Oberhausen. Welturaufführung im Theater Oberhausen: „Der neugierige Garten“ beruht auf dem Bilderbuch eines New Yorker Autors.
Auf den ersten Blick scheint sie völlig aus der Zeit gefallen; diese Geschichte von einem kleinen Jungen, der gerne draußen spielt (sogar im Regen!), der ohne Playstation und Smartphone glücklich und zufrieden zu sein scheint und dann auch noch das Gärtnern für sich entdeckt. Wo gibt’s denn so was, könnte man fragen bei „Der neugierige Garten“, einem Kinderbuch von Peter Brown, das im Theater Oberhausen zum allerersten Mal überhaupt als Bühnenstück zu sehen ist. Doch die Begeisterung des kleinen Liam für Blüten, Blätter, Gräser und Pflanzen hat nicht nur etwas wundervoll Poetisches, sie trifft auch absolut den Zeitgeist. Liam ist, ganz unbewusst, ein echter Urban-Gardening-Guerillero. Ein Naturschützer und Klimaaktivist ohne moralischen Überbau, einfach so, aus kindlicher Lust und Laune.
Termine bis zum Jahresende
Das einstündige Theaterstück „Der neugierige Garten“ feierte am 5. November im Studio des Theater Oberhausen Premiere. Weitere Termine sind für den 23./24. November, für den 4./5./18./19./20./21./22./26./28. Dezember und darüber hinaus geplant. Karten zum Preis von 8 Euro und weitere Informationen gibt es auf www.theater-oberhausen.de.
Jener Teil des Stücks, in dem die Kinder aktiv werden und selbst etwas einpflanzen dürfen, wird ermöglicht durch das Jobcenter Oberhausen, die Servicebetriebe Oberhausen, den Naturschutzbund, das Netzwerk Blühende Landschaft, die Ruhrwerkstatt und die Agenda 21. Sie unterstützen das Theater unter anderem mit Samen, Pflanzen, Erde, Rollbeeten und Fachkenntnissen.
„Schließt eure Augen“, sagt Khalil Aassy, der auf der kleinen, kuscheligen Studio-Bühne überzeugend-kindlich den Helden dieser Geschichte spielt. Das Licht wird gedimmt. 17 Kitakinder-Gesichter recken sich ihm konzentriert entgegen. Die Stimme des Schauspielers hat etwas Beruhigendes. Er erzählt: „Stellt euch vor: eine lange Straße aus Asphalt. Häuser, Straßen. Noch mehr Häuser, noch mehr Straßen.“ Es dürfte ihnen nicht schwer fallen, den Vier- und Fünfjährigen, die in Mülheim und Oberhausen einen Kindergarten besuchen und mit ihren Erzieherinnen ins Theater gekommen sind. Die triste, graue Stadt, es gibt sie nicht nur in New York, wo die amerikanische Buchvorlage spielt.
Jahreszeiten auf der Bühne: Die Natur plingt und rauscht
Auch Liam lebt in einer solch trostlosen Umgebung. Doch das kann ihm die Laune nicht verderben, ebenso wie das schlechte Wetter. Er spielt im Regen, springt von Pfütze zu Pfütze. Er fängt Wassertropfen in Gefäßen auf, trinkt sie sogar. Aassy Khalil verkörpert ihn trotz seines Erwachsenseins ganz selbstverständlich, ganz ohne Peinlichkeit. Der plingende Regen, der rauschende Herbstwind, die eisigen Klänge des Schnees: Musiker Arturo Portugal begleitet Khalil Aassys Spiel zurückhaltend mit einem Sammelsurium an Percussions-Instrumenten und Gegenständen wie Blumentöpfen und schafft damit eine neue Stimmungsebene.
Als Liam eines Tages die alten Bahngleise einer stillgelegten Trasse entdeckt, beginnt er dort herumzuklettern. Völlig unerwartet begegnet ihm dort die Natur in Form von Moos. Es ist flauschig, es duftet. Doch irgendwie sieht es traurig aus. Liam singt für das traurige Moos, die Kinder im Publikum kichern. Jetzt kommt auch Action ins Spiel: Liam gießt das Grün, es breitet sich aus. Erst Gras, dann Blüten. „Minze!“ Er ist begeistert. Lavendel, Veilchen, Klatschmohn. Mit einem Pinsel patscht er grüne Farbe in die Kulissen; eine schöne Idee, um die Ausbreitung der Natur sinnlich erfahrbar zu machen. Der Garten wächst. Jedoch reicht ihm der Platz auf den Schienen bald nicht aus. Denn: „Dieser hier war nicht wie die meisten Gärten.“ Er ging auf Entdeckungsreise.
Gärtnern wie Liam: Das Publikum darf in der Erde wühlen
Dieser charmante Satz – wie der komplette Text des Theaterstücks – stammt vom Autor Peter Brown, der sich 2009 vom High Line Park auf den Trassen der stillgelegten Hochbahn in Manhattan zu seinem Buch inspirieren ließ. Ein Garten, der neugierig ist. Der sich aufmacht, eine Stadt zu bewuchern, zu beranken, sie lebendig zu machen. Eine Vorstellung, die Kindern in diesem Alter (das Stück ist für Vier- bis Siebenjährige) gut gefallen dürfte. Ein Junge, der es schafft, die Welt zu verändern. Ganz ohne Superheldenkräfte, mit Schaufel, Schippe und viel Liebe. Konsequenterweise wird dieser Gedanke zum Schluss aufs Publikum übertragen. Mit den eigenen Händen dürfen die Kinder gleich ausprobieren, was Liam ihnen mit den Mitteln des Theaters gerade vorgemacht hat. Sie dürfen wirklich gießen und in der Erde wühlen. In knallrot lackierten Pflanzkübeln vor dem Theater warten Kohlrabi- und Salat-Setzlinge darauf, eingepflanzt zu werden. Eine wunderbare Idee von Regisseurin Carmen Schwarz und Theaterpädagogin Anke Weingarte, um das Thema im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar zu machen.
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