Mülheim. Zeitzeuge Wilfried Hermanns berichtet: “Etwas mehr als ein Monat, dann würde ich acht Jahre alt. Ob es eine Geburtstagsfeier geben würde, war zu der Zeit ziemlich unwahrscheinlich. Es sollte aber alles viel schimmer kommen.“

Zeitzeuge Wilfried Hermanns berichtet:

"Etwas mehr als ein Monat, dann würde ich acht Jahre alt. Ob es eine Geburtstagsfeier geben würde, war zu der Zeit ziemlich unwahrscheinlich. Es sollte aber alles viel schimmer kommen.

Meine Familie – das waren Oma Käthe, Tante Guste und Onkel Willi, deren zwölfjähriger Sohn Werner, meine Eltern und ich – lebte in einem der letzten Fachwerkhäuser nahe dem Rathausmarkt und dem Eppinghofer Bahnhof.

Unser Gewölbekeller war etwa ein Jahr vorher zu einem Luftschutzkeller ausgebaut worden. Eine dicke Zwei-Ziegelstein-Mauer trennte den Kellerraum vom Treppenabgang. Die Kellertür bestand aus doppelten, blechverkleideten Platten und einem Verschlussmechanismus, der von innen versperrt wurde. In einigen Nächten hatten wir dort schon auf die Entwarnungen gewartet, so dass einige alte Korbsessel, Stühle und eine Bank Sitzmöglichkeiten boten. Immer waren die Aufenthalte mehr oder weniger gelassen hingenommen worden. Völlig anders in dieser Nacht vom 22. auf den 23. Juni ‘43.

Die auf- und abschwellenden Töne der Sirenen kündigten den Beginn des Fliegerangriffes an und die Familie fand sich im Keller ein. Bald hörte man das Geräusch niedersausender Bomben, aber noch ziemlich weit weg. In kurzen Abständen wurden diese Geräusche immer vernehmlicher und es dauerte nicht lange, da rieselte Kalk aus der Decke.

Bombenhagel auf Mülheim

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Es kam aber noch schlimmer. Wände und Boden zitterten bei jedem Einschlag, der immer näher geschah. All dies vermischte sich mit den Aufschreien und dem Weinen meiner Verwandten. Ich hörte Oma flüstern, ob es Beten war, habe ich nicht herausgefunden. Ich drückte mich immer fester an Mutter.

Dann gab es eine Pause von wenigen Sekunden in diesem Inferno.

Vater und Onkel Willi sprangen zur Türe und rannten nach oben. Wenige Sekunden später und zusammen mit dem nächsten Einschlag waren beide wieder da. Was wollten die bei dieser Gefahr außerhalb des Kellers? Wir erfuhren später, dass sie nachsehen wollten, ob der Dachstuhl unseres Hauses schon in Flammen stand. Bei den alten Häusern wurden als Abdichtung der Dachpfannen sogenannte Strohpuppen verwendet. Immer wieder stürzten die beiden Männer nach oben, immer dann, wenn wieder eine Unterbrechung des Bombenhagels sich erahnen ließ.

Wie lange wir bibbernd in unserem Keller saßen, konnten wir nicht sagen. Als dann aber der lang anhaltende Entwarnungston erscholl, gingen wir zögerlich nach oben. Unser Haus stand noch, auch das Dach war noch da, zerstörte Fensterscheiben und auch Türen waren kaum wahrgenommen worden. War es doch im Vergleich, was wir in unseren Nachbarhäusern sahen, völlig unwichtig. Das Haus unseres Nachbarn war wohl von einer Bombe getroffen, denn die Giebelwand und das obere Geschoss waren völlig eingestürzt. Dazu brannte die Wohnung im Anbau und wir mussten mit ansehen, wie der Brand auch die Holzfußböden erfasst hatte und durch das Gewicht jetzt der Herd einer anderen Nachbarfamilie vom 1. Stock auf den darunter verlaufenden Durchgang stürzte.

Einen Tag später schaute ich gemeinsam mit meinen Freunden die Zerstörung um uns herum an. Es rauchte noch in den meisten Trümmern der zerstörten Häuser. Am schlimmsten aber fanden wir die Nachricht, dass eine Luftmine die ganze Gärtnerei in unserer Nachbarschaft zerstört habe und die Geschwister, die diesen Betrieb bewirtschafteten, dabei ums Leben kamen."