Witten. Noch weiß man nicht, ob Witten sie einführen will oder muss. Die Debatte über eine Bezahlkarte für Flüchtlinge hat aber längst vor Ort begonnen.
Die viel diskutierte Bezahlkarte für Flüchtlinge ist nun auch in der politischen Debatte in Witten angekommen. Die Union befürwortet sie, ebenso die FDP und „im Prinzip“ zumindest teilweise auch die SPD. Die Grünen hätten noch gar nicht darüber in der Fraktion diskutiert. sagt Fraktionschefin Liane Baumann (56), zumal es noch keine Ausführungsbestimmungen gebe. „Da verändert sich momentan ja alles Mögliche. Jetzt rudert das Ministerium ja wieder zurück“ - und es sei doch wieder von einer flächendeckenden Einführung die Rede. Die Wittener FDP übt unterdessen scharfe Kritik am Schlingerkurs von Schwarz-Grün.
„Ministerpräsident Wüst hat vor gar nicht langer Zeit die Bezahlkarten immer wieder mit markigen Sprüchen eingefordert. Nun aber „lässt er die Kommunen mit der Entscheidung und den Kosten allein im Regen stehen“, sagt FDP-Fraktionschef Jan Pohl (27). Die Liberalen wollen die Landesregierung deshalb in der nächsten Ratssitzung per Resolution dazu auffordern, „den Kommunen eine landesweite Lösung zur Verfügung zu stellen“. Das Land dürfe sich „bei der großen Herausforderung der Migration“ nicht heraushalten.
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Der Wittener CDU-Parteichef und Kreisvorsitzende Ulrich Oberste-Padtberg (56) ist froh, dass nun Bewegung in die Sache komme. 14 von 16 Bundesländern hätten sich auf ein Verfahren verständigt. Er betont, dass jeder Asylsuchende das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum habe. „Aber leider ist unser bisheriges Auszahlungssystem der staatlichen Sozialleistungen stark missbrauchsanfällig und setzt damit oftmals falsche Anreize“, so der Durchholzer. Deshalb sei die Bezahlkarte der richtige Weg. Damit wolle man vor allem illegale Geldtransfers ins Ausland verhindern.
Ein klares Nein kommt von Menschen, die nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wittener Flüchtlingshilfe aktiv sind. Lilo Dannert (72) vom Help-Kiosk hält die Bezahlkarte für diskriminierend, zumal sie nur regional begrenztes Einkaufen zulassen solle. „Ich kenne aber viele Afrikanerinnen, die zum Beispiel in einen bestimmten Laden nach Dortmund fahren, wo es spezielle Dinge gibt“, sagt die Grünen-Politikerin.
Es sei auch stigmatisierend, so Dannert, die Menschen gleich als Asylbewerber darzustellen, „statt als Menschen, die zu unserer Gesellschaft gehören“. Bei einer Einführung müsse den Betroffenen mindestens ein Drittel, „wenn nicht sogar die Hälfte“ als Taschengeld bleiben. Sonst könnten sie nicht einmal mehr Dinge des täglichen Bedarfs im Kiosk nebenan kaufen.
Auch Help-Kiosk-Mitarbeiterin Patricia Podolski (SPD) lehnt die Karte ab. „Angeblich soll sie den Anreiz dämpfen, nach Deutschland zu kommen. Dabei ist schon wissenschaftlich erwiesen, dass das nicht stimmt und Sozialleistungen kein sogenannter Pull-Faktor sind“, sagt die 40-Jährige. Ihr Fraktionsvize Christoph Malz (56) hat „im Prinzip“ nichts gegen die Bezahlkarte. „Das Problem ist, dass das Land wieder alles auf die Kommunen schieben will“, sagt der SPD-Ortsvereinschef aus Bommern. Seine Bedingung: „Es muss gewährleistet sein, dass die Versorgung nicht schlechter wird und dass es praktikabel ist.“
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Noch keinen klaren Kurs gibt es bei der Stadt. „Da die Einführung erst für den Herbst in NRW vorgesehen ist und viele Fragen noch unbeantwortet sind, gibt es keine konkreten Vorbereitungen“, sagt Sprecherin Lena Kücük. Bürgermeister König (53) habe für den 21. Februar einen Austausch aller kreisangehörigen Städte angeregt, im Rahmen der dann stattfindenden Hauptbeamtenverwaltungskonferenz. Gefragt, wie viele Bezahlkarten Witten im Falle des Falles denn einführen müsse, nennt Kücük eine Zahl von „mindestens 200“.