlgeburt steige deutlich, sagt sie. Bei Ziegenhagen hat am Ende alles doch noch auf natürlichem Wege geklappt – auch beim zweiten Kind.
Als die Hamburgerin sich gerade von ihrem Kinderwunsch verabschiedet und alle Babysachen ihres Erstgeborenen in den Müll geworfen hatte, bemerkte sie eine körperliche Veränderung. Sie war wieder schwanger und brachte mit 44 Jahren ihr zweites Kind auf die Welt.
Sie hätte sich aber vermutlich unabhängig davon gegen eine Kinderwunschbehandlung entschieden, sagt sie selbst. Altersgrenzen sollte es ihrer Meinung nach dennoch nicht geben. „Der Kinderwunsch mit Ü40 ist nicht so selten, wie man denkt“, sagt die zweifache Mutter heute. Die Gründe dafür seien vielfältig. Es rede nur niemand darüber. Um das zu ändern, ist Janin Ziegenhagen heute als Bloggerin aktiv und spricht offen über das Thema.