Witten. Zwei Jahre nach Einführung des Rats-TV ist schon wieder Sendeschluss. Aber liegt es wirklich nur am Geld, warum Witten jetzt den Stecker zieht?

Ein Straßenfeger war es nie, das Wittener Rats-TV, das die Sitzungen des Stadtparlaments seit dem 13. September 2021 live im Internet überträgt. Nun hat sich der Rat mehrheitlich dafür entschieden, es wieder abzuschaffen – angeblich wegen der schlechten Einschaltquoten und der zu hohen Kosten angesichts der angespannten Haushaltslage. Beobachter sehen die wahren Gründe ganz woanders.

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Tatsächlich geht es nach Informationen der WAZ eher darum, der AfD keine unnötige Bühne in den sozialen Medien geben zu wollen – und zu vermeiden, dass ihr Fraktionschef Matthias Renkel nur deshalb so oft ans Mikro geht, weil die Kamera mitläuft. Diese Auftritte beziehungsweise Redebeiträge sind dann später bei Facebook oder Youtube zu sehen.

Wittener AfD-Politiker Renkel nutzt Rats-TV für soziale Medien

Renkel selbst machte in der Debatte gar keinen Hehl daraus, diese Videos offensiv für seine Zwecke zu nutzen, Videos, die „teilweise 50.000 Aufrufe“ hätten. Doch „völlig unabhängig davon, ob wir diese Bilder selbst nutzen oder nachfilmen“, so Renkel, werde es im Rat nach der nächsten Kommunalwahl „noch deutlich unbequemer, wenn unsere Fraktion noch stärker wird“. Ob mit Rats-TV oder ohne – „wir werden weiter unbequeme Fragen stellen“.

Den Antrag der FDP, den Livestream abzuschalten, nannte er im Zeitalter der Digitalisierung „lächerlich“. „Wovor haben Sie eigentlich Angst?“ fragte Renkel die Freidemokraten. Sie wollten doch nur verhindern, „dass wir unsere Meinungen aus dem Rat nach außen bringen“.

Es war Eckhard Hülshoff vom Bürgerforum +, der direkt auf den Rechtspopulisten antwortete. Er sagte, dass auf eine von Renkel verlinkte Rede in den sozialen Medien mit „zwölf Likes und einem Herzchen“ reagiert worden sei, wobei ein „Like“ noch von der AfD-Kreistagsfraktion stamme. Hülshoff ironisch: „Angst bekomme ich da nicht.“

Befürworter argumentieren mit Transparenz

Die Befürworter des Rats-TV, für das sich im Vorfeld vor allem die Piraten stark gemacht hatten, argumentierten mit Transparenz. „Damit die Bürger sehen können, wer sich in den Sitzungen eigentlich beteiligt und sich ein Urteil bilden können“, so Oliver Kalusch von der Linkspartei. Er habe „herzlich wenig“ von der FDP gesehen, die nun nach dem Motto verfahre: „Wenn wir schon nichts tun, soll es auch keiner sehen.“

Das wollte deren Vize-Fraktionschef Steffen Fröhlich nicht auf den Liberalen sitzen lassen. Die eigentliche Arbeit finde in den Ausschüssen statt, sagte er, „dann müssten die auch übertragen werden“. Beim Rats-TV stünden Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis. Eine Übertragung kostet pro Sitzung rund 2000 Euro, weniger als 1000 Menschen schalten ein und das für keine halbe Stunde.

Piraten wollen Rats-TV unbedingt weiterführen

Detlef Steinert von den Piraten plädierte dafür, das Rats-TV „unbedingt weiterzuführen“. Seiner Ansicht nach spielt es gar keine Rolle, „wie viele das sehen“. Es gehe nur darum, dass „Bürger sehen können, was ihre Volksvertreter da tun“. Er erinnerte auch an die Corona-Zeit. „Ich habe selbst mit meiner Frau auf der Couch gesehen und zugeguckt.“

FDP-Fraktionschef Jan Pohl begründete den Antrag seiner Partei damit, dass das Rats-TV nicht die erwünschte Wirkung erzielt habe. Und in Zeiten leerer Kassen gehöre alles auf den Prüfstand. Pohl sprach davon, das Rats-Fernsehen zunächst „vorerst abschaffen“ zu wollen. Knapp 64 Prozent stimmten dafür.

Das Schlusswort gehört Rene Adiyaman von den Grünen. Er sprach von der „falschen Debatte“. Statt über die Abschaffung zu reden, sollte sich der Rat lieber fragen, „was wir dafür tun können, damit sich die Leute interessieren“. Erst wenn man das „beste Rats-TV“ habe, könne man über dessen Abschaffung reden.

Bürgermeister im Rats-TV: Lars König leitet die Sitzungen des Wittener Stadtparlaments.
Bürgermeister im Rats-TV: Lars König leitet die Sitzungen des Wittener Stadtparlaments. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch