Mülheim. .
In der Bombennacht war ich bei meiner Großmutter am Scharpenberg. Als es los ging, sind viele Menschen in den Bunker an der Freilichtbühne gelaufen oder in den an der Thyssenvilla, wir aber sind nur runtergegangen in unseren Keller. Zum Glück war der Scharpenberg nicht so stark betroffen.
Das Haus nebenan ist allerdings abgebrannt – zumindest glaube ich, dass das alles in dieser Nacht war. Ganz sicher bin ich mir nicht mehr. Und leider ist auch die Vermieterin meiner Oma, Frau Jötten, damals zu Tode gekommen. Sie war in der Trooststraßenschule, und dort ist eine Bombe reingefallen. Ich erinnere mich noch gut an Frau Jötten. Sie war streng, man musste korrekt sein, wenn man sie traf, und sich die Füße abputzen. Aber sie war immer nett zu uns.
"Wir haben angezogen geschlafen"
Es gab ja sehr viele Tote in dieser Nacht; mein schlimmstes Erlebnis hatte ich trotzdem in der Osternacht 1943. Mein Vater hatte für ein, zwei Tage Fronturlaub, und wir waren zu Besuch bei seinen Eltern in Oberhausen. Ich war das älteste von vier Kindern. Wir haben immer halb angezogen geschlafen, so dass wir nur Pantoffeln und Jacken anziehen mussten, wenn der Fliegeralarm los ging. Dann hieß es, „ab in den Keller“.
So war das auch in der Osternacht. Ringsum fielen Bomben, und da das Haus in der Nähe des Oberhausener Bahnhofs war, haben die Flieger besonders viel abgeworfen. Auf einmal hörte sich das Geräusch anders an, da war es nicht mehr nur ein „Wumm“, und die Erwachsenen sagten gleich: „Jetzt hat es uns getroffen.“ Den Druck der Bombe spüre ich heute noch. Überall rieselte Kalk von den Wänden, wir konnten nichts mehr sehen. Wir haben alle geschrien, mein Vater aber hat nur gerufen: „Ruhig bleiben – ich schaue nach, ob wir hier rauskommen.“
"Wir rannten durch einen Durchbruch ins Nachbarhaus"
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Zum Glück gab es einen Durchbruch zum Nachbarhaus, da brannte die Treppe zwar schon, aber wir konnten noch raus. Mein Vater hat gesagt: „Ihr lauft so schnell wie möglich“, und ich habe noch einen Schuh verloren. Wir sind durch Trümmer weggelaufen, ich habe Häuser gesehen, die wie Fackeln brannten. Mein Vater hat alle Leute aus dem Keller gerettet, auch eine über 80-jährige, gelähmte Frau. Und zwei Mütter aus dem Nachbarhaus, die dort mit Kindern im Arm saßen, völlig verängstigt. Das hat mich besonders berührt.
Leider ist mein Vater in Holland gefallen; ich werde noch jetzt traurig, wenn ich an ihn denke. Meinen Bruder Hermi habe ich auch im Krieg verloren, durch eine Tellermine. Und meine Mutter ist 1948 gestorben, so dass wir früh Waisen waren. Die Oma vom Scharpenberg hat sich um uns gekümmert – ihr habe ich viel zu verdanken.