Witten. Im „somewhereartista“ in Witten tätowiert die Inhaberin ohne Maschine, nur mit der Hand. Warum sie am liebsten auf ihrer eigenen Haut übt.

Anna Otto ließ sich von einem Mönch in Thailand ein traditionelles Tattoo per Hand stechen. Welches genaue Motiv sie unter der Haut tragen sollte, wusste sie vorher nicht. Die Erfahrung liegt Jahre zurück. Die Begeisterung ist geblieben. Heute ist sie selbst Tätowiererin in Witten. In ihrem eigenen Studio in der Wiesenstraße widmet sich die 35-Jährige einer der ursprünglichsten Tätowiermethoden: dem Handpoke. Das heißt Tätowieren ohne Maschine. Und am liebsten übt sie auf ihrer eigenen Haut.

Mehr als 20 Tattoos zieren den Körper der Wittenerin, die meisten davon sind selbst gestochen. Doch auch Fremdarbeiten trägt sie unter der Haut, wenige wurden mit einer Maschine gemacht. Für ihre eigene Selbstständigkeit hat sie sich gegen die Tattoomaschine und für die präzise Arbeit mit der eigenen Hand entschieden. „Aus einem Bauchgefühl heraus, habe ich damit meine Berufung gefunden“, sagt sie.

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Eigentlich wollte Anna Otto in einem Workshop nur etwas über die technischen Grundlagen beim Handpoke-Tätowieren lernen. „Doch dann wollte meine Mutter, dass ich ihr ein Tattoo steche“, sagt die Wittenerin, die einen Master in Kunstgeschichte hat. Es folgten viele Freunde und Bekannte. „Da wusste ich, entweder mache ich das jetzt professionell oder gar nicht.“ 2021 hat sie es gewagt und sich in einem kleinen Raum an der Ruhrstraße selbstständig gemacht. In ihr Studio in die Wiesenstraße 27 ist sie im Dezember 2022 eingezogen und unter dem Namen „somewhereartista“ zu finden. Den Schritt in die Selbstständigkeit bezeichnet sie als „beste Entscheidung“.

„Ich habe dann gefühlt nichts anderes gemacht, als zu zeichnen und auf Bananen und mir selbst zu üben.“
Anna Otto

Die eigene Haut diente ihr beim Üben als wichtigstes Lerninstrument. Otto: „Beim Handpoke-Tätowieren kommt es auf ein besonderes Feingefühl an.“ Probiert sie Motive an sich aus, erlebe sie es so aus zwei Perspektiven: einmal als Tätowiererin, die das Zeichnen steuert, und einmal als Empfängerin, die alles intensiv spürt. „Echte Haut ist zum Üben einfach am besten.“ Da könne auch Kunsthaut nicht mithalten. Dadurch hat sie sich alles selbst beigebracht. Und was ist das Besondere an dieser Art, zu tätowieren?

Handgestochenes Tattoo: Am Knöchel hat sich Anna Otto das erste Motiv, eine kleine Blume, selbst gestochen.
Handgestochenes Tattoo: Am Knöchel hat sich Anna Otto das erste Motiv, eine kleine Blume, selbst gestochen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Genau wie beim Tätowieren mit einer Maschine wird auch beim Handpoke mit Nadeln gearbeitet. Diese verwendet die 35-Jährige allerdings per Hand und setzt jeden Punkt des Motivs einzeln auf der Haut. „Die Farbpigmente werden in die zweite Hautschicht eingebracht, da sie in der ersten nicht halten und in der dritten zu tief gehen und ausfransen könnten“, sagt sie. Obwohl es weniger wehtut als bei einer Maschine, sei es nicht schmerzfrei. „Die Haut wird aber weniger verletzt, was zu schnellerer und unkomplizierterer Heilung führt.“ Hygiene sei hier das A und O. „Und natürlich auch Präzision.“

Anna Otto liegt das Ursprüngliche dieser Technik sehr am Herzen. „Man ist sehr nah am Menschen, hat die Kontrolle und gibt das Tempo vor“, sagt sie. „Und natürlich ist das Endergebnis immer einzigartig.“ Bei der Methode könne man verschiedene Stile mit einbringen. Ihre Tattoos seien organischer in der Optik, die Linien feiner und abstrakter. Besonders: Sie zeichnet jedes Motiv individuell auf dem Tablet vor, keins wird doppelt verwendet. „Meine Tattoos sollen nicht nur dekorativ, sondern bedeutungsvoll sein.“

„Tätowieren ist ein sehr intimer Prozess“

Wer das Studio im Wiesenviertel betritt, hört sanfte Hintergrundmusik, riecht den Duft von Räucherstäbchen, vermischt mit einem frischen Kaffeeduft. „Eine Atmosphäre der Ruhe und Entspannung ist mir sehr wichtig“, sagt die Inhaberin. Die Kundinnen und Kunden sollen sich bestmöglich wohlfühlen.

Otto: „Tätowieren ist ein sehr intimer Prozess.“ Ihre Kundinnen und Kunden müssten ihr einen Vertrauensvorschuss geben. Deswegen sei ein intensives, kostenloses Vorgespräch für sie elementar. „Daraus können auch gerne mehrere werden“, sagt sie. Für die Auswahl eines passenden Motivs sollte man sich genügend Zeit nehmen. „Solange noch nichts gestochen ist, kann man alles ändern.“

Höchste Konzentration: Anna Otto tätowiert ihre Kunden per Hand und setzt dabei jeden Punkt des Motivs einzeln.
Höchste Konzentration: Anna Otto tätowiert ihre Kunden per Hand und setzt dabei jeden Punkt des Motivs einzeln. © WAZ | Anna Otto

Anna Otto sagt über ihren Beruf: „Er gibt mir viel, eigentlich alles, was ich brauche. Ich kann mit Menschen arbeiten und kreativ sein, aber ich genieße auch die Ruhe und Konzentration.“ Das sei für sie der perfekte Mix. Und will sie sich selbst weitere Tattoos stechen? „Bei meinen jetzigen ist definitiv noch nicht Schluss.“

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