Witten. Eine Stichwahl zwischen zwei Kandidaten ist in einer Demokratie nicht ungewöhnlich. Wenn es um eine Dezernentenstelle in Witten geht, aber doch.

Ann Kathrin Frede (46) ist die neue Sozialdezernentin in Witten und damit die erste Frau auf einem Beigeordnetenposten überhaupt. Im Rat wurde sie nun mit nur 39 Stimmen oder 62 Prozent zur Nachfolgerin von Frank Schweppe gewählt, der nach 27 Jahren im Amt Ende 2023 in den Ruhestand gegangen ist. Was ungewöhnlich war: Sie hatte eine Gegenkandidatin. Ungewöhnlich deshalb, weil sich die Politik in der Vergangenheit meist schon im Vorfeld auf einen einzigen Bewerber geeinigt hatte – und die Wahl im Rat dann meist nur noch Formsache war. Diesmal war also alles ein wenig anders.

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Rund 15 Bewerbungen lagen der Stadt für die Leitung des Dezernats 3 vor, zu dem auch die Abteilungen Jugend, Recht, Sicherheit und Ordnung gehören. Mit der Besoldungsstufe 3 oder 8700 Euro monatlich ein sehr gut bezahlter Job. Es gab wie üblich eine Findungskommission und am Ende kamen vier Bewerber – drei Frauen, ein Mann – in die engere Wahl.

Zwei an sich chancenlose Kandidaten, die zu den letzten vier gehörten, sollen dann vorzeitig zurückgezogen haben – so dass der Ältestenrat schließlich noch über zwei Bewerberinnen zu befinden hatte. Der Ältestenrat setzt sich unter anderem aus den Fraktionen zusammen. Er bereitet wichtige Entscheidungen wie eben solche Personalangelegenheiten für den Rat vor. Doch diesmal kam er auf keinen gemeinsamen Nenner.

CDU favorisierte Bewerberin aus dem Wittener Rathaus

Nach Informationen dieser Redaktion konnten vor allem die beiden größten Fraktionen, SPD und CDU, in dieser wichtigen Personalfrage kein Einvernehmen erzielen. Die Union soll mit Ann Kathrin Frede die verwaltungsinterne Bewerberin favorisiert haben, während die SPD auch über die zweite verbliebene Kandidatin abstimmen wollte, die mit 22 Stimmen unterlegene Almuth Salentijn aus Wuppertal. Auch die Grünen hatten sich für diese Art Stichwahl ausgesprochen. „Alle Fraktionen waren sich einig, dass es eine von beiden werden sollte“, sagt Grünen-Fraktionssprecherin Liane Baumann.

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Da es sich um eine geheime Wahl handelte, bleibt offen, wer nun im Rat genau für wen gestimmt hat. Am Ende können aber wohl alle gut mit Ann-Kathrin Frede leben, die für acht Jahre gewählt wurde. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt CDU-Fraktionschef Volker Pompetzki. Er bestätigt, dass man sich in der Vergangenheit bei Dezernentenwahlen und „klaren Mehrheitsverhältnissen“ auf ein Vorschlagsrecht geeinigt hätte.

Christoph Malz, Fraktionsvize der SPD, sagt: „Beide Kandidatinnen kamen von ihren Voraussetzungen her für das Amt in Frage.“ Als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses sei er sehr zuversichtlich, „dass es eine gedeihliche Zusammenarbeit geben wird“. Sozialpolitikerin Lilo Dannert von den Grünen sah ebenfalls beide Bewerberinnen auf Augenhöhe, „von ihrem Hintergrund her, ihrem Wissen, ihrer Ausstrahlung“. Die Meinung innerhalb der Fraktion sei geteilt gewesen, weshalb man die Abstimmung freigegeben habe. Es herrschte also kein Fraktionszwang.

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Die parteilose Ann-Kathrin Frede ist erst seit September 2021 als Leiterin des Personal- und Organisationsamtes bei der Stadt Witten. Sie war offenbar die Einzige, die sich intern, also direkt aus dem Rathaus heraus für die Beigeordnetenstelle beworben hatte. Politische Beobachter hätten in der Vergangenheit auch auf Corinna Lenhardt gesetzt, die Jugendamtsleiterin. Doch sie kam aus Compliance-Gründen – gemeint ist das Einhalten von internen Regeln – wohl erst gar nicht infrage. Lenhardt ist die Lebensgefährtin des Bürgermeisters.

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