Witten. Ein Jahr nach dem Hackerangriff geht die Digitalisierung vieler Dienstleistungen der Stadtverwaltung voran. Dafür gibt es jetzt einen Fachmann.
Der Hackerangriff auf die Stadtverwaltung Witten ist bald ein Jahr her. Technisch, also was IT-Sicherheit und -Struktur angeht, sieht sich die Behörde „inzwischen besser aufgestellt als wir es im Oktober 2021 waren“. Deutlich über 90 Prozent der Folgeschäden seien behoben. „Wir sind wieder voll umfänglich arbeitsfähig.“ Das sagt Maximilian Korzen, der neue städtische Digitalisierungsbeauftragte. Er will dafür sorgen, dass Witten in Sachen Online-Dienstleistungen bald einen großen Schritt nach vorn macht.
Erinnern wir uns: Im Kommunalwahlkampf 2020 sprach man sogar von einem neuen Dezernat für Digitales. Nun leistet sich Witten einen „Chief Digital Officer“. Große Städte wie Bochum oder Dortmund beschäftigen schon längst solche Spezialisten. Für ein Mittelzentrum wie Witten mit knapp 100.000 Einwohnern ist so eine Stelle aber durchaus etwas Besonderes.
Dienstleistungen digital ummünzen
Korzen hatte sich schon bei der Stadtverwaltung in Willich als Experte für softwaregestütztes Prozessmanagement empfohlen. Er bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle in Witten, weil ihn „Verwaltungsdigitalisierung fasziniert“, so der 32-Jährige.
Seine Stelle ist dem Büro des Bürgermeisters zugeordnet. In der freien Wirtschaft würde der Sozialwissenschaftler mit Spezialisierung auf IT wahrscheinlich mehr verdienen können. Warum entscheidet man sich dann für eine Behörde? Weil die Arbeit dem gesellschaftlichen Nutzen diene. „Zwischen den Kommunen gibt es kein Konkurrenzdenken. Das habe ich sehr zu schätzen gelernt“, sagt der neue Mann.
Sechs Schulen in Witten bekommen ein iPad für jedes KindSo soll er in den nächsten Jahren wie eine Art Trüffelschwein Dienstleistungen aufspüren, die man auch online anbieten könnte. Wie das gehen kann, zeigen bereits das Buchungsportal für Sperrmülltermine oder Bewohnerparkausweise.
300 Dienstleistungen bietet die Stadtverwaltung an. Für viele davon könnte man sich den Gang ins Rathaus aber sparen. Nicht für jedes Alltagsproblem aber lohnt sich der technische Aufwand, eine Online-Anwendung aufzusetzen. „Entscheidend sind die Fallzahlen. Dinge, die oft angefragt werden und die standardisiert ablaufen, kann man digital ummünzen“, sagt Bürgermeister Lars König.
Digitalisierung spart auch Arbeitsplätze
Mehr Online-Dienstleistungen fänden nicht nur viele Menschen komfortabler. Die Verwaltungsspitze will damit dem Fachkräftemangel entgegenwirken. „In unserer alternden Gesellschaft wird es immer schwieriger, Arbeitsplätze zu besetzen“, so König. Das Rathaus müsse nicht nur modern aussehen, sondern es auch inhaltlich sein. „Für die zukünftige Entwicklung Wittens ist das Digitale entscheidend“, glaubt der Bürgermeister.
Verwaltung arbeitet papierfrei
Schon seit 2013 arbeitet die Wittener Verwaltung weitestgehend papierfrei. Die anderen Kommunen des EN-Kreises übernahmen 2018 das digitale Aktensystem Wittens. Dokumente können auch zwischen den Städten schnell und unkompliziert ausgetauscht werden. So werden Papierkosten und Personal gespart.
Seitdem können Anträge schneller bearbeitet werden, weil sich Sachbearbeiter nicht mehr durch meterlange Ordner-Regale kämpfen müssen.
Wie gut ist die Wittener Stadtverwaltung denn bereits digital aufgestellt? „In einer Kommune ist natürlich generell viel Luft nach oben“, sagt Max Korzen diplomatisch. Im Vergleich aber schneide Witten besser ab als andere. Schließlich war die Ruhrstadt eine Modellkommune bei der Einführung der E-Akte, die mittlerweile flächendeckend genutzt werde. Und: Mit dem Bezug des sanierten Südflügels im Rathaus wurden Arbeitsplätze räumlich und digital verändert.
Traum von einer Smart City
Neue Anmelde-Terminals im Wittener Rathaus sind in BetriebAktuell beschäftigt sich Max Korzen mit der Umsetzung des eher drögen „Onlinezugangsgesetzes“. Langfristig träumt er von einer „Smart City“: Die Steuerung der Straßenbeleuchtung oder der Entwässerung mittels Sensortechnik, die elektronische Erfassung von Parkplätzen – all das könnte bald mehr als Zukunftsmusik sein.