Essen. Die Villa Hügel in Essen feiert 150. Jubiläum. Dank einer neuen App können Besucher in die Vergangenheit des Hauses eintauchen. Ein Rundgang.

Große Kronleuchter hängen von der mit Stuck verzierten Decke, an den Wänden prangen flämische Wandteppiche mit Szenen aus der Apostelgeschichte: der Gartensaal ist einer von Barbara Wolfs Lieblingsräumen in der Villa Hügel.

Mit ihren Gästen will die Pressesprecherin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung allerdings nicht über die dem französischen König Ludwig XIV. nachempfundene Dekoration reden. Sie will vielmehr auf ein Detail aufmerksam machen: die Lüftungsgitter, die sich unbemerkt in den Raum einfügen.

Villa Hügel in Essen: ein technisches, kein architektonisches Meistwerk

Dem Bauherrn Alfred Krupp – der nach dem Tod seines Vaters bereits mit 14 Jahren erste Verantwortung in der Firma „Fried. Krupp“ übernahm und diese in den folgenden Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Industrieunternehmen ausbaute – ging es nämlich nicht darum, ein Highlight der Architektur seiner Zeit zu schaffen, sondern ein technisches und funktionelles Meisterwerk.

Wolf öffnet ihre App, scannt den QR-Code und schon spielt sich auf ihrem Handy eine Animation ab. Sie zeigt, wie über den Luftansaug-Turm im Hügelpark frische Luft eingesaugt, erwärmt und dann ins Innere der Villa Hügel geleitet wird. Diese Technik funktioniert auch heute noch, 150 Jahre nachdem Familie Krupp ihren Wohnsitz hoch über dem Essener Baldeneysee bezog.

Mithilfe von Augmented-Reality lässt die „Hügel“-App die Vergangenheit der Villa Hügel in Essen wieder aufleben.
Mithilfe von Augmented-Reality lässt die „Hügel“-App die Vergangenheit der Villa Hügel in Essen wieder aufleben. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Im Jubiläumsjahr soll sich der Hügel so sehr für die Öffentlichkeit öffnen wie nie zuvor. Damit Gäste die Villa und den 28 Hektar großen Park auch allein erkunden können, haben Wolf und ihr Team zwei Jahre lang die „Hügel“-App entwickelt.

Auch interessant

„Die Villa Hügel ist ein geschichtsträchtiges, riesengroßes Gebäude. Sie war wurde ursprünglich als privates Wohnhaus gebaut und dieser Charakter scheint heute noch bewusst durch. Deswegen finden Besucherinnen und Besucher kaum Informationen, wenn sie sich hier durch die Räume bewegen. Für das Jubiläumsjahr haben wir überlegt, wie wir die Villa und den Park den Besucherinnen und Besuchern näherbringen können, ohne Schilder an die Wände zu hängen“, erzählt sie.

Gleich mehrere Touren durch Essener Villa Hügel

Die App bietet gleich mehrere Touren an. Die „Highlight“-Route etwa führt zu 28 Stationen. Eine von ihnen grenzt direkt an den Gartensaal, ist jedoch leicht zu übersehen: ein Wandschrank aus Holz, der eigentlich gar kein Schrank ist – sondern eine Tür, die in den Keller der Villa Hügel führt.

Besucherinnen und Besucher können zwar nicht wirklich durch diese Geheimtür gehen, aber zumindest virtuell. Auf dem Smartphone-Display ploppen verschiedene Fotos auf, darunter Bilder des Schwimmbads im Jugendstil. Hier haben die Kinder der Familie Krupp vermutlich schwimmen gelernt. „Die App ermöglicht Blicke hinter Türen, die wir aus konservatorischen und versicherungstechnischen Gründen nicht öffnen können“, sagt Wolf.

„Hügel“-App lässt Vergangenheit aufleben

Die App lässt aber auch die Vergangenheit wieder aufleben, zum Beispiel im Oberen Terrassengarten. Mittels Augmented-Reality-Technik können Besucherinnen und Besucher auf ihrem Handy erblicken, wie der Park vor 150 Jahren aussah. „Hier auf der Südseite der Villa Hügel ist es im Sommer sehr warm. Zur Zeit Alfred Krupps war der Bereich von einem Laubengang gesäumt“, erzählt Wolf.

Unterhalb des Laubengangs ließ der Bauherr auch eine Grotte anlegen, „um sich an heißen Sommertagen erfrischen zu können und auf dem vorgelagerten Teich mit einem Bötchen zu fahren“. Die Tour führt sie weiter durch den Park, bis zum sogenannten Spatzenhaus.

Das Spatzenhaus, das für die Töchter Bertha und Barbara gebaut wurde, können Besucherinnen und Besucher zwar nicht wirklich betreten – dank der neuen „Hügel-App“ können sie aber einen Virtuellen Rundgang durch das Häuschen im Park der Villa Hügel machen.
Das Spatzenhaus, das für die Töchter Bertha und Barbara gebaut wurde, können Besucherinnen und Besucher zwar nicht wirklich betreten – dank der neuen „Hügel-App“ können sie aber einen Virtuellen Rundgang durch das Häuschen im Park der Villa Hügel machen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Dieses ließen Alfred Krupps Sohn Friedrich Alfred und seine Frau Margarethe für ihre beiden Töchter bauen. „Bertha und Barbara konnten hier spielen und einfach Kinder sein. Aber das Häuschen war auch dazu gedacht, dass sie lernen, wie man einen Haushalt führt“, sagt Wolf. Das Häuschen können Besucherinnen und Besucher nicht betreten, die App ermöglicht aber einen virtuellen Rundgang. Heute ist das Spatzenhaus eines der wenigen „Nutzgebäude“, die noch erhalten sind.

Denn da Barbara Krupps Ehemann Gustav von Bohlen und Hal­bach Geschäfte mit den Nationalsozialisten machte und die Firma zur Waffenschmiede der Nazis wurde, beschlagnahmten die Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Hügel. Bereits 1952 erhielt die Familie ihr Anwesen zurück; die Krupps aber zogen nie wieder in die Villa Hügel ein.

„Der Ort hat sich über die Jahrzehnte immer wieder verändert, jede Generation hat die Villa Hügel an ihren eigenen Geschmack und ihre Bedürfnisse angepasst“, sagt Barbara Wolf. „Mit der App können wir Vieles, das heute nicht mehr vorhanden ist oder im Laufe der Jahre verändert wurde, wieder zum Vorschein bringen.“

Alle Infos zur „Hügel“-App

Neben der „Highlight Tour“ bietet die „Hügel“-App noch eine Route speziell für Kinder an. Im „Couch-Modus“ kann man die Villa Hügel auch erkunden, ohne überhaupt vor Ort zu sein. Die App gibt es kostenlos im App-Store zum Downloaden.

Die Villa Hügel ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet fünf Euro. Alle Infos unter www.villahuegel.de.