Dortmund. Im Kreisverbands-Büro der Linken in Dortmund ist die Welt noch klar strukturiert. Dort drinnen, zwischen Yucca-Palme und PVC, jedenfalls ist sie tiefrot. Die Linken haben Zulauf, auch in NRW. Eine Koalition mit der SPD kann sich hier jedoch kaum jemand vorstellen.

Nein, auf Äußerlichkeiten legen sie hier keinen Wert. Ohne Schnörkel kommt das Kreisverbands-Büro der Linken in Dortmund aus: Unterm Fuß quietscht PVC, an den Wänden lehnen Zeitungsstapel, in der Fensterscheibe, schräg über der Yucca-Palme, ist ein Sprung. Dazwischen glüht die Farbe der Arbeiterschaft: Die Stühle sind rot, das Plakat mit dem lächelnden Gysi, all die Flyer, die vom Ende des Kapitalismus und dem Beginn der Gerechtigkeit künden. Draußen vor der Tür ist die Welt nicht rot, sondern grau: Autos dröhnen, die Fassaden sind fleckig, der Laden mit „Philipps Sonderposten” liegt gleich um die Ecke.

Die Mitgliederzahlen steigen

17 Prozent Zuwachs meldet die Partei. Foto: Matthias Graben / WAZ FotoPool
17 Prozent Zuwachs meldet die Partei. Foto: Matthias Graben / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Elf Männer und eine Frau sitzen morgens um 10 in der Runde - die meisten sind Mitte 50 – Leute, die Hartz IV nicht nur aus der Tagesschau kennen. Sie tragen Jeans und Freizeithemden, ihr Humor ist so robust wie das Ambiente. „Ich bin ja Betriebsrat”, sagt einer. „Hör auf, die werden doch jetzt abgeschafft”, kontert ein anderer. Beide lachen. Weil sie Genossen sind, und weil sie hinter dem Spruch einen Krümel Wahrheit vermuten.

Sie könnten sich gelassen im roten Gestühl räkeln. Denn sie haben gewonnen. Bei der Bundestagswahl kletterte die Linke in Dortmund auf elf Prozent. 360 Mitglieder zählt die Partei: „17 Prozent mehr als letztes Jahr”, freut sich Geschäftsführer Christian Seyda.

Schröder, der Schurke

Aber sie feiern heute nicht. Sie reden über die SPD, und das ist gar nicht lustig. Gleich vier in der Runde kennen die SPD von innen, einer stand mal den Grünen nahe, zwei waren in der DKP. Brigitte Bierhoff-Walinski blickt auf 32 sozialdemokratische Jahre zurück. Ihr Urteil über ihre Ex-Partei ist kernig: „Die können das „S” aus dem Namen streichen, die sind nicht mehr sozial”, ruft die Großmutter. Und dann spuckt sie den Namen aus, der ihnen hier so auf den Wecker geht: Schröder. Schröder klingt aus diesen Mündern wie „Schurke”. Schröder, der ist noch tausendmal schlimmer als Kohl.

Ist die SPD überhaupt eine linke Partei? „Neee” dröhnt es über die Tische. Brigitte Bierhoff sagt es laut, Karl Krämer und Peter Nunhofer etwas leiser. Die beiden waren auch Sozialdemokraten. Sie schimpfen auf die SPD, aber sie verteufeln nicht. Nur die Gerechtigkeit, die sei da irgendwann auf der Strecke geblieben.

"In mir ist so viel Wut"

Hier teilt man die Welt in Extreme. Foto: Matthias Graben / WAZ FotoPool
Hier teilt man die Welt in Extreme. Foto: Matthias Graben / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Anders Wilhelm Auffahrt, ehemaliger Betriebsrat bei Erikson und IG Metaller, Der Ex-Kommunist mit den Borussia-Dortmund-Hosenträgern drischt auf die SPD-Spitze ein, als hätte die den Sozialismus persönlich umgebracht und begraben: „Ungerecht, asozial und korrupt” sei die Führung. „In mir ist so viel Wut. Ich koche. Die Mächtigen kriegen doch das ganze Elend da draußen doch gar nicht mit.”

Kochende Wut spricht auch aus den Broschüren, die überall rumliegen. Manches klingt bizarr: Die „Kamele des Karawanenkapitalismus”, zum Beispiel. Manches muss man nicht groß erklären: „Hartz IV mit Stumpf und Stiel in die Tonne”. Jau, versteht jeder.

Rechts und links, satt und hungrig , gut und böse – in diesem Büro teilt man die Welt in Extreme. Die SPD ist rechts, satt und böse. Ob man mit denen überhaupt koalieren kann? „Die kriegen uns nicht so leicht wie die Linken in Hessen”, wettert Auffahrt. „Hinterher verarscht uns die Kraft und nicht der Rüttgers.” Helmut Manz, stellvertretender Landessprecher der NRW-Linken, würde die Sozis lieber tolerieren als mit ihnen regieren.

Sie sind Genossen

Aber das sehen nicht alle so. „Wenn die Inhalte stimmen. Wenn die SPD zu ihren Wurzeln zurückfindet. Wenn da nicht mehr Typen wie Schröder und Clement bestimmen, dann ändert sich was”, meint Utz Kowalewski, der sich einst zu den Grünen hingezogen fühlte. „Das ist wie bei zwei Firmen, die zusammengehen. Da muss man Gemeinsamkeiten suchen und sich einigen”, wirft einer dazwischen.

Und was denken sie über die Basis der SPD? Gibt es da größere Schnittmengen als mit Münte, Kraft und Steinmeier? Brigitte Bierhoff-Walinski nimmt die Vorlage an und schießt zurück: „Schnittmenge? Quatsch! Wir sind die Basis der SPD.” Alle klopfen, alle prusten, alle lachen. Weil sie Genossen sind. Und hinter dem Spruch einen Krümel Wahrheit vermuten.