Velbert. Nach 65 Jahre Ehe: Das bewegende Leben der Kellners in der DDR, wie sie Hochwasser und Pandemie trotzten und was sie nach Velbert zog.
In farblich abgestimmten Outfits sitzen Ursula und Peter Kellner in ihrer Wohnung in Velbert. Ihre Hand ruht auf Peter Kellners Schoß, liebevoll schaut sie ihren Ehemann an. Er erwidert ihr Lächeln, wenn auch nur dezent. Es ist offensichtlich, dass die beiden eine lange Geschichte miteinander teilen. „Wir haben einiges durchgemacht“, erzählt die 86-Jährige.
Nach 65 Jahren Ehe mag es schwierig sein, sich detailliert an die Anfänge einer Beziehung zu erinnern. Wie war Ihre erste Verabredung? Wo haben Sie sich kennengelernt? Die beiden tauschen Blicke aus, bevor Gelächter ausbricht. „Mensch, weißt du das noch?“ fragt Ursula Kellner ihren Gatten. Ein leichtes Kopfschütteln des 89-Jährigen, doch dann kommt alles wieder hoch.
Ursula Kellner über die Montagsdemos in der DDR: „Wir waren echte Revolutionäre!“
Auch interessant
1955, es regnet in Strömen, fährt ein Lastwagen beladen mit Mädchen einer Tanzgruppe los, um sie zum Gasthof zu bringen. Hinter dem Lkw her radelt ein junger Mann, bemüht, den Lastwagen einzuholen. Nachdem die Mädchen vorgetanzt haben, tippt eine Kollegin der damals 17-jährige Ursula Scholz auf die Schulter. „Ursula, da wartet ein junger Herr auf dich“, sagt sie. Sie öffnet die Tür und vor ihr steht der 20-jährige Peter Kellner, klitschnass. „Er ist durch den Regen gefahren, um mich zu treffen. Also bin ich mit ihm, durch den strömenden Regen, auch wieder heimgegangen“, erzählt die heutige Rentnerin, während sie die Hand ihres Mannes ergreift. Nur zwei Jahre später folgte der Antrag und am 14. Mai 1959 heiratete das Paar.
„Man hatte nicht viel, also versuchte man, das Beste daraus zu machen“, erklärt der 89-Jährige. In der DDR zu leben bedeutete für das Paar oft, sich anzupassen, die Füße stillzuhalten, sonst geriet man sofort in Konflikt. Trotzdem wehrten sich die Kellners gegen das SED-Regime, eine lebhafte Erinnerung daran seien die Montagsdemonstrationen in Leipzig. Jeden Montag seien sie dabei gewesen. „Wir waren echte Revolutionäre!“, erzählt die Rentnerin mit einem Lachen. „Für mich ist wichtig, dass die Leute für ein demokratisches Deutschland einstehen. Deswegen müssen wir unsere Geschichte immer wieder erzählen, sonst wird sie vergessen, und ihr müsst sie nochmal durchmachen“, betont sie.
Wende, Hochwasser, Corona: Das machte das Velberter Ehepaar durch
Auch interessant
Auch nach der Wende stand dem Ehepaar viel bevor. Mit der Wende kam Freiheit, aber auch Arbeitslosigkeit. Auch die Flutkatastrophe von 2002 stellte für das Ehepaar eine bedeutende Herausforderung dar. Zu der Zeit lebte das Ehepaar in einer altersgerechten Wohnung. „Die erste Etage wurde komplett überflutet, den Senioren wurden Lebensmittel und Wasser mit dem Boot gebracht, es war furchtbar“, erzählt die 86-Jährige. Auch Familienbilder und Peter Kellners Jagdausrüstung im Keller seien komplett zerstört worden. Die Corona-Krise habe schließlich dazu geführt, den Entschluss zu fassen, zu ihrer Tochter, Enkelin und Urenkelin nach Velbert umzusiedeln.
Trotz all der Herausforderungen erinnert sich das Paar gerne an sein erstes Auto, ein grauer Trabant, mit dem sie zur Ostsee fuhren, oder der Lada, mit dem sie die Grenze Richtung Böhmerwald passierten, trotz akribischer Grenzkontrollen. „Wie wir gegrinst haben, als wir es über die Grenze schafften“, erzählt die Rentnerin. In all dieser Zeit betont das Paar, dass Toleranz und Vertrauen das Wichtigste waren, um die schweren Zeiten zu überstehen.