Witten. Witten hat den bislang wärmsten Tag des Jahres überstanden. Wir haben geschwitzt und gestöhnt, aber auch angenehme Momente genossen.
Im Schatten geht ein leichter, ganz warmer Wind – wie am Mittelmeer! In der Sonne ist es aber kaum auszuhalten. Der bisher heißeste Tag des Jahres hat Witten fest im Griff.
Die Innenstadt ist mittags wie gelähmt, dafür ist im Freibad am späten Vormittag schon ordentlich was los. Und es wird immer wärmer. Die City ist zwar nicht ganz ausgestorben, es herrschen aber schon ziemlich spanische Verhältnisse. Als machten alle Siesta. Komischerweise sind die Läden noch geöffnet. Nur die Stadtgalerie ist wegen des Brandes am Montag noch dicht. Entsprechend verwaist ist der Vorplatz.
35 Grad im Schatten mittags in der Wittener City
Nur in der oberen Bahnhofstraße herrscht noch etwas Leben. Selbst für ein kühles Getränk im Biergarten ist es vielen offenbar zu heiß. Und an deftige warme Mahlzeiten gar nicht zu denken. Ein Geschäft für Wurstwaren bietet trotzdem Frikadelle, Rotkohl und Püree als Mittagsmenü an.
Vorm Kebap-Haus am Berliner Platz misst Abdalo die Temperatur, es ist 20 Minuten nach zwölf: 35 Grad! Aber im Schatten geht etwas Wind und die wenigen Mittagsgäste können es ganz gut aushalten. Wer nur ein kleines Stück durch die Sonne laufen muss, ist in null Komma nichts durchgeschwitzt.
Viele Wittenerinnen und Wittener wollen nur eins: ab ins Wasser
Auch in den Stadtteilen steht das Leben still. Im Schatten von St. Maximilian Kolbe in Stockum misst die Redaktion um kurz nach zwölf 34 Grad. Gabi Reuth steigt an der Hörder Straße gerade aus ihrem Auto. Für heute hat die 61-Jährige alles erledigt, sagt sie. Arzt, Einkauf – sie sei extra frühmorgens unterwegs gewesen. „Jetzt ist Schluss.“ Den restlichen Tag verbringe sie in ihrem zum Glück recht kühlen Altbau, in dem sie alles schon verdunkelt hat. Keine Chance der Sonne.
Im Freibad in Annen zeigt das Thermometer eine Stunde später schon 36 Grad im Schatten an. Die Menschen pilgern geradezu die Herdecker Straße entlang. Unterm Arm Handtücher und Strandmatten. Manche schleppen auch Campingstühle und Kühltaschen. Doch es gibt auch solche, die es schon wieder heimwärts zieht.
Ingeborg und Jürgen Webelsiep aus Stockum waren mit Enkelin Helena (4) morgens um neun im Freibad. „Da war schon richtig was los“, sagt die Oma. Die Hitze mache ihnen eigentlich gar nichts aus, nur Radfahren müsse nicht unbedingt sein. Dann lieber ab ins Wasser. Gestern Heveney, heute Annen. Gleich lockt der kleine Gartenpool. Und morgen darf Helena mit dem Papa an den Möhnesee.
Sogar aus Velbert kommen Badefans nach Witten
Ein Parkplatz wird jetzt also frei, der nächste Autofahrer freut sich, denn die Reihe am Freibad ist längst dicht. Von jenseits der Hecke dringt fröhliches Kreischen. Sehnsüchtig warten die, die noch in der Schlange an der Kasse stehen, auf Einlass. Denn alle möchten nur eins: so schnell wie möglich ins Wasser!
Wer die erste Abkühlung hinter sich hat, der kann offenbar auch schon wieder eine Stärkung vertragen. Am Kiosk drängeln sich die Menschen. Nicht nur Eis und Kaltgetränke sind gefragt. Auch Teller mit Pommes gehen übern Tresen – und werden sogar in der prallen Sonne verzehrt. Viele halten es tatsächlich – ungeschützt von Bäumen oder Schirmen – auf den glühend heißen Steinplatten aus.
Bis zu 3000 Besucher im Freibad
Am Montag (18.7), an dem das Thermometer ebenfalls schon die 30-Grad-Marke überschritten hat, haben 2.062 Gäste das Annener Freibad besucht, weiß Stadtwerkesprecherin Julia Pfannkuch. Am heißen Dienstag gegen 13.30 Uhr seien es 1.491 gewesen, zweieinhalb Stunden später schon 2.048. Erwartet würden an diesem Tag bis zu 3000 Besucher.
Am ersten richtig heißen Wochenende Mitte Juni hatten sich insgesamt rund 3.600 Badegäste in den Fluten getummelt. Die niedrigeren Wassertemperaturen sorgen an diesen Tagen für Erfrischung: Um weniger Energie zu verbrauchen, ist es im Schwimmerbecken mit 24 Grad zwei Grad kälter als sonst. Die Temperatur im Nichtschwimmerbecken wurde auf 21 Grad gesenkt. Am 15. Mai hatte das Annener Freibad die Saison eröffnet.
Nicole von der Schlippen und ihre Tochter dagegen haben sich ein schattiges Plätzchen auf der Wiese am Hang gesucht. Die beiden kommen aus Velbert und sind zum ersten Mal hier. „Meine Tochter wollte unbedingt in ein Freibad mit Rutsche“, erklärt Mama Nicole. Etliche Partien haben sie hinter sich. Und, welche Note würden sie dem Wittener Modell mit den vielen Kurven geben? „Sehr gut“, sagt die zehnjährige Nila, ohne lange zu überlegen. Mutter und Tochter sind sich einig: „Wir kommen bestimmt wieder.“ Dann auch mit dem Papa.
Nicht nur Wittener genießen die laue Brise an der Ruhr
Wenn nur die lästigen Wespen nicht wären: Zwei haben die Frau aus Velbert gerade gestochen. Auch dem Mitarbeiter im Sanitätsraum sind in der letzten halben Stunde einige Insektenstiche untergekommen. Außerdem ein paar Platzwunden und Kreislaufprobleme. Alles im Rahmen. Nur rund ums Schwimmerbecken ist das Bäderteam im Stress. Einer hat ein Auge auf den Sprungturm, an dem Hochbetrieb herrscht. Zwei andere rollen gegen 13 Uhr die Leinen ein, die die Bahnen begrenzen. „Damit alle mehr Platz im Wasser haben“, heißt es.
Keineswegs überfüllt ist es am frühen Nachmittag an der Ruhr. Dort, wo sonst die Schwalbe anlegt, genießen überschaubar viele Menschen die laue Brise. Gunnar Schroeder lässt die Beine am Anleger im Wasser baumeln. „Es gibt nix Besseres als hier“, sagt der 57-Jährige. Mit dem Rad schaffe er es in fünf Minuten aus der City hierhin, „wo nichts den Blick trübt“. Nur Wasser, Wälder und der Viadukt. „Das pure Idyll.“ Ruhrtal halt.
Auch Nele gefällt es hier so gut, dass sie sogar mit Bus und Bahn aus Dortmund angereist ist. Nun brutzelt die 24-Jährige im Bikini auf ihrer Decke. „Ja, es ist schon heiß und ich schwitze auch. Aber ich liebe einfach die Sonne“, gesteht sie.
Die 40 Grad kann Witten übrigens vermutlich nicht ganz knacken. Am frühen Abend gegen 17.30 Uhr liegt die Temperatur zum Beispiel in Bommern bei 37,5 Grad. Aber das reicht auch.