Mülheim. .
Klebekunst im Treppenhaus und Wildblumen im Hajek-Brunnen – vom 23. März bis zum 28. Mai wächst die Schaufläche des Kunstmuseums über die Grenzen der Alten Post hinaus. Filigrane Formen und aufgelöste Strukturen sind Bestandteile der neuen Ausstellung „Raumzeichnungen“. Darin beschäftigen sich die Künstlerinnen Silke Schatz und Caroline Bayer mit Grundrissen ihrer eigenen Vergangenheit und mit denen des Mülheimer Stadtbildes. Von diesem zeigen sich die Kölnerin und die Berlinerin übrigens begeistert.
Zeichnungen, Drucke oder Grafiken: über 8000 Werke auf Papier beherbergt das Kunstmuseum in seinem Bestand. „Nun war es an der Zeit, die traditionellen Formen zu verlassen und in den Raum zu gehen“, sagt Kuratorin Anja Bauer. Seit langem habe es sie gereizt, das Treppenhaus als Ausstellungsfläche zu nutzen. Caroline Beyer hat es nun als erste Künstlerin gewagt. Dafür ging die Berlinerin zunächst auf die Suche nach Wiedererkennungspunkten in der Stadt. „Mir fielen sofort die Forum-Hochhäuser auf.“ Von diesen zeigt sich Bayer begeistert: „Diese klaren, schwarz-weißen Linien und die abgegrenzten Strukturen sind toll“, findet die Künstlerin. Nicht jeder Mülheimer würde ihr da zustimmen.
Abfolge von schwarz und weiß
So griff Bayer das Muster der „Türme“ auf und klebte mit schwarzem Band die weiße Wand des Treppenhauses in Form. Die regelmäßige Abfolge von schwarzen und weißen Streifen gibt die Fensterfronten und die hellen Balkonumrandungen der Gebäude wieder. Erst im dritten Stockwerk löst sich das Motiv auf, der Betrachter erkennt die Form der Hochhäuser — die echten erblickt man durchs Fenster.
In der obersten Etage des Museums haben die Künstlerinnen Platz für Großformatiges gefunden. Hier präsentiert Bayer den Besuchern einen aus der Form geratenen Grundriss des Forums mit seinen anliegenden Nebengebäuden. „Als Vorlage diente das Original aus dem Jahr 1974.“ Die Grundrisslinien hob sie um 30 Zentimeter an und ordnete die Kästen und geometrischen Formen neu an. „So entsteht ein Baukastensystem, durch dessen Architektur man schreiten kann.“
Biographische Aspekte
Im benachbarten Raum setzt sich Silke Schatz mit ihrer Biografie auseinander. Es sind An- und Einsichten aus Kindheit und Gegenwart – in Raummodellen, Architekturzeichnungen und Traumbildern. Oft trifft der Besucher auf die Künstlerin selbst in ihren Werken. Auf der Treppe in einer Ecke hockt „ich“, eine Figur von Silke Schatz, die sie als zehnjähriges Mädchen zeigt. Aus ihrem aktuellen Werkkomplex „I love psycho“ stammt „Mutter mit Fischstäbchen“. Es zeigt eine Wohnung in Hannover, in der sie als Kind von 1970 bis 77 mit ihren Eltern lebte. „Das war eine prägende Zeit“, sagt die 45-Jährige. Die Grundrisse der einzelnen Räume kippen aus dem Gefüge und sind in Rauten und Rechtecken durcheinander gewürfelt. Einziger Orientierungspunkt ist eben ihre Mutter, schwebend im Mittelpunkt, mit der Tiefkühlkost. Gegenüber blickt der Besucher durch Fenster in ein Holzmodell der Kindheitswohnung. Ihre Erinnerungen hat Silke Schatz in leuchtenden Farben auch auf Leinwand gesprüht – sie verknüpfen verschiedene Zeitebenen: Traumbilder aus der Gegenwart mit Erinnerungen aus der Vergangenheit.
Das Thema Stadtbild greift die Kölnerin im öffentlichen Raum auf. Auch sie hat ein Mülheimer Wahrzeichen gesucht – und es im Hajek-Brunnen auf dem Synagogenplatz gefunden. „Dort habe ich Wildblumensamen gesät.“ Ihr Wachsen wird sie in Zeichnungen dokumentieren, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sein werden. Die Künstlerin hofft, dass die Blumen schon bald aus der Erde sprießen. „Dann blühen sie in allen Farben und bilden einen Kontrast zu den geradlinig gepflanzten Stiefmütterchen.“