Witten. Die Holzkamp-Gesamtschule in Witten wird erstmals von einer Frau geleitet. Silke Baur-Pantoulier setzt auf Digitalisierung – und hat mehr vor.
Mit knapp 1200 Schülern und 115 Lehrkräften ist die Holzkamp-Gesamtschule Wittens größte Schule. Seit gut zwei Wochen wird sie erstmals von einer Frau geleitet. Silke Baur-Pantoulier (55) will vor allem die Gemeinschaft stärken, den Unterricht digitaler machen und eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Fast als erste Amtshandlung hat sie deswegen einen vier Meter hohen Weihnachtsbaum besorgt, der nun im Foyer aufgestellt und von den Kindern geschmückt wird. Ein Interview.
Frau Baur-Pantoulier, bis vor wenigen Wochen waren sie noch als didaktische Leitung in einer Gesamtschule in Schwerte tätig. Warum haben Sie sich entschieden, an die HGE und nach Witten zu gehen?
Baur-Pantoulier: Ich bin zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Denn an der Holzkampschule und am Albert-Martmöller-Gymnasium habe ich in den 90er Jahren mein Referendariat absolviert. Die Affinität zu Witten ist geblieben. Ich lebe mit meinem Mann und unserem Hund an der Stadtgrenze zu Rüdinghausen in Dortmund-Persebeck.
Wenn Sie ein geteiltes Referat an einer Gesamtschule und einem Gymnasium gemacht haben, warum haben Sie sich für das System Gesamtschule entschieden?
Das ist die eigene Vita. Ich war selbst Spätzünderin und wurde nach der Grundschule auf die Realschule geschickt, bin später zum Gymnasium. Letztlich habe ich Physik und Chemie studiert und in Chemie promoviert. Ich habe früh erlebt, wie es ist, sortiert zu werden, und bin froh, dass in der Gesamtschule Heterogenität gelebt wird. Ich freue mich auch bei jeder Abschlussfeier, sei es für das Abitur oder den 10er-Abschluss, wenn ich sehe, welche Kinder es geschafft haben, einen guten Abschluss zu machen. Anders gesagt: Wir schaffen es immer, ganz schön viele Kinder weit zu bringen. Selbst die, bei denen man an der Grundschule den Daumen gesenkt hat.
Die Bezirksregierung Arnsberg hat in der Stellenausschreibung für Witten einen Schwerpunkt auf die digitale Transformation gelegt. Was heißt das für die HGE?
Wir möchten ab Sommer gern in der EF (Anm.: die elften Klassen) komplett mit iPads unterrichten. Bislang bringen zwar viele Schüler ihre Geräte mit, sie werden aber nicht wirklich als Unterrichtsmittel vorausgesetzt. Das heißt, die Geräte werden künftig in ein geschlossenes Betriebssystem integriert und können von der Lehrkraft gesteuert werden. In den Folgejahren werden dann die anderen Jahrgänge integriert.
Der iPad-Unterricht wird ja nicht nur positiv wahrgenommen, aber Sie sind überzeugt davon?
Tatsächlich ist das digitale Lehren nicht immer so easy. Es sollte schon einen Mehrwert haben, die Geräte zu nutzen. In Schwerte haben wir ab Klasse 5 digital unterrichtet, viele machen es erst ab Klasse 7. Aber so weit sind wir hier noch nicht. Das müssen wir als Schule gemeinsam diskutieren und werden uns auch in einem Netzwerk mit anderen Gesamtschulen dabei austauschen.
Die Holzkamp-Gesamtschule wird alljährlich von Anmeldungen geflutet. Nun ist mit der Otto-Schott-Gesamtschule eine dritte Gesamtschule in Witten an den Start gegangen. Das hat Auswirkungen.
Es darf nicht passieren, dass Gesamtschulen in Konkurrenz zueinanderstehen. Mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit Eltern, Schülern und Lehrern einen Leitbildprozess angehen und eine Vision für unsere Schule entwickeln. Jede Schule sollte ein Erkennungsmerkmal haben. Mir ist auch wichtig, dass sich die Schüler bei uns wohlfühlen, dass sie ein sicheres Gefühl haben und die Schule als Ort empfinden, wo man gut sein kann. Im Moment laufe ich durch die Klassen und bitte die Schüler um ihre Meinung. Es gibt viele Ideen: wie man den Ganztag neu gestalten kann und die Mittagspause. Die Schule platzt auch aus allen Nähten, wir brauchen zum Beispiel dringend eine größere Mensa.
Ihren Vorgänger Michael Günzel plagten auch andere Probleme: Nach jahrelangen Vandalismus-Vorfällen forderte er eine Videoüberwachung des Schulgeländes nach Schulschluss und an den Wochenenden. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Bei einer Videoüberwachung sehe ich Datenschutzprobleme. Aber ehrlich gesagt irritiert mich die Offenheit des Schulhofs zur Holzkampstraße hin. Das habe ich so vorher noch nie gesehen. Darüber möchte ich mit der Stadt in Ruhe sprechen. Ich glaube, Schüler brauchen eine optische Trennung wie einen Zaun. Der bietet eine Grenze, aber auch Sicherheit.
Michael Günzel nun im Ruhestand
Der Herbeder Michael Günzel hatte die Holzkampstraße ab 2014 geleitet und ist zum Sommer mit 65 Jahren in den Ruhestand gegangen. Zuvor hatte sieben Jahre lang Rolf Zinnhardt die Schule als Stellvertreter des zunächst erkrankten, dann verstorbenen Schulleiters Dietmar Kurz geführt.
Silke Baur-Pantoulier hat zuerst als Physik- und Chemielehrerin an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Langendreer unterrichtet. Deren Schulleiter Klaus Wiegand (der SPD-Ratsherr aus Bommern) hat sie gefördert und für das Thema Schulentwicklung begeistern können. Nach elf Jahren wechselte sie zur Städtischen Gesamtschule Gänsewinkel in Schwerte als didaktische Leiterin. Dort hat sie intensiv die digitale Transformation begleitet. Am 4. November 2022 begann ein neuer Lebensabschnitt als Schulleiterin der Holzkamp-Gesamtschule.