Witten. „Räumungsverkauf!“ Wenn der Goldankauf am City-Bogen in Kürze schließt, bleiben immer noch genug solcher Läden in Witten übrig. So arbeiten sie.
Michaela hat schon viel gesehen: falsche Goldbarren, Silberketten ohne Silber, Münzen ohne Mehrwert. aber natürlich auch jede Menge echten, wertvollen Schmuck. Gerade kommt eine Kundin herein, die ihre „Vier-Dukaten-Münze“ gegen Bares eintauschen will. Dukaten?
Kennt man ja eigentlich eher aus alten Piratenfilmen. Nein, nein, wir befinden uns im Jahr 2024. Mitten in Witten. Die „Deutsche Edelmetalle, Invest & Recycling“ (DEIR) schließt demnächst - nach mehreren Jahren - ihre Filiale zwischen Stadtgalerie und Berliner Platz. Ein Grund für einen ersten und letzten Besuch.
Münzen werden genau geprüft
Michaela, die hinter einer Plexiglasscheibe noch aus der Corona-Zeit sitzt, nicht hinter Panzerglas, prüft die Goldmünze der Kundin. Die würde natürlich gerne wissen, „was ich dafür kriege“. Michaela bittet sie, einen kleinen Moment zu warten.
Die 64-jährige Angestellte legt das gute Stück auf die Waage und stellt fest, dass die Münze ein anderes Gewicht hat als darauf angegeben ist. „Ich müsste sie zum Test einschicken“, sagt sie. „Der Chef soll sich die mal angucken.“ Solange will die Kundin nicht warten. Immerhin erfährt sie, dass sie wohl 880 Euro dafür bekäme.
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Silber und Gold, Zinn und alle anderen Metalle von mehr oder weniger Wert landen auf dem Tisch von Michaela. Die Filiale ihres Arbeitgebers, die jetzt mit roten Aufstellern auf den Räumungsverkauf und die bevorstehende Schließung hinweist, ist eine von mindestens sieben unterschiedlichen Goldan- und Verkaufsstellen mitten in der City. Allein auf der unteren Bahnhofstraße gibt es vier, dazu zwei auf der Ruhrstraße. Dort, in Richtung Sparkasse, leuchtet es einem schon in Rot entgegen: „Istanbul Goldschmied.“
Michaela kommt aus Witten und hat in ihrem Leben schon viel gemacht, etwa junge Mode und Berufsbekleidung verkauft, 20 Jahre war sie „Mädchen für alles“ an der Tanke in Herbede. Gelernt hat sie kaufmänmnische Angestellte bei den Edelstahlwerken. In denen ja das Wort „edel“ steckt. Insofern gibt es einen kleinen Bezug zu ihrer wohl letzten beruflichen Tätigkeit.
Anderthalb Jahre hat sie in dem An- und Verkauf für Gold und anderes Glitzerndes am City-Bogen gearbeitet. „Das meiste wird eingeschmolzen“, verrät Michaela den Verbleib der manchmal kostbaren Ware, von der sich die Kunden meist mehr oder weniger schweren Herzens trennen. Wie in ähnlichen Läden ist in dem Schaufenster direkt neben einer Modeboutique auch Schmuck ausgestellt. Drinnen gibt es Regale mit Ledertaschen, Gürtelschnallen und anderen Accessoires. Aber eigentlich geht es vor allem um den Ankauf von Edelmetall.
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Dass der Branche hier und da etwas leicht Unseriöses anhaftet, hält Michaela für nicht gerechtfertigt. Natürlich seien ihr öfter schon mal Fälschungen angeboten worden - und sie sei auch schon darauf hereingefallen. Sie erinnert sich etwa an jene vergoldete 925er-Silberkette, die sie als „585er“ angekauft hat - das heißt, dass 585 von 1000 Teilen aus Gold sind. Hinterher stellte sich heraus, dass die Kette nur einen „Hauch von Gold“ aufwies. „Ich hätte die obere Schicht anfeilen und dann Säure auf die untere Schicht träufeln müssen. Die zeigt dann definitiv an, ob es echt ist oder nicht.“
Kunden bringen Silbersteck und Zinnkrüge
Doch viele durchaus anständige Kunden kämen auch mit dem guten alten Silberbesteck vorbei oder nach Haushaltsauflösungen mit „Zinnkrügen und Tellern von Opa und Oma“. Ein Goldarmband für 2000 Euro gehörte zu den eher teuren Schmuckstücken, die sie angekauft hat. Geprüft werden unter anderem Durchmesser und Gewicht. Papiere oder Echtheitszertifikate müssen in der Regel nicht vorgezeigt werden. Aber der Pesonalausweis, „auch wenn ich nur was für fünf Euro ankaufe“. Bei Summen über 2000 Euro muss ein Identifikationsbogen ausgefüllt werden.
Münzen oder Goldbarren darf sie zum Testen auf Echtheit weder abfeilen noch abreiben. Sie kommen auf die Magnetwaage.. „Es gibt Listen, wieviel Plus die dann anzeigen muss“, sagt Michaela. „Die Waage muss eigentlich immer im Plus sein.“ Wenn sie allerdings ein „horrendes Plusgewicht“ anzeigt oder im Minus ist, weiß Michaela, dass etwas faul an der Sache ist. Falsche Ketten könne sie oft auch schon an den Verschlüssen erkennen. „Ein kleiner Ringverschluss passt nicht zur dicken Goldkette.“
Gezahlt wird nach dem aktuellen Börsenkurs, aber natürlich darunter. Viele verkauften auch mal Goldbarren, die sie sich vor vielen Jahren zugelegt hätten und die heute eine Menge wert seien. Die meisten trennten sich von ihren wervollen Stücken, „weil sie Geld brauchen“.
Michaela ist froh, mit der Schließung des Ladens in Rente zu gehen, nach 48 Berufsjahren, „ohne Abzüge“. Was sie nun geschenkt bekommt, ist für sie unbezahlbar: ganz viel freie Zeit.
Der Wert von Gold und Silber
Ein Gramm Gold (999er) kostet zirka 70 Euro, 750er um die 60, 585er und Zahngold um die 40. Das hängt von den aktuellen Börsenkursen ab. Was Kunden jeweils für ihr Schmuckstück, eine Münze, Altgold etc. bekommen, kann je nach Ankaufstelle unterschiedlich sein. „Und es hängt natürlich davon ab, wie gut der Schmuck erhalten ist“, sagt ein Anbieter aus der Innenstadt, „ob man ihn wieder verkaufen kann oder einschmelzen muss.“
Nach unseren Recherchen kann der Ankaufkurs bei Gold zehn Euro unter dem Börsenkurs liegen, bei Silber 20 Cent (jeweils pro Gramm). Aber auch das ist sehr „inviduell“, wie ein Insider sagt. Ein Gramm Silber (999er) liegt bei zirka 80 Cent. Kunden sollten unter den zahlreichen Anbietern vergleichen, wo sie das meiste bekommen. Und eventuell auch jemanden aufsuchen, der den Wert ohne Ankaufabsicht ermittelt.