Herten. Der Beruf Busfahrer ist stressig und schlecht bezahlt? Stimmt, sagt Dominik Wagner. Doch für ihn ist es sein „Traumjob“ - aber mit Uhr im Nacken.

Allein in NRW fehlen derzeit etwa 2000 Busfahrerinnen und Busfahrer, sagt der Verband Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO). Dessen Sprecherin Adriana Sakareli beklagt, „dem Job haftet immer noch ein negatives Image an.“ Doch sie glaubt, während Corona „haben doch alle gesehen“, Busse gehörten zur „kritischen Infrastruktur“, der Beruf Busfahrer sei „wichtig und wertvoll.“ Deshalb sollte Busfahrpersonal „mehr Wertschätzung entgegengebracht werden“, fordert Sakareli, auch aus der Bevölkerung.

Wie ist der Job als Busfahrer? Dominik Wagner, Busfahrer beim Nahverkehrsunternehmen Vestische Straßenbahnen im Kreis Recklinghausen, schildert seine Sicht auf seinen Job.

Der 47-Jährige sieht sich als „klassischer Quereinsteiger“. Ursprünglich war er Metallbauschlosser, führte dann mehrere Jahre zwei Trinkhallen, bis er eine neue Berufsperspektive suchte. Bei der Arbeitsagentur dann habe der Berater ihn gefragt: „Können Sie sich vorstellen, Busfahrer zu werden?“, erinnert sich Wagner. Er konnte. Und er sagt heute: „Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“ Doch der Job hat auch Schattenseiten. Hier ist Wagners Bericht:

„Ich bin seit elf Jahren Busfahrer bei den Vestischen am Betriebshof Herten. Ich wollte heimatnah arbeiten, nach den Jahren als Trinkhallenbetreiber wieder regelmäßig Geld verdienen und ich wollte Planungssicherheit haben. Das habe ich bei der Vestischen verwirklicht.“

Berufsbild Busfahrer: Arbeitsbeginn kann täglich wechseln

„Beim Arbeitsamt hatte ich keine Vorstellung vom Berufsbild, war aber auch nicht im Vorhinein abgeschreckt, wie heute so manche. Der Job ist sicher nicht jedermanns Sache. Es ist von Vorteil, wenn man ein genauer Mensch ist. Denn man führt ein Leben nach Fahrplan. Das muss man schon wollen… Man arbeitet in einem Schichtplan, der jeden Tag anders aussehen kann. Es kann passieren, dass ich in einer Woche montags um 3.35 Uhr anfange, dienstags um 8 Uhr, mittwochs um 4.15 Uhr, donnerstags um 17 Uhr und am Freitag dann um 9.35 Uhr. Erzählen Sie dem Körper mal, er soll da in den Schlaf finden! In solch einer Woche versuche ich jeden Tag zur möglichst gleichen Zeit aufzustehen. Meist aber arbeite ich inzwischen in der Mittelschicht, also ab Mittag, da brauche ich morgens keinen Wecker zu stellen. Dafür dauert dann die Arbeit bis in den Abend und auch mal bis in die Nacht."

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Auf Linien-Fahrt falsch abgebogen? "Das ist mir auch schon passiert"

"Es kann sein, dass man während einer Schicht sechsmal die Linie wechselt. Da ist mir auch schon passiert, dass ich falsch abgebogen bin, weil ich auf dem Weg an eine Kreuzung kam, an der sich mehrere Linien treffen und dann den Linienweg verwechselt habe. Dann kommt es drauf an, dass man aus der Situation das Beste macht. Mal eben den Bus wenden, geht nicht…“

Busfahrer im Liniendienst: Nicht nur Lenken muss man können

„Die Vestische bedient 118 Buslinien in einem der flächenmäßig größten Bedienungsgebiete bundesweit mit fast 1000 Quadratkilometern. Das Einsatzgebiet als Busfahrer ist auf die zwei Betriebshöfe verteilt. Ich bin von Herten aus im Einsatz und fahre Linien im Gebiet Recklinghausen, Castrop-Rauxel, Wanne-Eickel, Herten, Marl bis Dortmund-Mengede. Die Linienwege habe ich im Kopf.

Die ersten zwei Wochen im Betrieb begannen mit der Tarifausbildung; damit man klarkommt, mit Tickets und Tarifzone, und den Fahrgästen später zuverlässig Auskunft geben kann. Danach standen sechs Wochen Lehrfahrten im Linienverkehr an. In der Zeit ist immer ein Lehrfahrer dabei. Das ist dann schon voll im Linienbetrieb. Anfangs fuhr der Lehrfahrer selbst, dann hieß es auf einmal: ‚So, jetzt mach Du mal‘.“

Stressjob mit der Uhr im Nacken

„Am anstrengendsten sind für mich Frühschichten, bei denen ich durch mindestens eine Verkehrsspitze muss. Dann bin ich am Mittag platt, weil ich unter Umständen bereits um 2.45 Uhr aufgestanden bin. Man muss im Verkehr vorausschauend fahren, also immer sehr aufmerksam sein, natürlich auch beim Blick nach hinten in den Bus, und man muss mit Fahrgästen kommunizieren können. Dabei muss ich die Uhr im Auge behalten, die sitzt einem immer ‚im Nacken‘.

Die Regel-Arbeitszeit ist 7,8 Stunden, kann aber auch mal 9 Stunden dauern. Wie andere Verkehrsunternehmen auch haben wir gerade einen lange anhaltenden und ungewöhnlich hohen Krankenstand. In der Art hat es das noch nicht gegeben, zuletzt waren 150 der insgesamt etwa 750 Fahrer erkrankt. Das bedeutet Überstunden für die übrigen, damit der Fahrplan aufrechterhalten werden kann.“

Alleine am Steuer und dem Frust von Fahrgästen ausgesetzt

„Ob ich den Job bis zur Rente schaffe, weiß ich nicht. Nicht jeder schafft das. Manche schreibt der Betriebsarzt dann Fahrdienstuntauglich. Dann wird versucht, dem Mitarbeiter im Betrieb eine andere Tätigkeit zu verschaffen.

Wenn mir jemand vorhält, das sei ein ‚Scheiß-Job‘ und derjenige arbeitet z.B. auf dem Bau, dann entgegne ich. „Ich sitze immer im Trockenen bei der Arbeit – und ich bleibe sauber dabei…“

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Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert in den zwölf Jahren, in denen ich Busfahrer bin: Verbale Angriffe werden mehr, Leute laden ihren Frust bei uns Busfahrern ab, die Hemmschwelle ist gesunken. Bei manchen wird die Frage nach dem Fahrschein schon als Angriff gewertet; da haben mir Leute auch schon Schläge und anderes angedroht.“

Der Spaß am großen ‚Auto‘

„Als ich das erste Mal auf dem Betriebshof am Steuer eines Gelenk-Busses saß und in den Innenspiegel blickte, dachte ich: Boah, ist der lang!‘ Bei der Führerscheinausbildung habe ich auf einem Reisebus gelernt, der nicht so lang ist.“

Bezahlung nach Tarif – „aber es ist zu wenig Geld“

„Was ich kritisiere an der Arbeit: Es gibt zu wenig Geld! Wer bei einem Verkehrsunternehmen in NRW als Busfahrer beginnt, startet für die ersten sechs Monate der Probezeit in der Lohnstufe 4.1 und verdient 2575 Euro brutto im Monat. Danach kommt man in Lohnstufe 5.1 mit 2646 Euro brutto, plus Zuschläge etwa für Wochenend- oder Spätschicht. Daran kann das einzelne Verkehrsunternehmen aber nichts ändern, mehr gibt der Tarifvertrag zurzeit nicht her.

Nachtrag: Das Gespräch mit Dominik Wagner war vor der Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst geführt worden. Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich inzwischen auf einen "historischen" Tarifanstieg für Beschäftigte im öffentlichen Dienst geeinigt. Das wirkt sich auch auf die Gehälter von Busfahr-Personal bei Nahverkehrsunternehmen aus. Die oben genannte Lohnstufe 4.1 erhöht sich auf 2928 Euro, in der Lohnstufe 5.1 verdienen Busfahrer durch die Tarifeinigung künftig 3002 Euro pro Monat. In der höchsten Entgeltstufe sind es 3718 Euro. Mehr Infos hier.

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Als Alleinstehender komme ich mit meinem Einkommen klar, doch die hohe Inflation und die stark gestiegenen Preise für die Lebenshaltung hauen schon rein: Das Geld reicht nicht mehr zum Leben! Ich kenne Kollegen, die sind jung verheiratet, mit kleinem Kind, die Frau kann derzeit nicht arbeiten und die Familie muss trotz Vollzeitjob als Busfahrer dennoch zum Amt fürs Wohngeld. Denn die Kosten fürs Auto etwa kann man sich leider nicht sparen, weil man mit Bus und Bahn allein nicht zum Betriebshof kommt. Der früheste Dienst bei uns beginnt um 3.30 Uhr, die späteste Schicht endet um 1.43 Uhr.“

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