Witten. Beim Warnstreik der Busfahrer in Witten sind es die Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen oder abholen. Viele fänden Homeschooling sinnvoll.

Schon wieder wollen die Busfahrer und -fahrerinnen streiken. Zu wenig Gehalt und großer Personalmangel: Keiner hier mag den Arbeitskampf der Busfahrerinnen und Busfahrer kritisieren. „Aber dieser Streik wird auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen, den Schulkindern“, sagt eine Mutter. Wie viele Eltern wartet sie in ihrem Auto vor der Hardenstein-Gesamtschule, für viele ist es die zweite Fahrt an diesem Streiktag (15.2.) nach Vormholz. Immerhin: Ihre Kinder waren in der Schule, viele andere aber nicht.

„Wir waren in Englisch heute nur zu zweit“, sagt Franzi, der Rest ihres Kurses fehlte. „Die Hälfte der Klasse“, „nur wir sechs“ - solche Antworten bekommt man vor der Gesamtschule in Herbede zu hören. Genervt sind hier viele. Warum kann an einem solchen Streiktag nicht die Schule ausfallen? Das verbietet das NRW-Schulministerium. Die Eltern müssen sich darum kümmern, wie die Kinder zur Schule kommen.

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Auch in die Holzkamp-Gesamtschule ist nur die halbe Besetzung zum Unterricht gekommen. Ähnlich wie Hardenstein wird auch diese Schule von Kindern aus dem ganzen Stadtgebiet oder jenseits der Stadtgrenze besucht. Nicht alle Eltern konnten wegen ihrer Berufstätigkeit den Pendelverkehr von und zur Schule ermöglichen und entschuldigen ihr Kind bei der Klassenleitung. Auch vielen volljährigen Oberstufenschülern schien der Schulweg an diesem Tag nicht zumutbar.

Für Hybridunterricht fehlen die iPads

„Ich verstehe diesen Streik, aber er fuchst mich“, sagt Silke Baur-Pantoulier, Leiterin der Holzkampschule. „Wir haben gerade viel zu viele Unterbrechungen.“ Unterricht falle nicht nur krankheitsbedingt aus, sondern auch wegen der Bomben-Evakuierung oder schon beim ÖPNV-Warnstreik am 2. Februar. „Wir als Schule sind dann hilflos. Wir können nur die Unterrichtsmaterialien online hochladen.“ Ein Hybrid-Unterricht könne an der Holzkampschule wegen fehlender iPads nicht angeboten werden.

Müssen wegen des Busstreiks zu Fuß gehen: Sarah, Saskia und Rasha vor der Gesamtschule Hardenstein in Witten.
Müssen wegen des Busstreiks zu Fuß gehen: Sarah, Saskia und Rasha vor der Gesamtschule Hardenstein in Witten. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Aber nicht überall bleiben an diesem Donnerstag die Stuhlreihen leer. „Sechzig Prozent unserer Kinder kommen normalerweise mit dem Bus. Mich freut es sehr, dass gerade einmal drei Prozent der Schülerschaft heute fehlen. Es läuft sehr unkompliziert“, sagt etwa Erika Hoos, Leiterin der Helene-Lohmann-Realschule in Bommern.

Ähnlich sieht es am Ruhr-Gymnasium aus. Vize-Direktorin Kerstin Peters verzeichnet „keine erhöhten Abmeldungen“. Die meisten Kinder wurden per Elterntaxi gebracht. Einige wenige sind mit dem Rad oder zu Fuß gekommen. Dass fast jede Familie durch den Streik organisatorisch herausgefordert ist, sei aber klar.

Kinder müssen trotz Busstreik in die Schule

In NRW gilt auch bei einem Streik der Verkehrsbetriebe die Schulpflicht uneingeschränkt. Die Eltern müssen den Schulbesuch sicherstellen, etwa, indem sie ihr Kind mit dem Auto in die Schule bringen oder das Kind zu Fuß geht. „Ein Fernbleiben vom Unterricht gilt grundsätzlich nur bei Krankheit oder nicht vorhersehbaren zwingenden Gründen als entschuldigt“, heißt es auf der Homepage des NRW-Schulministeriums. Ein im Vorfeld angekündigter Streik des ÖPNV gelte nicht als „unvorhersehbarer Grund“, extreme Witterungsverhältnisse dagegen schon.

Fehlzeiten infolge des Busstreiks gelten nur dann als entschuldigt, wenn die Eltern der Schule gegenüber glaubhaft machen können, dass die Anreise ohne Bus für ihr Kind tatsächlich nicht möglich ist. Eltern müssen die Klassenleitung ihres Kindes entsprechend informieren.

Opa Hubertus Eichhorn zum Beispiel wurde für den familiären Fahrdienst eingespannt. Er holt seine Enkelkinder an der Hardensteinschule ab. Alternativ müssten die beiden 30 Minuten nach Durchholz laufen - eine Strecke ohne Bürgersteig. Eine Oberstufenschülerin kam nur zur Schule, weil ihre Freundin sie im Auto mitnehmen konnte. „Ganz ehrlich, bevor ich von Herbede aus hier hoch laufe, bleibe ich lieber zuhause“, sagt sie.

Daniela Meyer, eigentlich im Homeoffice, fährt gerade ihr Kind von Vormholz ins Hevener Zuhause. „Wir kämpfen ja alle nur für Recht und Gehalt“, sagt sie verständnisvoll, und biegt aus der Busspur, die an diesem Mittag wie ein Taxistand wirkt. All dieser Stress, dieser klimaschädliche Individualverkehr muss nicht sein. „Ich verstehe nicht, warum Schulen an solchen Tagen nicht auf Homeschooling umstellen können.“ Während Corona seien alle Kinder digital ausgestattet worden und „es hat sich doch gezeigt, dass das gut funktioniert“. Distanzunterricht hat das Schulministerium bei angekündigten Streiks jedoch untersagt.

Hinweis: Wir haben diesen Text erstmals beim letzten Busstreik am 15. Februar veröffentlicht und ihn nun aktualisiert.

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