Witten. Die „Alte Tür“ in Witten sucht einen neuen Pächter. Vielleicht wird’s dann ja doch noch was mit dem 150. Warum der bisherige Wirt so traurig ist.

„Gaststätte zu verpachten.“ Das selbst gemalte Schild hängt unten im Fenster des so idyllisch zwischen Wiesen und Wäldern gelegenen Hauses – am Anfang der Berghauser Straße, bevor man den steilen Berg ins Muttental hinunterfährt. Auf der Treppe im Eingang „Zur alten Tür“ sitzt ein Mann in den Sechzigern mit einer Katze auf dem Schoß. Allein vor der leeren Kneipe, durchaus ein Bild mit Symbolwert. Denn genauso fühlt sich Günter Woesthoff: traurig und vielleicht auch etwas verlassen.

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Nachdem hier so viele Jahre das halbe Dorf vorbeigekommen ist, hat er das Lokal „Zur Alten Tür“ am Rande des Vormholzer Waldes am 17. Dezember letzten Jahres endgültig geschlossen. „Mir sind gleich beide Bedienungen weggebrochen“, sagt der (Ex)-Wirt, der stets in der Küche stand. „Und neues Personal war nicht zu kriegen.“

Deshalb hat er die „Alte Tür“ damals, eine Woche vor Weihnachten, zugemacht, schweren Herzens. Seine Kellnerin Birgit hatte sich den Arm gebrochen. „Eigentlich wollte ich noch mindestens zwei Jahre weitermachen“, sagt Woesthoff, der das Lokal seit elf Jahren allein führte, in vierter Generation, wie er sagt.

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Vor ihm war sein Bruder Gustav, ein gelernter Koch, der Chef. Als der mit 58 plötzlich starb, musste Günter, der bis dahin schon die Kuchen backte und am Tresen stand, nun auch die Schnitzel braten. Mitgeholfen hat er ja schon immer. „Dann brauchste nicht mehr nache Fabrik zu gehen“, sagte seine Mutter einst.

Der Gasthof liegt am Anfang der Berghauser Straße, dem Tor ins Muttental.
Der Gasthof liegt am Anfang der Berghauser Straße, dem Tor ins Muttental. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Günter Woesthoff ist hier aufgewachsen. Es war ein Familienbetrieb, den die Brüder 1978 von ihren Eltern übernommen hatten. Der Vater starb früh, Mutter Hannelore wurde alt und unterhielt noch hoch in den Achtzigern die Gäste. 148 Jahre hat die „Alte Tür“ gehalten, ein Gasthof, den der Uropa gegründet hat. „Kühe gab es damals, auch Gänse, Hühner und Schweine. Das waren Selbstversorger, die Wirtschaft lief nur nebenbei. Die Gäste kamen auf ein Bier oder einen Schnaps vorbei, dazu gab’s selbst gemachte Butterbrote“, heißt es in einem früheren WAZ-Bericht.

Drinnen sieht noch alles so aus wie früher

Alles noch da, aber gezapft wird nicht mehr: Günter Woesthoff hinter dem rustikalen Tresen der Gaststätte „Zur Alten Tür“.
Alles noch da, aber gezapft wird nicht mehr: Günter Woesthoff hinter dem rustikalen Tresen der Gaststätte „Zur Alten Tür“. © Jürgen Augstein

Drinnen sieht noch alles so rustikal aus wie früher. Die braune Holzdecke, der alte Fliesenboden, die Tische für vier Personen, im großen Saal liegen sogar noch rote Deckchen, die runden Lampen überm Tresen, die alten Biergläser in den Hängeschränken, alles noch da. Eigentlich möchte man gleich ein kühles Blondes bestellen. Stauder, Krombacher und Diebels Alt hatte Woesthoff im Ausschank. Und die Speisekarte liegt sogar noch griffbereit.

„Manchmal gingen 15 Essen gleichzeitig raus“, erinnert sich der ledige Herbeder, der als Kind einen schweren Fahrradunfall hatte und mehrmals operiert werden musste. Die Karte ist natürlich gutbürgerlich, mit Schnitzel „Förster Art“ für den großen und Bockwurst und Kartoffelsalat für den kleinen Hunger. Unter den „Knusper Schnitzeln“ findet sich noch ein Gericht namens „Alte Tür“, mit „Röstzwiebeln und kleinem Salat“. „Ich hab alles gemacht, sogar Wild“, sagt der ehemalige Gastwirt. „Am besten liefen Steaks und Schnitzel.“ Und sie kamen ja alle, die Jäger, der Oldtimer-Stammtisch, der Hundeverein, die Feuerwehr. Geburtstage, Silberhochzeiten, da ging es manchmal hoch her. „Einmal bis morgens früh um zehn.“.

Früher kamen die Bergleute der Wittener Kleinzechen auf ein Bier und Schnaps vorbei

Die Gaststätte war immer im Familienbesitz: Günter Woesthoff im Jahre 2010 mit seiner Mutter Hannelore. Sie starb vor drei Jahren, mit über 90
Die Gaststätte war immer im Familienbesitz: Günter Woesthoff im Jahre 2010 mit seiner Mutter Hannelore. Sie starb vor drei Jahren, mit über 90 © Funke Foto Services | Horst Müller

Ganz früher kamen noch die Bergleute der benachbarten Kleinzechen auf einen Pils oder Schnaps vorbei. Eine richtige Speisekarte hielt erst später Einzug, als die Eltern den Betrieb übernahmen. In den besten Zeiten waren sie manchmal zu viert, zu fünft oder sechst, „drei Mann in der Küche und drei Leuten hier vorne“, erinnert sich Woesthoff. Das Lokal liege ja direkt am Muttental-Wanderweg. Und eine Kegelbahn gibt es auch.

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Ob sich nun ein neuer Pächter findet? Der 64-Jährige ist selbst skeptisch. „Mir tut das alles so leid und dann rufen auch noch so Leute an, die gar keine Ahnung haben“, sagt er traurig. Günter Woesthoff nimmt an diesem Sommerabend einen letzten Schluck aus seiner Warsteiner-Flasche. Die Katze hat es sich mittlerweile im Flur bequem gemacht. „Miezi ist mir irgendwann zugelaufen.“ So bleibt der frühere Wirt der „Alten Tür“ jedenfalls nicht ganz allein zurück.

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