Oberhausen. Die Gerüchte verdichten sich: Der Online-Händler Amazon möchte einen Logistik-Standort am Centro Oberhausen errichten. Die SPD ist dagegen.
Die Gerüchteküche um die leerstehenden Werkshallen am Centro in Oberhausen brodelt. Es verdichten sich Hinweise, dass der Online-Händler Amazon in die Hallen einziehen will, in der ursprünglich der gigantische Fitness-Tempel „The Mirai“ geplant war. Investor und McFit-Gründer Rainer Schaller hatte wie berichtet einen Rückzieher gemacht. Offizieller Grund: die Coronakrise. Doch schon damals munkelte man, die schwierige Verkehrssituation habe zur Entscheidung beigetragen.
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Nun will also wohl Amazon dort einen Logistik-Standort errichten. Der Online-Händler wächst und profitiert stark von der Coronakrise und den mittlerweile zwei Lockdowns. Der stationäre Handel war lange Zeit komplett geschlossen und ist erst jetzt per Termin erreichbar, Kunden bestellen ihre Waren immer öfter im Internet. Im Coronajahr 2020 hatte Amazon allein vom ersten zum zweiten Quartal seinen Umsatz um 40 Prozent gesteigert – auf knapp 90 Milliarden US-Dollar. So berichtete es das Handelsblatt.
Amazon in Oberhausen? SPD sieht „nur Nachteile“
Die Oberhausener SPD macht nun die seit Wochen wabernden Gerüchte als erstes öffentlich – und lehnt noch vor der offiziellen Bestätigung die Amazon-Ansiedlung in der Neuen Mitte ab. Der planungspolitische Sprecher der SPD-Ratsfraktion, Ulrich Real, sieht für die Stadt „nur Nachteile“ in diesen Plänen. „In unmittelbarer Nähe befindet sich das Centro mit stationärem Handel und einem umfangreichen Freizeitangebot.“ Auf der gegenüberliegenden Seite werde zudem der Masterplan „Neue Mitte 4.0“ entwickelt. „Hier sollen Wohngebiete entstehen, die Neue Mitte entwickelt sich langsam zu einem vierten Stadtteil Oberhausens.“
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Logistik-Standorte in Oberhausen werden generell kontrovers diskutiert: Sie seien dringend nötig, weil sie wichtige Arbeitsplätze für Oberhausen schaffen, argumentierte bisher die Stadtspitze auf der einen Seite. Sie seien nicht attraktiv, weil Logistiker zu viele Flächen für sich einnehmen, die Natur zerstören und den Straßenverkehr immens belasten, sagen nicht nur Umweltschützer und Anwohner auf der anderen Seite. Der größte bislang in Oberhausen geplante Logistik-Standort ist das noch in der Entstehung befindliche Edeka-Zentrallager auf dem Waldteichgelände im Norden Sterkrades. Auf der anderen Seite der Autobahn A3, auf der westlichen Seite, entsteht ein weiterer Logistiker der Bekleidungsbranche.
Axel J. Scherer, Mitglied des Arbeitskreises Planen der SPD-Fraktion, sieht im Falle einer Amazon-Ansiedlung in der Neuen Mitte die bekannten Verkehrsprobleme weiter wachsen. „Für ,The Mirai‘ haben die Verkehrsgutachten einen Mix aus Radfahrenden, ÖPNV- und Pkw-Nutzern ermittelt. Bei einer Amazon-Ansiedlung entfällt dieser Mix, es entsteht eine nicht zu verantwortende Belastung durch Lkws aller Größen.“
Sorgenkind: die Verkehrssituation rund ums Centro Oberhausen
Der zerplatzte Traum vom Fitness-Tempel The Mirai
Es war ein Traum, der letztlich aber zerplatzte: Für 100 Millionen Euro wollte McFit-Gründer Rainer Schaller in der Neuen Mitte direkt am Centro mit „The Mirai“ das weltweit größte Fitness-Zentrum bauen – inklusive Forschungszentrum, eigenem Fernsehstudio und 40 Meter hohem Turm am Eingang.
Doch im November 2020 wurde bekannt, dass Schaller das weltweit einzigartige Projekt zurückzieht. Die Coronakrise werde die Veranstaltungsbranche über Jahre beeinflussen, hieß es damals. Daher rechne sich das Mirai-Konzept nicht mehr, das finanzielle Risiko sei zu groß, meinte die RSG-Group (früher McFit-Gruppe). Die ehemaligen Thyssen-Industriehallen am Centro sind in Privatbesitz. Dem Vermieter dürfte daran gelegen sein, dass nun ein anderer Mieter so großes Interesse zeigt, dort einzuziehen.
Tatsächlich hatte es bis zuletzt kein schlüssiges Verkehrskonzept für den geplanten Fitness-Tempel „The Mirai“ gegeben. Das Gebiet ist ohnehin stark belastet, allein auf der Konrad-Adenauer-Allee hatten Verkehrsexperten im vergangenen Jahr bis zu 71.000 Fahrten pro Tag gemessen. Auch auf der anderen Seite der Neuen Mitte, auf der Osterfelder Straße herrscht zu Stoßzeiten oft Dauerstau. Gerade in der Vorweihnachtszeit haben sich Anwohner in den vergangenen Jahren massiv geklagt.
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Schließlich fragt Ulrich Real, welches Signal die Stadt aussenden würde. „Wenn wir die Ansiedlung des Logistik-Giganten Amazon direkt neben dem Centro zulassen, ist das ein Schlag ins Gesicht des stationären Einzelhandels. Ich würde gerne wissen, wie das Centro-Management sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Centro über einen solchen ,Coup‘ der Stadtverwaltung wohl denken würden?“
Aus dem Rathaus kam am frühen Dienstagabend noch eine Stellungnahme: „Wenn bei der Verwaltung ein Bauantrag eingeht, dann muss und wird die Verwaltung diesen Antrag auch prüfen und dann nach Recht und Gesetz entscheiden“, sagt Strategie-Dezernent Ralf Güldenzopf. Von einem „Coup der Verwaltung“ könne daher nicht die Rede sein.