Berlin. Die Selbstständigkeit ist für viele ein Traum. Wie der wahr wird – und in welchen Branchen das meiste Geld winkt, verrät ein Experte.

Sich die eigene Arbeitszeit frei einteilen, keine Diskussionen mehr mit dem Chef und Selbstverwirklichung in der Arbeit: Das versprechen sich viele Gründer von ihrer Selbstständigkeit. Knapp vier Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland waren im Jahr 2022 Solo-Selbstständige, das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Bei den Frauen war der Anteil geringer (3,4 Prozent) als bei Männern (4,1 Prozent). Doch nicht immer ist der Weg in die Selbstständigkeit erfolgreich.

Vielmehr geraten derzeit viele Klein- und Kleinstunternehmen in Probleme. Das zeigt auch der „Jimdo-Ifo-Geschäftsklimaindex für Selbstständige“, der die Situation für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen mit bis zu acht Mitarbeitern bewertet. Er ist diesen Juli auf den tiefsten Stand seit dem Beginn seiner Erhebung im August 2021 gefallen.

„Unter dem Konjunktureinbruch leidet die gesamte Wirtschaft. Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen sind aber besonders betroffen“, sagt Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), dieser Redaktion. Er weiß, wie man erfolgreich gründet. Und welche Fehler man unbedingt vermeiden sollte.

In Deutschland gibt es 2,1 Millionen Kleinstunternehmen

Das Statistische Bundesamt zählte 2020 gut 2,5 Millionen Unternehmen in Deutschland. 2,1 Millionen davon werden der Gruppe der Kleinstunternehmen mit maximal neun Mitarbeitern zugeordnet. Ein Problem: „Selbstständige zahlen relativ hohe Sozialversicherungsbeiträge“, sagt Lutz. Tatsächlich müssen sie Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung eigenverantwortlich finanzieren.

Und: Selbstständige, die auf sich allein gestellt sind, befinden sich häufig in der Startphase ihres Unternehmens. Arbeitsausfälle können dann nur schwer oder gar nicht kompensiert werden. Warum streben dennoch so viele Menschen ein eigenes Unternehmen an?

Sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig zu machen, birgt Risiken.
Sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig zu machen, birgt Risiken. © dpa-tmn | Benjamin Nolte

Lutz erklärt: „Es gibt zwei Motive für die Selbstständigkeit, die von Gründern besonders häufig genannt werden. Zum einen, dass man andere wichtige Dinge im Leben mit dem Beruf in Einklang bringen will – Kinder, Pflege oder ähnliches.“ Das klappe in der Selbstständigkeit sehr viel besser als in einer festen Anstellung. „Und der andere Grund ist, dass man unabhängiger ist. Man kann für sich selbst arbeiten, nach eigenen Werten und Qualitätsvorstellungen.“

Experte erklärt, welche drei Fehler man vermeiden muss

Damit der Traum von der Selbstständigkeit gelingt, sollte man laut Lutz drei Fehler auf alle Fälle vermeiden. „Zum einen: Keine großen, fixen Kosten eingehen gleich am Anfang. Also keinen Firmenwagen kaufen, kein Langzeit-Mietvertrag für einen Laden oder ein Büro in bester Lage abschließen“, sagt der Experte. Er weiß aber auch: „Das sind eher Probleme von Männern als von Frauen, aus meiner Erfahrung heraus. Männer sind oft etwas optimistischer.“

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Ein weiterer Fehler: keinen Businessplan schreiben. „Man muss kalkulieren: Was habe ich konkret vor? Mit welchen Kosten muss ich rechnen? Das kann auch dazu führen, dass man dann sagt: Hey, das lohnt sich ja gar nicht. Dann hat man sich viel Ärger gespart“, erklärt Lutz. Und nennt den dritten großen Fehler: zu lange abwarten. „Bei der Selbstständigkeit muss man sich das irgendwann trauen. Man sollte sich gut informieren zu Beginn, einen Businessplan schreiben – klar. Aber irgendwann muss man das auch in die Tat umsetzen und sich trauen und nicht ewig lang nur auf der Idee rumkauen.“

Der größte Teil der Solo-Selbstständigen war laut Statistischem Bundesamt 2022 in der Land- und Forstwirtschaft anzutreffen (13,8 Prozent). Auch im Bereich des Grundstücks- und Wohnungswesens (8,3 Prozent) sowie im Unternehmensdienstleistungsbereich (acht Prozent) und Kommunikations- und Informationsgewerbe (6,1 Prozent) gab es viele Selbstständige, die keine weiteren Mitarbeiter beschäftigten.

Hier gibt es die meisten Solo-Selbstständigen

Lutz sieht für Gründer vor allem Chancen im IT-Bereich. Er erklärt: „Prinzipiell gute Chancen auf dem freien Markt haben Unternehmensberater, IT-Experten, Experten für Suchmaschinenoptimierung, aber auch Ingenieure. Ich würde sagen, da verdient man etwa 65.000 bis 70.000 Euro im Jahr als Selbstständiger – das zeigen Zahlen von 2019.“

Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD)
Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) © Privat | Dr. Andreas Lutz

Außerdem hätten Steuerberater derzeit ein großes Fachkräfteproblem und würden händeringend Nachwuchs suchen. Lutz’ Tipp: „Wer gerade sowieso schon BWL studiert, der sollte sich durchaus überlegen, ob er nicht noch die Zusatzausbildung zum Steuerberater macht. Da kann man als Selbstständiger deutlich mehr verdienen als ein Angestellter.“ Schwieriger hingegen könnten es Gründer haben, die sich in Branchen selbstständig machen wollen, wo es schon viel Konkurrenz gibt.

„Dazu zählt alles mit Werbung, Fotografen, Übersetzer“, sagt Lutz. „Im Handel und der Gastronomie braucht es Vorerfahrung. Ich wäre ganz vorsichtig, ein Restaurant aufzumachen ohne Branchenerfahrung.“ Das Gleiche gelte für einen Shop. Gerade Gewerbemietverträge hätten oft eine lange Laufzeit. Und man brauche noch ein Lager dazu. „Das alles ist mit hohen Kosten verbunden in der Regel“, sagt Lutz. Dafür würde es nicht nur einen besonders guten Businessplan brauchen. Man sollte sich auch unbedingt mit Gründungs- oder Unternehmensberatern zusammen tun und sich Rat holen.

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Wenn man den Schritt in die Selbstständigkeit dann gewagt hat, muss man sich etwas in Geduld üben, bis das Geschäft anläuft. Lutz weiß über die Schwierigkeiten in der Anfangszeit: „Mit zwei bis drei Monaten muss man eigentlich immer rechnen. Bis der erste Auftrag kommt, man loslegen kann, und bis dann auch die erste Rechnung gestellt und auch bezahlt ist. Aber meistens muss man sich etwas aufbauen, gerade auch mit Privatkunden, dann muss man mindestens mit einem halben Jahr rechnen.“