Oberhausen. Der neue 3-D-Metalldrucker der Oberhausener Firma MAN Energy Solutions ist ein Hingucker. Warum er für den neuen Kurs des Werks so wichtig ist.
- Die Traditionsfirma MAN Energy Solutions in Oberhausen richtet sich neu aus und will die Energiewende voranbringen.
- Für den großen Sprung nach vorn hat das Unternehmen viel investiert und einen 3-D-Metalldrucker angeschafft, der ganze neue Möglichkeiten der Fertigung eröffnet.
- Das Werk, das über 1700 Beschäftigte zählt, setzt in zunehmenden Maße auf Zukunftstechnologien wie beispielsweise grünen Wasserstoff.
Oliver Thieler hat gerade die Frühstückspause beendet und kehrt an die Werkbank zurück. Der Industriemechaniker macht da weiter, wo er aufgehört hat, wendet sich präzise gefertigten Metallschaufeln zu. Sie sind für den Bau von Dampfturbinen vorgesehen. Damit gehört sein Arbeitgeber, MAN Energy Solutions, zu den Weltmarktführern.
Jeder Handgriff des 32-Jährigen sitzt, schließlich hat der Oberhausener den Job von der Pike auf gelernt. Es mag ihm aber auch im Blut liegen, denn sein Vater hat auch hier gearbeitet, genau an diesem Platz, jahrzehntelang. Das hat sicherlich Seltenheitswert, selbst in einer Firma, die von vielen Beschäftigten als Familienunternehmen gesehen wird. So schwingt auch ein wenig Stolz mit, wenn Thieler von seiner Arbeit erzählt, von dem großen Maß an Genauigkeit, die für ihn selbstverständlich ist, aber auch wie ihn die Tätigkeit fasziniert.
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Er gehört zu der jungen Generation in einer Firma, die damit begonnen hat, sich neu auszurichten, wie es Standortleiter Sven-Hendrik Wiers bei einem Rundgang durch die Hallen schildert. Die Turbinen und Kompressoren haben schon seit langem ihren Platz in Industriebranchen, die Grundstoffe herstellen. Das sind beispielsweise Kunststoffe oder auch Reinigungsmittel. „Sie eignen sich auch für die Produktion von Düngemittel“, erläutert Wiers, als er an einer meterlangen Anlage einen Zwischenstopp einlegt. Sie soll in Kürze in Betrieb gehen.
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Regelrecht Aufbruchstimmung schwingt in seinen Worten mit, wenn er auf die neuen Perspektiven zu sprechen kommt. Die Energie- und Wärmewende möchte MAN Energy Solution mitgestalten, „wir haben Technik, wir haben Know-how“. Die Anlagen aus Oberhausen lassen sich nach seinen Worten eben nicht nur in den angestammten Branchen einsetzen, sondern bieten auch Antworten auf die jetzigen Herausforderungen. Beispiel Dekarbonisierung. Der Fachbegriff meint nichts anderes als klimaschädliches Kohlenstoffdioxid zu verringern.
3-D-Metalldrucker in XXL-Format
Seit wenigen Monaten ist am Oberhausener Standort von MAN Energy Solutions ein 3-D-Metalldrucker in XXL-Größe im Einsatz. „Es handelt sich um eine ganz neue Generation in der Druckerentwicklung“, sagt der zuständige Abteilungschef Anders Such.
Die Anlage fertigt metallische Druckprodukte in Größen, die bislang bei MAN noch nicht möglich waren. Es handelt sich um Breiten, Höhen und Längen von bis zu 60 Zentimetern. Darüber hinaus kann die Anlage auch kleinere Gehäuse herstellen und Bauteile in jedweden geometrischen Formaten.
Im Innern der Anlage sind zwölf Laser im Einsatz, die mit je 1000 Watt über eine hohes Leistungsvermögen verfügen. Sie alle schmelzen Metallpulver, das anschließend Schicht um Schicht solange auftragen wird, bis das gewünschte Bauteil vollendet ist. Leistung und Lebensdauer von Produkten lassen sich weiter verbessern, Lieferzeiten auf Wunsch verkürzen, sagt Standortleiter Wiers,
Auch wenn der Drucker vollautomatisch und autonom funktioniere, sieht das Unternehmen den Einsatz menschlicher Arbeitskraft auch weiterhin gefragt, um Produkte zu entwickeln und zu konstruieren. Anwendungsgebiete bestehen reichlich, von Motoren angefangen bis hin zu Kompressoren und Turbinen.
Das funktioniert unter anderem mit Verfahren, die CO2 schon in den Entstehungsprozessen abscheiden, um sie anschließend unterirdisch zu lagern. Unter anderem ist es die Zementindustrie, die während der Produktion in großem Maß Kohlendioxid verursacht. So ist MAN an einem Vorhaben in Norwegen beteiligt, bei dem in einem Zementwerk pro Jahr 440.000 Tonnen Kohlendioxid abgetrennt, verflüssigt und eingelagert werden sollen. 20 Vorzeigevorhaben solcher Art könne das Unternehmen bereits aufweisen, sagt Sprecher Marco Budek, allerdings noch keines in Deutschland, denn hier sei der Einsatz der Technik derzeit noch nicht geprüft.
Großwärmepumpen ersetzen Kohlekraftwerk
Im Gespräch geht der Standortleiter auf ein weiteres Modellvorhaben ein, das im dänischen Eisbjerg läuft und an dem das Oberhausener Werk ebenso einen entscheidenden Anteil hat. „Wir stellen Großwärmepumpen her, die mit Hilfe von Meerwasser arbeiten und Fernwärme für 100.000 Menschen liefern“, sagt Wiers. Die Betonung liegt auf der Vorsilbe Groß, da die Leistung über das Vielfache hinausreicht, das herkömmliche Wärmepumpen erzeugen.
Stichwort erneuerbare Energien: Sie stellen die Energieversorgung bekanntlich vor eine gewaltige Herausforderung. Sonne und Wind sind über den Tag in unterschiedlichen Mengen verfügbar, zugleich besteht aber die Anforderung an die Versorger, rund um die Uhr Strom liefern zu müssen. Das Oberhausener Werk hat Energiespeicher entwickelt, bei denen Kompressorentechnik Anwendung findet.
Eine Schlüsselposition bei der Dekarbonisierung wird grüner Wasserstoff einnehmen, sagt Innovationsmanager Thomas Polklas. Die Tochtergesellschaft H-Tec Systems will bis 2030 rund 500 Millionen Euro investieren, um bei der Erzeugung des umweltfreundlichen Energieträgers an führender Stelle mitzuwirken. Da sich aber grüner Wasserstoff in den Mengen, wie er hierzulande gebraucht wird, nur in sonnenreichen Ländern wie beispielsweise in Südamerika oder Australien gewinnen lasse, „müssen wir Lösungen für den Transport finden“, erläutert Polklas.
Sollen große Mengen Wasserstoff mit Schiffen transportiert werden, ist eine Umwandlung beispielsweise in Ammoniak oder Methanol erforderlich. Für solche Prozesse kommen Turbomaschinen aus dem Werk in Oberhausen zum Einsatz. Falls sich auch Pipelines als Transportweg anbieten, sind dazu Kompressoren mit extrem hohen Drehzahlen notwendig, die das Unternehmen gemeinsam mit der RWTH Aachen entwickelt.
Apropos Schifffahrt: Sie ist seit langem Partner von MAN und will auf grüne Energie umschwenken. Da sieht das Unternehmen noch viel Potenzial.
Zweistellige Millionensumme für die Zerspanungstechnik
Um die ehrgeizigen Ziele auch zu erreichen, hat MAN Millionen von Euro in einen 3-D-Metalldrucker investiert, den es in der Form in Europa nur einmal gebe, nämlich in Oberhausen, sagt Standortleiter Wiers und hebt die Chancen hervor, die sich mit der hochmodernen Anlage erreichen lassen. Zugleich nimmt das Unternehmen 2023 und 2024 zweistellige Millionensummen in die Hand, um beispielsweise den Fertigungsbereich der Zerspanung mit neuartigen Maschinen auszustatten. „Wir modernisieren nach und nach alle Anlagen“, sagt Leiter Carsten Breder. So sind CNC-Fräsen heute vier Mal schneller und dynamischer als ihre Vorgänger und folglich auch produktiver. Weiterer Pluspunkt: Sie haben einen viel geringeren Verschleiß. Mit den neuen Fertigungsanlagen, die Einzug halten, lasse sich die Genauigkeit noch weiter verfeinern.
Bei den Turbinen und Kompressoren, die die Beschäftigten herstellen, „handelt es sich nahezu ausnahmslos um Präzisionsmaschinen im Bereich von Hundertstel oder Tausendstel Millimeter“, hebt Breder hervor. Für das Werk sind deshalb, wie er betont, gut ausgebildete Fachkräfte erforderlich.
Mit seinen Produkten will das Unternehmen nach wie vor auch die angestammten Märkte in der Grundstoffindustrie bedienen. Sie liefert Maschinen für ganz unterschiedliche Lebensbereiche, sei es Kleidung, Ernährung oder Automobile. Angesichts einer weltweit steigenden Bevölkerungszahl sieht das Werk auch hier deutliche Wachstumschancen.