Witten. Kinder und Jugendliche haben mit Corona-Folgen zu kämpfen. Das Jugendamt Witten bietet Hilfen an, steckt aber in finanziellen Engpässen.

Nach und nach verschwinden die Corona-Maßnahmen. Die Pandemie hat kaum noch Einfluss auf den Alltag der Menschen. Doch sie hat Spuren hinterlassen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Das belegen Daten des Wittener Jugendamtes, das zugleich mit steigenden Kosten zu kämpfen hat.

Jugendamt in Witten hat die Hilfen für Familien deutlich ausgebaut

„Die Zahl der Hilfen, die wir zusammen mit Sozialverbänden und beauftragten Trägern für Familien auf unterschiedliche Weise anbieten, ist deutlich gestiegen“, sagt Leiterin Corinna Lenhardt. Ob es sich um niederschwellige Angebote handele, wie beispielsweise Beratungsgespräche und Eltern-Kind-Treffen oder auch die sozialpädagogische Familienhilfe, die eine längerfristige Begleitung vorsieht – überall zeige die Entwicklungskurve nach oben. Rechnet man alle Fälle an Unterstützungen zusammen, waren es vor Corona, also 2019, noch rund 1100, im vergangenen Jahr dann schon rund 1300.

Konzept der Familienhilfe

Bei der sozialpädagogischen Familienhilfe, die das Jugendamt organisiert, begleiten Fachkräfte Eltern und Kinder über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten.

Währenddessen legen die Beteiligten gemeinsam Ziele fest, die sie erreichen wollen, wie beispielsweise den Umgang miteinander verbessern, Tagesabläufe zugunsten aller verändern oder auch die Aufgaben im Haushalt neu verteilen.

Um die Ausgaben für die Erziehungshilfen besser im Auge behalten zu können, will die Stadt eine zusätzliche Fachkraft einstellen.

Kinder und Jugendliche haben, wie Lenhardt erklärt, in den vergangenen Jahren enorm gelitten. Denn es blieben nicht nur Kitas und Schulen, sondern auch Jugendtreffs geschlossen. Darüber hinaus waren private Kontakte über lange Zeit erheblich eingeschränkt. Die Belastungen, mit denen die junge Generation zu kämpfen hatte, wirkten sich zwangsläufig auf die Familie aus, betont die Jugendamtsleiterin.

Seit einiger Zeit zeige sich zunehmend die Tendenz, dass manche Eltern mit Erziehungsfragen entweder komplett überfordert seien oder sehr schnell an ihre Grenzen geraten, sagt Nina Brons, im Jugendamt für „Hilfen zur Erziehung“ zuständig. Vielfach fühlen sich Eltern unsicher, wissen nicht, wie sie mit den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder umgehen sollen, so Brons.

Heranwachsende fühlen sich jetzt erst recht nicht mehr verstanden

Corona hat Spuren hinterlassen, sagen Jugendamtsleiterin Corinna Lenhardt (li.) und Nina Brons, zuständig für Erziehungshilfen:
Corona hat Spuren hinterlassen, sagen Jugendamtsleiterin Corinna Lenhardt (li.) und Nina Brons, zuständig für Erziehungshilfen: © Rainer Raffalski

Mit dem Beginn der Pandemie gerieten Eltern erst recht in Bedrängnis und hatten noch mehr Probleme mit ihren Kindern, wie die Erfahrungen des Jugendamtes zeigen. Die Heranwachsenden gewannen den Eindruck, überhaupt nicht verstanden zu werden. Entsprechend erhöhte sich der Bedarf an Beratung – und der Druck halte weiterhin an.

Das gestiegene Maß an Hilfen heißt aber auch, den städtischen Haushalt zu strapazieren, so Corinna Lenhardt. Für das Jahr 2022 musste die Stadt 1,8 Millionen Euro zusätzlich aufbringen, um den deutlich gewachsenen Aufwand zu finanzieren, der sich insbesondere durch eine längerfristige und intensive Betreuung von Familien ergab.

Zugleich hat das Jugendamt aber von der Gemeindeprüfungsanstalt die Empfehlung bekommen, das Controlling für seine Ausgaben zu erweitern und wenn eben möglich, sie zu verringern. Denn Witten habe im Vergleich zu Städten ähnlicher Größenordnung recht hohe Kosten, erklärten die Prüfer. In dem Zeitraum, den sie untersuchten, 2017 bis 2020, machten sie einen Anstieg von rund 25 Prozent aus. Erklärtes Ziel sei es jetzt, die Ausgaben noch genauer unter die Lupe zu nehmen, betonen Corinna Lenhardt und Nina Brons, auch wenn die Anforderungen an das Jugendamt eher mehr als weniger werden.

Berücksichtigen müsse man allerdings, dass Witten mit zwölf Prozent einen vergleichsweise hohen Anteil an Haushalten aufweise, die Sozialleistungen beziehen, darunter auch viele Alleinerziehende. Statistiken zufolge sei der Unterstützungsbedarf in solchen Familien recht hoch. Deshalb habe Witten durchaus schon entsprechende Vorsorge mit Projekten getroffen, die die Kostenentwicklung eindämmen sollen.

Dazu zählen unter anderem „frühe Hilfen“. Damit sind beispielsweise Willkommensbesuche des Jugendamtes von Familien mit Neugeborenen gemeint, um Eltern über die vielfältigen Angebote des Amtes zu informieren und zugleich einen Kontakt zu ihnen aufzubauen. Das Programm umfasst darüber hinaus Kurse, Schulungen und Gesprächsabende.

Falls sich aber zeige, dass Familien noch deutlich mehr und umfassender Begleitung brauchen, um im Alltag zurechtzukommen, „dann greifen wir auf Konzepte wie die sozialpädagogische Familienhilfe zurück, die allerdings aufwendiger sind“, erklärt Lenhardt. Den Handlungsbedarf erkenne das Jugendamt zum Teil von sich aus. Es könne aber auch sein, dass der Anstoß von Kitas oder Schulsozialarbeitern komme. „Wir erleben es aber immer häufiger, dass Familien von sich aus den ersten Schritt gehen und uns direkt ansprechen“, betont die Jugendamtsleiterin.