Mülheim. .

Schuhe hatte der zehnjährige Paul nicht an, aber sein Lieblingsstofftier, einen kleinen Hund, hatte er im Arm, als er mit seiner Mutter in den Keller hastete. Die ganze Zeit über, während oben Bomben fielen, hielt er seinen „Lieblingshund“ im Arm – nur um ihn nach dem verheerenden Luftangriff einem kleinen Kind zu schenken, „damit es aufhört zu weinen“.

70 Jahre ist das her und lange vergangen, „aber“, sagt der heute 80-jährige Paul Spennhoff, „man vergisst es nie“. Die Erinnerung an die Kriegszeit und die furchtbare Bombennacht bleibt immer lebendig. 1933 wurde Paul Spennhoff geboren – in einer Straße, die es heute zwar noch gibt, aber so auf keinen Stadtplan zu finden ist. An der Adolf-Hitler-Straße, die heute wieder Friedrichstraße heißt, wohnte die Familie damals: Vater, Mutter und die vier Söhne.

In der Bombennacht waren nur Paul als Jüngster und seine Mutter zu hause. Der Vater starb bereits 1934 an einem Herzleiden. Die zwei ältesten Brüder waren „bei den Soldaten“ – einer starb bei Stalingrad, einer gehörte der SA-Standarte Feldherrenhalle an und blieb bis zuletzt verblendet. Der dritte Bruder war bei seiner Freundin, als der Fliegeralarm losging. „Ich war schon im Bett. Meine Mutter hat mich angezogen, aber in der Eile die Schuhe vergessen.“ Ab ging es in den Keller – und „dann hat’s gerumst“.

Bombenhagel auf Mülheim

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Zugemauerte Fenster und Eisenplatten verwandelten den Keller in einen Schutzraum, doch in dieser Nacht reichte das nicht aus. „Als eine Bombe eingeschlagen ist, sind die Eisenplatten durch die Wucht rausgeflogen und quer durch den Keller geschossen. Wir hatten Glück, das ging an unseren Köpfen vorbei.“ Nüchtern schildert Paul Spennhoff das und fügt hinzu: „Angst hatte ich auch.“

Die blieb, nachdem die Bombenabwürfe nachließen. Denn das Holztreppenhaus des Gebäudes brannte über ihnen lichterloh. Nur raus wollten die Menschen: „Meine Mutter hat mich durchs Feuer getragen.“

Eine brennende Innen- und Altstadt erwartete die Flüchtenden draußen, die Petrikirche stand in Flammen. „Überall war Rauch. Der Fischladen gegenüber des Handelshofs war hin; auch der Handelshof brannte – das war nachher das einzige Gebäude, dass die Feuerwehr gelöscht hat. Die haben den Schlauch nicht einmal links oder rechts gehalten.“ Erste Anlaufstelle für alle war Brand­e­winder, eine Gastwirtschaft. „Mein Bruder kam dann auch.“

Familie Spennhoff stand derweil vor dem Nichts: Die Wohnung in der ersten Etage war nicht mehr zugänglich. Hilfe fanden Mutter und Söhne zunächst beim katholischen Altstadt-Pastor und später bei den Franziskanern. Ein Jahr lang dauerte es, bis die Familie im Muhrenkamp eine eigene, neue Wohnung bekam. Eine schwere Krankheit, die seine Beine anschwellen ließ und ihm starke Schmerzen verursachte, plagte Paul Spennhoff in den letzten Kriegsjahren. Die Mutter brachte die Familie als Putzhilfe und Spülkraft durch.

Lange ist das her, doch die Bilder im Kopf verblassen nie.

Alle Zeitzeugenberichte über die Bombennacht vom 22./23. Juni 1943 finden Sie auf unserer Mülheimer Serienseite "Das ist Mülheim"