Essen. Patrick Bierther aus Essen-Werden kennt nicht nur eine, sondern gleich die 15 schönsten Altstädte im Ruhrgebiet. Seine besonderen Ausflug-Tipps.

Was ist er nur, der besondere Charme der Altstädte? Was ist es, das Touristen und Tagesausflügler zu Fuß oder mit dem Rad in Scharen herbeilockt? Wenn man Patrick Bierther fragt, kann er gewiss dutzende Vorzüge nennen, die historische Stadtkerne mit sich bringen.

Aber es reicht schon, wenn er nur über seine liebste Altstadt spricht, die von Essen-Werden. „Ich bin ein geschichtsinteressierter Mensch. Und über Geschichte stolpert man in Werden an jeder Ecke, denn das Städtchen hat mehr als 1200 Jahre Geschichte zu bieten.

Essen-Werden: „Kulturgesättigt“ dank Folkwang Universität

Im Fall von Werden kommt dazu, dass es kulturgesättigt ist. Durch das Kloster, das es einst gab und jetzt durch die Folkwang Universität der Künste, die in den gleichen Räumen untergebracht ist. Das Bürgermeisterhaus ist heute ein Kulturzentrum. Im Jugendzentrum gibt es eine Jazzreihe. Das kulturelle Ambiente ist schon besonders.

Aber alle Altstädte, die ich besucht habe, haben eines gemein: Sie entschleunigen“, sagt der 56-jährige Journalist und Familienvater, der in der Werdener Altstadt geboren wurde und nach 25 Jahren auswärts wieder zurück an den Geburtsort gezogen ist.

„Heimatschätze“ des Ruhrgebiets: Die Altstädte von Xanten, Kettwig & Co.

Bierther hat sich selbst den Expertenstatus für Altstädte erreist, allein im Ruhrgebiet hat er die 15 schönsten besucht und beschrieben. Daraus ist ein schmuckes Buch geworden, Titel: „Heimatschätze“. 15 klingt nach überraschend vielen Altstädten, aber man denke nur an die bekannteren wie Hattingen, Xanten, Herten-Westerholt oder Essen-Kettwig… Obwohl… Kettwig…

Also Kettwig ist für die Werdener natürlich ein heikles Thema, denn die beiden südlichen Essener Stadtteile stehen seit jeher in herzhafter Konkurrenz zueinander. „Das historische Verhältnis zwischen den beiden Kleinstädten bringt der boshafte Stammesspott auf den Punkt, dass die Werdener in die Ruhr pinkeln, weil flussabwärts die Kettwiger ihr Trinkwasser daraus beziehen“, schreibt Bierther.

Ein Spott aus alten, sauberen Tagen ist das, denn auch ohne die edlen Tropfen aus Werden wäre es heute in Kettwig oder anderswo kaum angeraten, ein kräftiges Schlückchen aus der Ruhr zu schlürfen.

„Alle Altstädte, die ich im Ruhrgebiet besucht habe, haben eines gemein: Sie entschleunigen“, sagt der Autor und Journalist Patrick Biether.
„Alle Altstädte, die ich im Ruhrgebiet besucht habe, haben eines gemein: Sie entschleunigen“, sagt der Autor und Journalist Patrick Biether. © Jochen Tack

Essen-Werden: Fachwerk und die bekannte Brehminsel

Natürlich gibt es in der Werdener Altstadt jede Menge Fachwerk zu sehen, etwa das Weberhaus von 1756 mit seinen unterschiedlichen Geschosshöhen oder das „älteste Essener Wohngebäude“ in der Hufer­gasse, ein romanisches Haus aus dem 12. Jahrhundert.

Fragt man Bierther nach seinem liebsten Flecken, wird man zumindest ein wenig überrascht: „Man würde vielleicht die Brehminsel erwarten, den Stadtpark mitten in der Ruhr. Aber Ruhe kann man auf einem so gefragten Fleckchen Erde nicht erwarten.

Altes Barockgebäude und junge Studierende: die Folkwang-Uni in Essen-Werden

Ein Platz, den ich aber sehr mag, ist der Hof der Folkwang-Uni, der frühere Klosterhof. Wenn man sich an einem warmen Tag mit einem Eis in der Hand da hinsetzt, hat irgendwer immer die Fenster offen. Dann kann es sein, dass man Musik hört, vielleicht Florett-Geklirr, und dass man Tänzer sieht. Ich finde diese Kombination sehr anregend aus alten Barockgebäuden und jungen Studierenden aus aller Welt, die dort lernen“, sagt Bierther.

Andere schöne Orte zum Verweilen sind der Ludgerus-Brunnen vor dem Rathaus, mit der Eisdiele Kikas nebenan, die auch jenseits von Essen kein Geheimtipp mehr ist. Und die Fußgängerzone nebst kleinen, originellen Geschäften und Konditoreien.

Ein besonderer Hingucker in der Altstadt von Essen-Werden: Die Folkwang-Universität.
Ein besonderer Hingucker in der Altstadt von Essen-Werden: Die Folkwang-Universität. © venemama - stock.adobe.com | Marc Venema

Experte verrät Geheimtipp: Jugendstil-Kamin in Essen-Werden

Einen echten Geheimtipp hat Bierther auch. „Das Rathaus ist im Stil der Neo-Renaissance erbaut, so wie viele wilhelminische Bauten. Aber was die wenigsten wissen: Im ersten Stock, wo nur Amtsstuben sind, gibt es einen fantastischen Jugendstil-Kamin, der keine Funktion mehr hat und der auch nirgends besungen wird. Aber Freunde des Jugendstils können hier in den Formen schwelgen.“

Es gibt viele liebenswerte Details, die der Werdener bei seinen Expeditionen ins Reich der Altstädte entdeckt hat. Vereinzelt haben ihn auch ganze Orte überrascht, so die Altstadt von Herdecke: „Wenn Herdecke in Bayern oder Italien läge, wäre es weltberühmt, nämlich zwischen zwei Seen. Und Berge sind auch da. Es ist eine Nummer kleiner, es ist nur das Ardey-Gebirge, aber das ist einfach sehr vielfältig.“

„Eine Altstadt lebt davon, dass sie ein Gesamtkunstwerk ist“

Einen Ratschlag kann er Altstadt-Reisenden mit auf den Weg geben: „Es ist verschenkt, wenn man nur Fotostopps an den drei Hauptsehenswürdigkeiten macht. Eine Altstadt lebt davon, dass sie ein Gesamtkunstwerk ist.

Es gibt eine Atmosphäre, die durch das geschlossene bauliche Bild entsteht. Das macht ihren besonderen Charakter aus. Auf eine Altstadt muss man sich einlassen. Auch das trägt dazu bei, dass Altstädte entschleunigen.

Alle Infos zum Buch

Patrick Bierther: Heimatschätze – Ausflüge zu den schönsten Altstädten im Ruhrgebiet, Klartext, 144 S., 16,95 €