Oberhausen. Die Truppe des NN Theaters spielt im Zentrum Altenberg die zeitlose Exil- und Liebesromanze von Ilsa und Rick. Sogar der Stummfilm-Look passt.

„Genug ist nicht genug“, sang einst Liedermacher-Maximalist Konstantin Wecker, „genug kann nie genügen“: In diesem Sinne bedarf selbst ein „Freistil“-Kulturprogramm mit Terminen im wöchentlichen Dutzend noch der Ergänzung. Schließlich gab’s seit dem furiosen Galopp durch „Schillers sämtliche Werke“ in der Burg Vondern bisher kein weiteres Schauspiel-Highlight. Und am Will-Quadflieg-Platz sind noch Theaterferien.

Stattdessen hebt sich der Bühnenvorhang am Dienstag, 24. August, um 20 Uhr im Hof der Zinkfabrik Altenberg, Hansastraße 20, für „Exit Casablanca“ mit dem NN Theater. Die Kölner Truppe, die sich selbst als „neues Volkstheater“ beschreibt, hat ein feines Händchen für große Filmstoffe und zaubert mit kleinsten Mitteln verblüffende „Special Effects“ – für die sie von ihrem Oberhausener Publikum schon hochverdienten Szenenapplaus einheimste: So geschehen 2018 beim Abtauchen „20.000 Meilen unter dem Meer“, frei nach Jules Verne, aber verblüffend nah dran an der aufwendigen Disney-Filmversion von 1954 – und das mit dem bühnentechnischen Repertoire einer Augsburger Puppenkiste.

Für einen Pointenschwall im Steampunk-Look sorgte die NN-Truppe 2018 auf dem Altmarkt mit ihrem Gastspiel „20.000 Meilen unter dem Meer“.
Für einen Pointenschwall im Steampunk-Look sorgte die NN-Truppe 2018 auf dem Altmarkt mit ihrem Gastspiel „20.000 Meilen unter dem Meer“. © Funke Foto Services | Kerstin Bögeholz

Wer Haifische und Medusenschwärme über den Altmarkt schweben lässt – für den sollte das Exilantentreiben in „Rick’s Café“ doch ein Klacks sein? Denn natürlich meint Rüdiger Papes neue Inszenierung „Exit Casablanca“ den einzig wahren Kultfilm aus dem Studio der Warner Bros., ins schwarz-weiße Bild gesetzt von Michael Curtiz – oder eigentlich Manó Kertész Kaminer, einem Exilanten aus dem Nazi-verseuchten Europa, wie so viele seiner überragenden Schauspieler.

Weite Kreise durch die Kulturgeschichte

Die Widerstandsromanze um den einsam-zynischen Rick (seit 1942 unvergesslich: Humphrey Bogart) und seiner früheren Flamme Ilsa (Ingrid Bergman) zog in bald 80 Jahren weite Kreise durch die Kulturgeschichte: von Woody Allens liebevoller Parodie bis zum „Nome de plume“ einer französischen Jazzpop-Sängerin namens „Victor Lazlo“. Da muss eine rührige Theatertruppe wie NN damit rechnen, dass nicht wenige im Publikum die Dialoge mitsprechen können. Schließlich bietet kaum ein Filmkunstwerk, entstanden unter dem Warners-üblichen Zeitdruck und mit eher knappem Budget, eine solche Fülle unauslöschlicher Zitate: von „Ich schau dir in die Augen, Kleines“ (dabei musste Bogey zu Bergman eher aufschauen, wenn keine Kiste unter ihm stand) bis zum „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“.

„Ich schau dir in die Augen, Kleines“:  Humphrey Bogart und Ingrid Bergman 1942 im unerreichten Film-Original „Casablanca“.
„Ich schau dir in die Augen, Kleines“: Humphrey Bogart und Ingrid Bergman 1942 im unerreichten Film-Original „Casablanca“. © Moviepix/Getty Images | Donaldson Collection

Was passiert, wenn ein vermeintliches Fließbandprodukt der auf kaltschnäuzige Thriller-Produktionen abonnierten Studios in Burbank, Kalifornien, in die Kalauer-Mangel eines modernen „Volkstheaters“ gerät? Wenn ein Kinoklassiker mit einer Traumbesetzung bis in kleine Nebenrollen durch ein Darsteller-Trio (nämlich Christine Per, Michl Thorbecke und Oliver Schnelker) wieder erweckt wird? Wenn sich diese furchtlosen Bühnentiere scheinbar improvisiert durch die Höhen und Tiefen einer berauschenden Liebesgeschichte jagen, dabei die Kostüme und Rollen in rasender Geschwindigkeit wechseln – aber nicht schamhaft hinter Kulissen, sondern stets sichtbar fürs Publikum?

Zutaten aus Wortwitz, Musik und Tanz

So wird aus den hundert Filmminuten von „Casablanca“ ein Feuerwerk überraschenden Schauspiels in jenem typischen NN-Look, der mit fahl geschminkten Gesichtern und betonten Augenlidern so nachdrücklich auf den expressionistischen deutschen Stummfilm verweist. Tatsächlich hatten ja mehrere „Casablanca“-Stars wie Conrad Veidt und Peter Lorre hier ihren frühen Ruhm erworben. So jongliert die NN-Truppe mit den Epochen zu Zutaten aus Wortwitz, Musik und Tanz – und gelangt mit „Exit Casablanca“ zu erstaunlichen Verweisen auf die Gegenwart.

Der Eintritt ist frei. Karten benötigen die Fans auch dieses „Freistil“-Extras, erhältlich online via theater-oberhausen.de. Der Kultursommer endet am Sonntag 29. August.