Oberhausen. Die Uraufführung von „Zwei Herren von Real Madrid“ im Studio des Theaters besticht mit Ausstattungspracht und Spitzen gegen das Macho-Business.

Halbgöttliche Kicker und Fußball als Religionsersatz bieten machtvolle Bilder – nicht erst, seit Diego Maradona die „Hand Gottes“ für sich in Anspruch nahm, und auch nicht nur im archaisch-katholischen Neapel. Ein hintersinnig kommunikativ aufgelegter Gekreuzigter, vergleichbar mit der Rolle des Erlösers in „Don Camillo und Peppone“, steht explizit gar nicht im Text von Leo Meiers „zwei herren von real madrid“ (so die Kleinschreibung des Autors). Doch Regisseurin Maike Bouschen verpasst für die Uraufführung dieses hochamüsanten Erstlingswerks im Studio des Theaters Oberhausen Elias Baumann diese heimliche Hauptrolle.

Man kann es nur so ketzerisch formulieren: Baumanns Jesus in edel bronziertem Athletenkörper hängt lässig am Kreuz ab. Er gibt in passenden Momenten gekonnte Tanzeinlagen, raucht sich mehr als eine und kommentiert mit tiefen Blicken das Geschehen um die beiden namenlosen Helden dieser Fußballer-Komödie, die so ganz ohne Ballartistik auskommt. Immerhin gibt’s einen vor der Zuschauertribüne ausgerollten Kunstrasen – der sich aber leicht übersehen lässt angesichts der Pracht von fünf nebeneinander aufgereihten Schaukästen: Bühnen-und Kostümbildnerin Franziska Isensee spielt wieder (wie bei der Mehrzahl der bisherigen Inszenierungen dieser Spielzeit) offensiv nach vorne und landet einen Treffer nach dem anderen.

Annäherung in Waldesruh: Khalil Fahed Aassy und Tim Weckenbrock als (namenlose) Mittelfeldspieler und Stürmer für Real Madrid.
Annäherung in Waldesruh: Khalil Fahed Aassy und Tim Weckenbrock als (namenlose) Mittelfeldspieler und Stürmer für Real Madrid. © Theater Oberhausen | Axel J. Scherer

Die titelgebenden „Zwei Herren“ rotzen und spucken zwar in fiesester Profi-Attitüde auf den heiligen Rasen, dass dieser längst in Pfützen versinken müsste. Doch ansonsten sind sie ganz anders, als es Klischeebilder von Jungmillionären mit astronomischem Stundenlohn erwarten ließen. Der Stürmer (Tim Weckenbrock) und der Mittelfeldspieler (Khalil Fahed Aassy) fallen als Liebende nicht übereinander her, sondern wahren förmliche Zurückhaltung und einen höflichen Ton, wie er selbst Thomas Mann gefallen könnte. Dabei lässt sich mit dem Mittelfeld-Ass wahrlich nicht bildungshubern: Beim Quizspiel ist er nicht gerade die größte Kerze auf der Geburtstagstorte.

Ein nahezu perfektes Liselotte Pulver-Double

Das Utopische an Leo Meiers Text ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Liebe der beiden Herren, die konsequent beim „Sie“ bleiben, nicht nur in der Familie, sondern auch im Macho-Business um den Ball akzeptiert wird. Schließlich steigt selbst Jesus von seinem Kreuz mit Armlehnen und erteilt als Reals Abwehrrecke Sergio Ramos zärtlich-kumpelhaft den beiden seinen Segen. Doch vorher gibt’s noch ein Weihnachtsessen im Hause des Stürmers, darf Franziska Roth als treusorgend-überdrehte Frau Mutter ein nahezu perfektes Liselotte Pulver-Double geben.

Samia Dauenhauer, zuvor der etwas muffelige Stürmer-Papa, hat ihren großen Auftritt als kalauernde Pfarrerin, die den Trauergottesdienst in Ebertbad-würdige Comedy verwandelt. Wie das? Nun, die Stürmer-Mama war nach dem Genuss des vom Mittelfeldspieler mitgebrachten Bananenbrotes an einem allergischen Schock verstorben – eine dramatische Volte, die den höflich-formvollendeten Grundton der „Zwei Herren“ aber für keinen Moment wanken lässt. „Es gibt keinen Dresscode“, flötet der Stürmer ins Telefon, „ich werde wohl einen dunklen Trainingsanzug anziehen“.

Die Pastorin (Samia Dauenhauer) trägt Plateaustiefel wie aus der Glamrock-Ära und kalauert sich durch die Trauerfeier.
Die Pastorin (Samia Dauenhauer) trägt Plateaustiefel wie aus der Glamrock-Ära und kalauert sich durch die Trauerfeier. © Theater Oberhausen | Axel J. Scherer

Von der heiter-beschwingten Trauerfeier wechselt der Autor mit dem feinen Sinn fürs Absurde zu einer Pressekonferenz, in der die Kritik am Gewese der höchsten Profi-Ligen etwas an Schärfe zulegt: Mittelfeldspieler und Stürmer setzen lehrbuchmäßig ihre sterbenslangweiligen Standardphrasen ab. Hier ist’s Sergio Ramos, der mit einem pathetischen Monolog über die eigene Sterblichkeit aus der Rolle fällt – und damit grandios die hohle Eitelkeit seines Standes zur Schau stellt.

Ein Hauch von „Casablanca“-Romantik

Die Flughafen-Abschiedsszene des Stürmers, der (wie Ramos im wahren Fußballerleben) für eine Unsumme zu Paris Saint-Germain wechselt, gerät dann aber keineswegs küsseschwer oder gar tränenfeucht. „Wie viel hat Paris für Sie gezahlt?“, fragt in gewohnt sanft-klangvoller Stimmführung der Mittelfeldspieler. Sein Geliebter zählt routiniert die Fantastilliarden auf, bis hin zur „fetten Villa“. Der Schlusssatz dieser ausdauernd beklatschten Romanze für Reiche hat dann einen Hauch von „Casablanca“-Romantik: „Für mich sind Sie unbezahlbar.“

Noch viermal „Anpfiff“ für die königlichen Kicker

Im Januar folgt nur ein weiterer Termin für „Zwei Herren von Real Madrid“ und zwar am Samstag, 28.. Immerhin drei Aufführungen gibt’s im Februar und zwar am Freitag, 10., Donnerstag, 23., und Samstag, 25., jeweils um 19.30 Uhr.

Das Spiel dauert 80 statt 90 Minuten und kommt ohne Halbzeitpause aus. Auf der in die gesamte Tiefe des Studio-Raums reichenden Bühne bieten die mittleren Plätze den besten Überblick aufs Spielgeschehen; die Außenpositionen lassen sich aber fast ebenso gut genießen.

Karten zu 15 Euro, ermäßigt 5 Euro, gibt’s unter 0208 8578 184, per E-Mail an service@theater-oberhausen.de