Oberhausen. Gute Nachrichten aus dem MAN-Energy-Werk in Oberhausen: Die Beschäftigten können aufatmen, doch eine andere Lohn-Eingruppierung irritiert manche.
Hohe Ölpreise auf den Rohstoffmärkten bedrücken zwar die Privatverbraucher, doch zumindest für ein großes Werk in Oberhausen ist der Anstieg des Rohölpreises positiv – für die 1800 Mitarbeiter beschäftigende Produktionsstätte MAN Energy Solutions (ES) an der Steinbrinkstraße 1.
„Unser Werk ist auf einem sehr guten Weg, die Auftragslage hat sich deutlich verbessert und die Margen-Qualität ist gestiegen“, berichtet der erfahrene Betriebsratsvorsitzende Helmut Brodrick auf Anfrage der Redaktion spürbar erleichtert. Die in Oberhausen hergestellten Produkte bringen also jetzt nach Kostensenkungsrunden der hundertprozentigen VW-Tochter und angesichts hoher Nachfrage mehr Geld ein. Das ist tatsächlich dringend notwendig, denn Mutter Volkswagen verlangt bis 2024 eine jährliche Rendite von neun Prozent vor Zinsen und Steuern (2019: 3,5 Prozent) – und will dann auch danach den Turbinenhersteller im Konzern behalten und nicht verkaufen.
Investitionen von Raffinerien und Ölplattformen
In dieser Gemengelage hilft die aktuell noch gute Weltwirtschaftskonjunktur: Denn wenn der Ölpreis nach oben klettert, dann lohnen sich für Raffinerien und Ölplattform-Betreiber weltweit Investitionen – und die Aufträge für Verdichter verschiedener Arten, eine Spezialfertigkeit der Oberhausener MAN-Techniker, trudeln ein. Zudem profitieren die Sterkrader auch vom Trend der Energiewende, auf kleinere Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Koppelung zu setzen: Hier sind nicht so sehr gigantische Turbinen der MAN-Konkurrenz gefragt, sondern die Turbinen mittlerer und kleinerer Größe, die im hiesigen Werk hergestellt werden.
„Für uns steht das Werk aber vor allem im Zentrum unserer Strategie, Lösungen für industrielle Prozesse anzubieten mit Technologien, die diese Prozesse dekarbonisieren“, erläutert MAN-ES-Kommunikationschef Jan Hoppe. Bei vielen Industrieprozessen, wie etwa der Herstellung von Zement, komme man nicht umhin, Kohlendioxid abzutrennen – und genau dafür habe man im Oberhausener Werk die Expertise, etwa durch die Herstellung von hochleistungsfähigen Verdichtern.
Das sind beruhigende Aussagen und Trends für die Belegschaft, die sich derzeit noch mitten im sozialverträglichen Stellenabbau-Prozess befindet, der 2020 zwischen Vorstand und Betriebsrat bei MAN ES im Rahmen eines weltweiten 450-Millionen-Euro-Sparpakets vereinbart worden war. Doch auch hier gibt es frohe Kunde: Statt 360 Stellen müssen in Oberhausen nach Darstellung der Arbeitnehmer-Vertreter nur noch 260 Arbeitsplätze wegfallen. Und: Jeder Tarifbeschäftigte erhält wegen der Belastungen in der Pandemie eine steuerfreie Corona-Prämie von 500 Euro.
Unruhe wegen Umstufung in bayerischen Tarifvertrag
Für eine gewisse Unruhe in Teilen der Belegschaft sorgt in diesen Wochen allerdings die zwischen den Tarifvertragsparteien für MAN ES bereits vor Jahren vereinbarte Umstufung des für Oberhausen geltenden Entgeltrahmenabkommens NRW. Danach müssen 1250 tarifliche MAN-Beschäftigte in Oberhausen aus dem NRW-Abkommen in den bayerischen Tarifvertrag – vor allem, damit MAN ES in all seinen Niederlassungen und Werken einheitlich agieren, rechnen und buchen kann.
Doch der Bayern-Tarif ist anders strukturiert. Nach Auskunft des Betriebsrates operiert dieser bei der Gehalts-/Lohneinstufung stärker nach Arbeitsplatzbeschreibungen mit der dort überwiegend ausgeübten Tätigkeit als beispielsweise nach absolviertem Ausbildungsstand wie der NRW-Tarif. Auch fehlt im bayerischen System etwa eine Mittagsschichtzulage, allerdings ist dort die Nachtschichtzulage umso höher. „Niemand verdient nach der Einstufung weniger als er heute bekommt“, ist sich Brodrick sicher. „Allerdings wird mancher nach der neuen Einstellung sogar besser gestellt.“
840 Einsprüche gegen Arbeitsplatzbeschreibungen
Dennoch hat der Betriebsrat ganz genau die neu erstellten Beschreibungen für alle Arbeitsplätze angeschaut – und bei immerhin 840 dieser Beschreibungen Einspruch eingelegt. Manchmal geht es dabei auch „nur“ um die exakte Bezeichnung der Arbeitsstelle. Über alle Einsprüche befindet im Frühjahr eine paritätisch besetzte Kommission aus Arbeitgebervertretern und Betriebsräten.
Beurteilt der aktuelle Betriebsrat die Diskussion um Einstufungen recht gelassen, so will Reinhardt Meyer als früherer IG-Metall-Vertrauensmann und MAN-Betriebsratsmitglied das Gegenteil aus der Arbeitnehmerschaft vernommen haben. „Es herrscht große Unzufriedenheit und Wut in der Belegschaft.“ Mit dem Tarifvertrag aus Bayern sei der Wegfall von Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Schichtzulagen für Spätschicht verbunden. Brodrick entgegnet: „Das ist Quatsch, auch im bayerischen Tarifvertrag gibt es Urlaubs- und Weihnachtsgeld.“
Allerdings gibt es eine Gruppe der Beschäftigten, nämlich diejenigen mit einer bestimmten Zulage, die in Zukunft bei künftigen Tarifrunden Gefahr laufen, dass ihre Zulage abgeschmolzen wird: Bei jeder Tariferhöhung erhalten sie nur noch ein Prozent, bis ihre Zulage weg ist. „Das war allerdings auch schon im NRW-Entgeltrahmenabkommen möglich“, sagt Brodrick dazu.
Der Maschinenbauer MAN Energy Solutions
Das Unternehmen MAN Energy Solutions (MAN ES) mit seinem zentralen Sitz in Augsburg gehört seit 2011 vollständig zum Volkswagen-Konzern. Es stellt mit seinen weltweit über 14.000 Mitarbeitern Großdieselmotoren für Schiffe sowie Verdichter und Turbinen her. Der Maschinenbauer ist vor zwölf Jahren aus den Betrieben von MAN Diesel (Augsburg) und MAN Turbo (Oberhausen) hervorgegangen – Oberhausen hat durch diese Fusion den zentralen Sitz der Firma verloren.
Der Mutterkonzern VW wollte seine Tochter bereits vor einigen Jahren verkaufen – nach einem im Jahre 2020 vereinbarten Kostensenkungsprogramm, mit dem ab 2024 rund 450 Millionen Euro jährlich eingespart werden sollen, hat der VW-Vorstand den Betriebsräten zugesagt, bis 2024 auf einen Verkauf zu verzichten. Sollte man eine Rendite von neun Prozent jährlich erreichen, soll MAN Energy Solutions im VW-Konzern verbleiben. Bei einem Verkauf und einer möglichen Zerschlagung befürchten die Arbeitnehmer-Vertreter den Verlust vieler Arbeitsplätze.