Essen. Die Essener Villa Hügel wird 150 Jahre alt. Die Krupp-Stiftung will das Jubiläumsjahr nutzen, um den Hügel so stark zu öffnen wie noch nie.

Es ist eines der wichtigsten Essener Wahrzeichen, das prunkvolle Bürgerschloss der Stadt – oder etwas nüchterner betrachtet das größte Einfamilienhaus des Republik mit 269 Zimmern. Spektakulär ist eigentlich alles, was mit der Villa Hügel in Zusammenhang steht. Ganz groß gefeiert wird deshalb auch der 150. Hügel-Geburtstag in diesem Jahr.

Bis zum Jahresende erwartet die Besucher ein breitgefächertes Jubiläumsprogramm, das die Krupp-Stiftung am Mittwoch (25.1.) vorstellte. Es wird Open-Air-Konzerte im Hügelpark geben, spezielle Führungen in bisher selten zugängliche Räume, Vorträge und exklusive Kinoabende.

Villa Hügel präsentiert sich in einer Licht-Installation

Gleich zum Auftakt des Jubiläumsjahres präsentiert sich die Villa Hügel außerdem in ganz neuem Licht. Ab 11. Februar bis Ende März bespielt das Künstlerduo Eva-Maria Joeressen und Klaus Kessner die Nord- und Südfassade der Villa Hügel mit einer transmedialen Echtzeit-Installation. „Ich habe eine Probe erlebt, das wird spektakulär“, schwärmt Stiftungs-Vorstand Volker Troche. Zur Eröffnung des aufwendigen Licht-Klang-Kunstwerkes wird am 10. Februar auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Hügel erwartet.

Das große holzvertäfelte Arbeitszimmer repräsentiert Glanz und Macht der Schwerindustrie im Ruhrgebiet. Zunächst sollte das Gebäude aus Angst vor Feuer eigentlich nur aus Sandstein, Stahl und Eisen entstehen.
Das große holzvertäfelte Arbeitszimmer repräsentiert Glanz und Macht der Schwerindustrie im Ruhrgebiet. Zunächst sollte das Gebäude aus Angst vor Feuer eigentlich nur aus Sandstein, Stahl und Eisen entstehen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Krupp-Geschichte ist eingebettet in die deutsche Geschichte und ein Teil von ihr, im Guten wie im Schlechten. Kaiser, Staatsmänner, Unternehmer und auch Diktatoren waren in den vergangenen 150 Jahren auf dem Hügel zu Gast, Hitler beispielsweise viermal zwischen 1935 und 1940. Das vor einem Jahr angestoßene Forschungsprojekt über die NS-Verstrickung des letzten Alleininhabers Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Stifter und Namensgeber der gleichnamigen Stiftung, wird – im Grunde zufällig – ebenfalls im Jubiläumsjahr 2023 vorliegen. Als Problem empfindet Troche das nicht, ganz im Gegenteil.

Das Jubiläumsprogramm richtet sich auch und gerade an die Besucher aus den Essener Stadtteilen. Unter dem Titel „Nachbarschaftsaktion“ sollen sie in den nächsten Wochen und Monaten zu Führungen auf dem Hügel eingeladen werden. Das Wort „Villa“ fällt in der Kampagne „150 Jahre Hügel“ weg, auch weil das Ensemble aus Park, Gebäuden und der ehemaligen Bediensteten-Siedlung Brandenbusch als Ganzes betrachtet wird. Schon Familie Krupp sah das so, in alten Papieren taucht oft die Wendung „Besitzung Hügel“ auf.

Helge Schneider kommt zum Open-Air-Auftritt in den Hügel-Park

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Das Programm ist jedenfalls bewusst bürgernah gedacht und lockt mit bislang nie dagewesener Zugänglichkeit und Offenheit. Open-Air-Auftritte, unter anderem mit dem Mülheimer Musiker und Comedian Helge Schneider, gehören dazu. Im Hügelpark wird ein Foodtruck die Besucher bewirten. Und erstmals in der Villa-Hügel-Geschichte gibt es auch eine eigenes kleines Merchandising-Sortiment mit Hügel-Honig, einem Postkarten-Set und Jutebeuteln, hergestellt im Franz-Sales-Haus.

Populäres und Unterhaltsames hat im Programm ebenso seinen Platz wie künstlerisch Anspruchsvolles und historisch Lehrreiches. „Wir wollen die Leute abholen, wo sie sind – gerade auch die Jüngeren“, sagt Troche. „Nie gesehene Räume“ heißt beispielsweise eine Reihe mit Führungen, die in die eher privat genutzten Teile von Villa Hügel führt. Der Stiftung ist nicht entgangen, dass solche, bisher sehr dosiert angebotenen Führungen stets beliebt sind und will dem nun entsprechen.

Ziel sind Archivräume im Keller ebenso wie verborgene Schranktüren, die in die oft übrigens bescheidenen privaten Trakte führen, und auch eine Besichtigung des Kaiserbads ist möglich, das extra für Wilhelm II. gebaut wurde und noch heute existiert. Ferner gibt es beispielsweise auch Führungen durch den Hügelpark und den Krupp-Wald. Anmeldungen sind übrigens bereits möglich.

Villa Hügel im Bau im November 1870. Oben auf dem Dach mit angewinkeltem Bein und Zylinder steht der Bauherr Alfred Krupp.
Villa Hügel im Bau im November 1870. Oben auf dem Dach mit angewinkeltem Bein und Zylinder steht der Bauherr Alfred Krupp. © Historisches Archiv Krupp

Das Jubiläumsprogramm will bei allem Bewusstsein für die große Historie aber auch in die Zukunft schauen – und in der altehrwürdigen Villa zum 150. Geburtstag gleich einen technischen Quantensprung wagen.

Der Hügel wird digital – WLAN auf dem gesamten Areal

Statt opulenter Kunstausstellung und Jubiläumsschriften setzt man deshalb lieber auf einen „digitalen Hügel“ mit WLAN auf dem gesamten Areal. Das soll vor allem bei den verschiedenen Führungs-Formaten hilfreich sein, die sich unter anderem an Kinder richten, auf eine 360-Grad-Panorama-Besichtigung einladen oder eine spezielle Künstler-Tour anbieten. Mit der neuen, kostenfreien „Augmented-Reality App“ sollen auch historische Hintergrundinformationen nutzbar gemacht werden. Wer will, kann sich so virtuell aufs Dach des prunkvollen Anwesens begeben oder sich das Hochzeits-Menü von Bertha Krupp und Gustav von Bohlen und Halbach schmackhaft machen lassen – und sogar dazugehörige Rezepte runterladen.

Das ehemalige Wohnzimmer der Krupps wird zum Kinosaal

Ab 3. März haben Besucher außerdem an jedem ersten Freitag im Monat freien Eintritt. Auch dieser „Tag des offenen Hügels“ ist ein Novum in der langen Geschichte des Ortes. Vorträge werden neue Forschungsaspekte der Hügel-Historie beleuchten. Und beim Nachtkino verwandelt sich das ehemalige Wohnzimmer der Krupps ab September in einen Kinosaal – mit Filmen von „Shining“ über „Downtown Abbey“ bis „Bang Boom Bang“.

Villa Hügel heute von Südosten.
Villa Hügel heute von Südosten. © Historisches Archiv Krupp

Ungewöhnliche Bilder liefern dürfte auch die Mitmach-Aktion „Meine Hügel-Erinnerungen“. Bürger sollen ihre Erinnerungsfotos einsenden, sie werden später in der Unteren Halle der Villa Hügel gezeigt.

150 Förder-Projekte für das Ruhrgebiet

Die Krupp-Stiftung schreibt außerdem das mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotierte Förderprogramm „150 Jahre Villa Hügel – 150 Projekte für das Ruhrgebiet“ aus. Im Rahmen der Kategorie „Anfangen im Kleinen“ will man Projekte unterstützen, die Chancengleichheit fördern und jungen Menschen eine Starthilfe geben. Unter dem Schwerpunkt „Weitermachen in Schwierigkeiten“ werden Projekte gesucht, die dazu beitragen, nachhaltiges Handeln in den Bereichen Gesundheit, Sport, Wissenschaft, Kultur und Bildung zu stärken. Die dritte Kategorie „Streben zum Großen“ richtet sich an Künstler Schriftsteller, Musiker und Wissenschaftler, die „Großes“ vorhaben und für ihr Streben Freiräume benötigen. Gefördert werden die Projekte mit einer Fördersumme zwischen 500 Euro und maximal 25.000 Euro. Projektideen können ab 25. Januar bis 30. April eingereicht werden.

Mehr und detailliertere Informationen über die Veranstaltungen im Rahmen des 150. Jubiläums sind verfügbar auf der Website unter www.krupp-stiftung.de oder www.villahuegel.de und auf dem Instagram-Kanal der Stiftung. Dort gibt es auch Anmeldemöglichkeiten.