Witten. Das Sozialkaufhaus der Ruhrtalengel ist eröffnet – und die Kunden strömen herbei. Bedürftige bekommen etwas umsonst. Sammler finden Kurioses.
Das Paradies für alle, die günstig Gebrauchtes kaufen wollen oder müssen, liegt in der alten Halle einer ehemaligen Schlosserei an der Annenstraße. Die Ruhrtalengel haben hier gerade ein Sozialkaufhaus eröffnet. 100 Kunden waren am ersten Tag (11.10.) schon da. Auch Montagvormittag (14.10.) ist ordentlich was los im Engel-Depot.
Wer das alte Gebäude betritt, dem steigt ein etwas öliger Geruch nach Werkstatt in die Nase. Der Blick fällt auf riesige Regale und Metallkörbe voller Waren – Stöbern erlaubt und erwünscht. Alles ist dabei: vom Milchkännchen in Kuh- und Salzstreuer in Hühnerform bis zur Gebäck- und Sahnespritze. Gleich rechts vom Eingang wartet eine alte Stehlampe, die fast schon wieder trendy ist, auf neue Besitzer. Es gibt Geschirr ohne Ende, Kleidung, Schuhe, Bücher, Spielzeug, Schulranzen, Fahrradhelme, Monitore, Fahrräder.
Kunde bekommt zwei gebrauchte Gehhilfen geschenkt
Franz-Josef Juchems ist extra aus der Innenstadt nach Annen gekommen. Der 66-Jährige war auch am Eröffnungs-Freitag schon da. Jetzt packt er gerade einen Lego-Bagger, eine Spardose und einen Toaster in den mitgebrachten Beutel. Sechs Euro zahlt er dafür. „Ich komme mit meiner Rente aus“, sagt Juchems. „Aber man kann hier schon ein bisschen Geld sparen.“ Er habe zwei kleine Enkelkinder. „Die freuen sich, wenn sie was vom Opa kriegen.“ Doch jetzt sucht Juchems, der auf Krücken angewiesen ist, noch was für sich: Zwei gebrauchte Gehhilfen sollen es sein. Auch die finden sich im Engel-Depot. Fee Rama, zweite Vorsitzende des Vereins, schenkt sie dem Mann. Dafür wirft er einen Euro in die Spendendose.
„Jeder darf zu uns kommen“, sagt Fee Rama. Bedürftige können einen Nachweis vorlegen – und bekommen die Sachen dann in der Regel gratis. „Die meisten verstehen auch, dass das zweite ferngesteuerte Auto oder die dritte Winterjacke nicht zum Bedarf gehören“, sagt Nadine (36), die heute ehrenamtlich an der Kasse steht.
„Die Preise sind fair, Handeln ist unerwünscht“
Für zwei Euro kann ein Mann das dicke Buch über den Körperbau mit nach Hause nehmen. „Die Preise sind fair.“ Deshalb sei Handeln unerwünscht. „Die meisten Kunden“, hat Nadine aber festgestellt, „sind echt dankbar, dass sie hier für kleines Geld einkaufen können“. Sie erinnert sich an die Frau, die sich so wahnsinnig über die nagelneuen Schulsachen für ihr Kind gefreut hat: „Da habe ich eine Gänsehaut gekriegt.“
Gerade parken Markus und Mirja Avermann vor der Halle. Die Annener wollen selbst nichts kaufen, sondern abgeben, was im Keller Platz wegnimmt. Der Kofferraum des Kombis ist voll mit Kartons. Aus einem lugt ein Malefizspiel heraus. „Da ist nix kaputt oder dreckig“, sagt Markus Avermann, der die Kisten in die Halle hievt. „Aber das hätten wir sonst alles weggeschmissen.“
Spender sind froh, dass ihre Sachen nicht im Müll landen
Auch die 51-jährige Stockumerin, die gerade eine Haushaltsauflösung zu bewerkstelligen hat, ist froh um das Engel-Depot. Mehr als zwei Autoladungen hat auch sie schon vorbeigebracht. „Es gibt bestimmt Menschen, die die Sachen noch gebrauchen können“, ist sie froh, dies alles nicht in den Müll werfen zu müssen. Hochwertige Sammelteller einer bekannten Porzellanmarke sind sogar dabei. Auch wer Spezielles sucht, wird also fündig.
Die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen müssen ordentlich schuften, um das alles einzusortieren. Und haben auch schon viel gelacht angesichts der Dinge, die da so bei ihnen landen. Ein ausgestopftes Krokodil war dabei. „Aber sowas dürfen wir ja gar nicht verkaufen“, sagt Fee Rama. Jemand hat mal eine Handvoll Batterien abgegeben. „Wir wussten gar nicht, ob die noch voll sind.“ Auch abgelaufene Lebensmittel finden sich manchmal in den Kartons.
Was allerdings noch fehlt im Sortiment: eine Holzfußbank. Die sucht Franz-Josef Juchems nämlich ganz dringend. Der 66-Jährige will regelmäßig vorbeischauen im Engel-Depot, „mindestens einmal im Monat“. Irgendwann wird er dann bestimmt auch solch ein Bänkchen finden.