Berlin. Oskar Lafontaine ist immer wieder für Überraschungen gut. Jetzt legt er den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag nieder. Er will sich um Rot-Rot-Grün im Saarland kümmern. Er habe das lange geplant, „die Zeit ist reif”, sagte Lafontaine. Eine Frau soll nachrücken.

Für einige Ohren mag er wie wunderbare Musik geklungen haben. Lafontaine macht den Weg frei, damit die Führung der 76-köpfigen Fraktion jünger und weiblicher wird. Er habe das lange geplant, „die Zeit ist reif”, sagte Lafontaine. Allein, er geht nicht so ganz. Der 66-jährige will Parteichef bleiben. Er gibt nur eines von zwei Ämtern ab.

Er will sich zudem verstärkt um das Saarland kümmern. Sollte es zu einer Rot-Rot-Grünen-Koalition kommen, ist es nicht ausgeschlossen, dass er sein Bundestagsmandat zurückgibt, um sich voll und ganz auf den Fraktionsvorsitz im Saarbrücker Landtag zu konzentrieren. Noch ist offen, wie es weiter geht. Klarer sind Lafontaines Pläne in Berlin: Frauen sollen als Co-Vorsitzende an die Spitze von Fraktion und Partei aufrücken.

40 Frauen in der Fraktion

Gregor Gysi konnte gestern keine Co-Vorsitzende „aus dem Hut zaubern”. Er ließ sich erst mal als alleiniger Chef wählen. Aber die Idee ist, dass die Linken am Konzept der Doppelspitze festhalten und Gysi eine westdeutsche Amtskollegin bekommt. Lafontaine, der sich nur in der Fraktion mit der zweiten Reihe begnügt, würde es seinerseits mit einer ostdeutschen Co-Chefin zu tun bekommen. 40 Frauen sind in der Fraktion, für die westdeutschen unter ihnen beginnt nun ein Schaulaufen.

„Typisch Oskar" werden sie bei der SPD sagen. Für einsame Entscheidungen war der Mann immer gut: 1995, als er sich handstreichartig den SPD-Vorsitz nahm; oder 1999, als er in Bonn Knall auf Fall als Finanzminister zurücktrat; oder 2005, als er die Partei verließ und den entscheidenden Ruck für die Gründung der WASG und die spätere Fusion mit der PDS zur neuen Linkspartei gab.

Bisweilen despotisch

Auch gestern hat er Freund und Feind verdutzt. Als die Fraktion in einem Hotel an der Marina in Rheinsberg zusammenkam, waren viele ahnungslos; beileibe nicht bloß Hinterbänkler. Ein Mann wie Bodo Ramelow, der von sich meint, er höre das Gras wachsen, bekannte gegenüber der WAZ: „Dieser Halm ging total an mir vorüber.” Nicht nur den thüringischen Parteichef hatte Lafontaine mit seinem selbst gewählten Abschied genarrt. Mal wieder: Ein Coup.

Die Partei weiß, was sie an Lafontaine hat. „Ohne ihn gäbe es die Linke nicht”, sagte Gysi in Rheinsberg. Bei anderen aber dürfte sich die Enttäuschung in Grenzen halten. Lafontaines patriarchalischer, bisweilen despotischer Führungsstil, weckte zuletzt gerade bei den jungen, selbstbewussten Ost-Linken um die Berliner Realo-Politiker Stefan Liebich und Halina Wawzyniak leisen Zorn. Öffentlich wird der Unmut jetzt aber wohl kaum. Zumal die kolportierten Begründungen für den Schritt Lafontaines selbst für interne Parteikritiker plausibel klingen. Danach wolle sich, das sagt Geschäftsführer Dietmar Bartsch, Lafontaine künftig der Aufgabe widmen, dass Rot-Rot-Grün im Saarland gelingt.

Noch haben die Saar-Grünen nicht entschieden

Dort, wo Lafontaine bei der Landtagswahl am 30. August auf Anhieb knapp 22 Prozent erzielte, soll gemeinsam mit der SPD und den Grünen der Boden bereitet werden – auch für einen Regierungswechsel nach der Landtagswahl im Mai 2010 in NRW. Scheitert Schwarz-Gelb, kommt die Linke an die Macht und über den Bundesrat wieder verstärkt ins Spiel.

Halt, da war noch was: Noch haben die Saar-Grünen nicht entschieden, ob sie Rot-Rot-Grün oder mit der Union und der FDP das Wagnis „Jamaika-Koalition” eingehen wollen. Der dazu fällige Beschluss fällt erst am Sonntag. Landes-Grünen-Chef Hubert Ulrich wertet Lafontaines Schritt als „Affront gegen Rot-Rot-Grün”. Er wolle sich als „Co-Ministerpräsident installieren”. Das klingt, als ob Lafontaine im Saarland mehr Belastung denn Wohltat wäre.