Witten. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben, sagt Wittens neuer CDU-Fraktionschef. Was er tun will, damit die Bürger wieder stolz auf ihre Stadt sind.
Davon hat sein Vorgänger 16 Jahre lang nur träumen können: die CDU-Fraktion zu führen und gleichzeitig den Bürgermeister zu stellen. Volker Pompetzki (54) ist dies nach dem spektakulären Wahlsieg seines Parteifreundes Lars König nun gleich auf Anhieb vergönnt. Mit dem neuen Fraktionschef sprach die Redaktion über seinen künftigen Kurs, wechselnde Mehrheiten und einen neuen Stil in der Politik.
Sie sind, mit Verlaub, in der Vergangenheit politisch noch nicht groß aufgefallen, Herr Pompetzki. Wie kommt es, dass Sie nun plötzlich die CDU-Fraktion führen, nachdem Herr Noske nicht mehr für den neuen Rat kandidiert hat?
Ausschlaggebend war der Vorschlag aus der Fraktion. Ich denke, dass hat mit mit der Art und Weise zu tun, wie ich in der Fraktion arbeite, sachlich und konstruktiv, ohne lautes Getöse.
Worin werden Sie sich von Ihrem Vorgänger unterscheiden?
Herr Noske hat die Fraktion sehr gut geführt, sonst hätte er das ja nicht 16 Jahre gemacht. Wir werden die Kommunikation etwas verändern, mehr online machen, um schnell reagieren zu können, zum Beispiel Videotreffen mit der Fraktion oder Ausschussmitgliedern. Die Fraktionssitzungen führen wir aber noch als Präsenzveranstaltung durch.
Apropos Kommunikation. Ihr Vorgänger war der Öffentlichkeit, also der Presse, ja nicht so zugewandt...
Wir haben das Referat für Öffentlichkeitsarbeit mit auf die Vorstandsebene gesetzt, das übernimmt Sarah Kramer.
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Kommen wir zu den Sachthemen. Sie waren lange ehrenamtlicher Rettungssanitäter. Wie wollen Sie die städtischen Finanzen retten?
Wir sind da auf einem guten Weg und haben es geschafft, den Sparkommissar abzuwenden. Jetzt schwebt natürlich das Damoklesschwert Corona über uns. Ich denke aber, dass wir das gemeinsam lösen. Es gibt das Gesetz zur Isolierung der Pandemie-Belastungen. Wir führen erste Gespräche mit dem Kämmerer, am 15. Dezember wird der Haushalt eingebracht. Oberstes Ziel muss es sein, die Handlungsfähigkeit der Kommune zu bewahren.
Die CDU hat zum ersten Mal in ihrer Geschichte das Bürgermeisteramt in Witten erobert, ist aber nur zweitstärkste Fraktion im Rat. Wie wollen Sie Ihrem Bürgermeister künftig die nötigen Mehrheiten beschaffen, zum Beispiel beim Haushalt?
Das betrifft ja nicht nur den Haushalt. Negativ gesehen sind wechselnde Mehrheiten ein Zeichen von Instabilität. Koalitionen mit eigener Mehrheit (wie die GroKo in der letzten Legislaturperiode, Anm.d.Red.) haben den Vorteil, dass die Vorschläge durchkommen. Wechselnde Mehrheiten bedeuten eine immerwährende Abstimmung und Verhandlungen. So kommen endlich mal inhaltliche Debatten zustande. Man muss mehr auf die gegenseitigen Standpunkte eingehen.
Drei Vize-Bürgermeister sind neu, davon besetzen neben SPD und CDU einen die Grünen. Deutet das nicht schon an, dass sich die drei großen Fraktionen bei den wichtigen Fragen künftig zusammentun?
Zusammentun nicht, austauschen sicher. Wir werden versuchen, durch eine ständige Diskussion einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es soll nicht um Parteiideologien gehen und gute Vorschläge nicht wie in der Vergangenheit nur deshalb abgelehnt werden, weil sie von der falschen Fraktion kamen. Das brachte die Stadt nicht wirklich weiter.
Wie wollen Sie die Stadt voranbringen?
Indem wir ein neues politisches Klima etablieren und dem anderen zuhören. Natürlich kommt auch den kleineren Fraktionen eine andere Rolle zu. In der Vergangenheit war es einfach, dagegen zu sein. Bei wechselnden Mehrheiten müssen sie sich einen ordentlichen Standpunkt einfallen lassen.
Sie wollen das Wahlprogramm der CDU in den nächsten fünf Jahren umsetzen. Was hat Priorität, was steht also ganz oben auf Ihrer Agenda?
Mobilität und Wirtschaft, wir haben ja auch den Vorsitz in den beiden Ausschüssen. Eine wichtige Frage wird sein, wie wir uns fortbewegen wollen. Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Klimaschutz, wie kriegen wir die einzelnen Planungen zusammen? Das betrifft die komplette Stadtentwicklung. Eine Hauptsäule ist das Radverkehrskonzept .
Sind sie für die autofreie oder autoarme Innenstadt?
Ja, ich bin dafür. Ein „Weiter so“, wie es auf den Leidemann -Plakaten stand, kann die Stadt nicht weiterbringen. Wir brauchen Strategien, auch Visionen.
Haben Sie welche?
Natürlich. Aber zuerst mal muss man den Bürgern, den Vereinen, den Unternehmern, den Ehrenamtlichen zuhören. Das kostet Zeit. Aber ich glaube, sie ist gut investiert.
Apropos Stadtentwicklung. Beim Kornmarkt hakt’s, der Kaufhof ist zu. Welche Rezepte haben Sie?
Auch da müssen wir zuhören, was die Menschen wollen. Die Wittener sollen wieder stolz auf ihre Stadt sein. Dafür gibt es viele Gründe. Wir haben eine Bergbaugeschichte, Unternehmen, die weltweit ihre Produkte verkaufen, eine anerkannte Uni und eine zentrale Lage im Ruhrgebiet, eine der wichtigsten Regionen Europas. Aus diesen Potenzialen müssen Alleinstellungsmerkmale entwickelt werden. Dazu gehört maßgeblich auch die Innenstadtentwicklung , wofür man alle Beteiligte ins Boot holen muss.
Sie sprachen von Visionen. Wo steht Witten in fünf Jahren?
Wir haben einen stabilen Haushalt, soziale Gerechtigkeit und eine Stadt, auf die ihre Bürger stolz sein können.
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