Witten. . Lilo Dannert, erste Vorsitzende des Help Kiosks, wird nicht müde, sich für Flüchtlinge stark zu machen. Ein Ehrenamt mit einer 40-Stunden-Woche.
Im August 2015 wurde der Verein Flüchtlingshilfe Help-Kiosk Witten gegründet. Lilo Dannert ist seither dessen erste Vorsitzende. Die Grünen-Ratsfrau, Vorsitzende des Wittener Sozialausschusses und ehemalige Lehrerin macht sich für Menschen stark, die Hilfe brauchen. Weil sie aus ihren Ländern vor Hunger, Verfolgung, Krieg und Terror fliehen mussten. Ein ehrenamtliches Engagement, das für Dannert und ihr Help-Kiosk-Team selbstverständlich ist.
Frau Dannert, Sie sind 67 und vierfache Großmutter. Da gönnen sich andere mehr Ruhe.
Ja, aber ich war immer schon sozial aktiv. Beim Help-Kiosk berührt mich die Notlage der Menschen. Ich stelle mir vor, ich müsste Deutschland verlassen und in ein Arabisch sprechendes Land fliehen. Und wenn man Menschen, die zu uns kommen, helfen kann, gibt einem das Auftrieb weiterzumachen.
Sie scheuen keine Anstrengung, packen auch selbst an, wenn jemand Flüchtlingen Möbel schenken möchte, diese aber abgeholt und aufgebaut werden müssen.
Dabei helfen mir auch geflüchtete Menschen. Wir machen auch Umzüge für Geflüchtete. Gerade erst für eine alleinerziehende Mutter, die ihr drittes Kind erwartet. (lacht) Ich habe eine ehrenamtliche 40-Stunden-Woche. Was ganz wichtig ist: Alleine schafft man das nicht. Der Help-Kiosk hat rund 40 aktive Vereinsmitglieder, insgesamt sind es rund 100 Menschen, die unsere Arbeit tragen. Darunter sind viele Geflüchtete, denen wir geholfen haben und die jetzt die Begleitung von anderen Geflüchteten übernehmen.
Familienzusammenführungen sind ein großes Thema
Der Verein Help-Kiosk berät Flüchtlinge im VHS-Kiosk an der Hauptstraße. Sie begleiten Menschen zu Behörden, zum Arzt, bei der Wohnungs- und Jobsuche. An der Flüchtlingsunterkunft an der Brauckstraße sind sie mit einer Kleiderkammer und einem Möbellager vertreten.
Ja. Die Stadt ist sehr, sehr froh, dass wir das machen. Derzeit haben viele Leute Probleme mit Verträgen, die sie bei Mobilfunk- und Energieunternehmen abgeschlossen haben. Die Leute werden oft nicht richtig darüber informiert, was sie bezahlen müssen. Wenn dann Rechnungen offen sind, kommen Inkasso-Unternehmen ins Spiel. Dann können aus 60 Euro Schulden 300 Euro werden. Wir geben Geflüchteten in Notlagen oft Darlehen, die sie dann abbezahlen.
Spielte fürs Foto gerne mit: Lilo Dannert im Sandkasten vor der Flüchtlingsunterkunft an der Wittener Brauckstraße, den die Stadt unlängst spendierte.Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Haben Sie auch mit Familienzusammenführungen zu tun?
Ein großes Thema! Wurde ein Asylantrag anerkannt, muss die sogenannte fristwahrende Anzeige für den Familiennachzug in den ersten drei Monaten danach gestellt werden. Dabei helfen wir, auch wenn deswegen Termine bei Botschaften gemacht werden müssen. Solche Situationen belasten Menschen sehr. Wir haben einen Fall, da flüchtete der Mann aus Eritrea nach Deutschland. Seine Frau sitzt im Sudan fest. In der dortigen Hauptstadt Khartum bekommt sie in der Botschaft kein Visum. Der Mann klagt, seit Dezember passiere nichts. Da muss ich ihm immer wieder sagen: Du musst warten.
Sie helfen auch, wenn ein Asylantrag abgelehnt wird.
Wir helfen bei der Suche nach einem Rechtsanwalt, bei Klagen, die Aussicht auf Erfolg haben. Wir haben viele Männer, die gegen die Ablehnung ihres Asylantrags geklagt haben und nur einen sogenannten subsidiären Schutz bekommen haben. Das heißt, sie haben erst einmal nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Diese Erlaubnis kann danach aber um zwei Jahre verlängert werden, wenn die Gründe für den Schutz immer noch vorliegen.
„Ich könnte am Mittelmeer keinen Urlaub verbringen“
Würden Sie sagen, dass der oft kritisierte Merkel-Satz ,Wir schaffen das’ für Witten zutrifft?
Ja! Neben dem Help-Kiosk gibt es viele andere in der Stadt, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren und mit denen wir sehr gut vernetzt sind – etwa das DRK, die Awo, die Caritas und auch die Verbraucherzentrale.
Der deutsche Kapitän des Schiffes Lifeline, dessen Besatzung Ertrinkende aus dem Mittelmeer rettete, muss sich in Malta vor Gericht verantworten. Was denken Sie, wenn Sie so etwas lesen?
Das ist unfassbar, dass Menschen, die Menschen retten, vor Gericht gestellt werden. Wenn man bedenkt, welche Aufmerksamkeit die thailändischen Kinder bekamen, die aus der Höhle gerettet wurden. Im Mittelmeer ertrinken Kinder. Ich könnte am Mittelmeer derzeit keinen Urlaub verbringen.
Lilo Dannert ist nicht nur engagiert, sondern gönnt sich auch Pausen, geht sehr gerne auf Reisen.
Das brauche ich, andere Länder, andere Menschen kennenlernen. Mein Mann und ich verreisen mit dem Wohnmobil, ich fahre aber auch mit Freunden und meiner Schwester weg. Ich war schon auf Spitzbergen, auf Grönland und Island. Im April war ich in Israel und bin in der Wüste Negev gewandert. Im November 2019 werde ich in die Antarktis reisen!
>>> FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT BRAUCKSTRASSE
Nach Angaben der Stadt leben derzeit 111 Männer, Frauen und Kinder in der Flüchtlingsunterkunft an der Brauckstraße.
Damit sie ihre Angelegenheiten vor Ort regeln können, haben dort auch Mitarbeiter des Jobcenters, der Ämter für Wohnen und Soziales, für Jugendhilfe und Schule und das städtische Gebäudemanagement Büros.