Berlin. Die NRW-Linke provoziert im Landtags-Wahlprogramm mit Radikalforderungen. Beim Bundesvorstand der Partei kann man da nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Gerade die SPD werde unter dieser Positionierung leiden, heißt es. Der Thüringer Linke-Chef Bodo Ramelow will beruhigen.

Wenn sich der NRW-Landesverband der Linkspartei zu Wort meldet, gehen manche im Berliner Karl-Liebknecht-Haus instinktiv in Deckung. Hinter vorgehaltener Hand wird vieles, was aus NRW unter dem Linken-Vorstandssprecher Wolfgang Zimmermann kommt, für „strömungspolitische Tricksereien” gehalten, „denen jede politische Alltagstauglichkeit abgeht”. Oder etwas anders gesagt: „verbalradikaler Mist”.

"Na dann: Gute Nacht, Marie!"

Offiziell halten sich die Bundesspitzen um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, die am Wochenende im brandenburgischen Rheinsberg mit der neuen 76-köpfigen Bundestagsfraktion in Klausur gehen werden, meist zurück, wenn ein Linker an Rhein und Ruhr in streng antikapitalistischer Tonlage öffentlich von der Weltrevolution träumt. Wie etwa im vergangenen Frühjahr das NRW-Vorstandsmitglied Andrej Hunko. Der gerade frisch in den Bundestag gewählte Mittvierziger hatte soziale Unruhen in Deutschland als „notwendig und wünschenswert” bezeichnet.

Als die WAZ Bundespolitiker der Linken mit dem Programm-Entwurf für die Landtagswahl 2010 konfrontierte, lautete der erste inoffizielle Kommentar: „Na dann: Gute Nacht, Marie!” Insbesondere mit ihrem „dogmatischen Entprivatisierungs-Kurs” schlage die NRW-Linke „im Industrieland NRW” die Tür zur SPD schon zu, „bevor sie jemand richtig öffnen konnte”.

Bodo Ramelow hält Distanz

Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Linkspartei in Thüringen und Westbeauftragter der Partei, will sich diesem Urteil im WAZ-Gespräch so nicht anschließen. „In NRW laufen viele Konfliktlinien anders. Dies ist ein Rohentwurf. Er ist geschrieben worden, um die innerparteiliche Debatte zu schärfen, nicht die Koalitionsfähigkeit der Linken in NRW.”

Gegen das Ziel, Monopole etwa in der Energieversorgung aufzubrechen und die Stromnetze stärker öffentlicher Kontrolle zu unterziehen, könne „kein vernünftiger Mensch etwas haben”, so Ramelow. Ob allerdings das Mittel der „reinen Verstaatlichung die richtige Antwort sein kann”, darüber müsse man streiten dürfen.

Die Hoffnung der NRW-Linken, dass in einer solidarischen Gesellschaft „Gerichte und Staatsanwaltschaften entbehrlich sein sollten”, hält Ramelow für entbehrlich. Ein Rechtsstaat brauche eine gut funktionierende, unabhängige Justiz.” Die „Gedankengänge” aus NRW, so Ramelow, müssten der Bundespartei Verpflichtung sein, bald ein „verbindliches, gemeinsames” Parteiprogramm zu schreiben.