Mülheim. .
Im Dritten Reich hatte Kunst ideal zu sein, hübsch und einfach. Stramme Arier wurden etwa porträtiert, freundliche Familien und hart arbeitende Bauern. Anderes war unerwünscht, war „entartete Kunst“, wie es die Ausstellung nannte, die vor 75 Jahren eröffnet wurde. Werke geächteter Kulturschaffender vereint nun die Ausstellung „Jagd auf die Moderne – Verbotene Künste im Dritten Reich“. Die deutsch-polnische Kooperation will ab Sonntag bis 28. Mai zeigen, wie der Nationalsozialismus (künstlerisches) Leben prägte und vernichtete.
„Jagd auf die Moderne“ entwickelten der Landschaftsverband Rheinland (LVR) und das Krakauer International Cultural Centre (ICC). Als Beitrag zum Deutsch-Polnischen Jahr wurde die Ausstellung bereits im ICC gezeigt, nun ist sie – wohl als einzige deutsche Station – in Mülheim zu sehen.
"Es ist eher eine kulturhistorische als eine Kunstausstellung"
Für das Kunstmuseum, das für die Schau vier Gemälde und eine Skulptur nach Krakau entlieh, ist dies laut Museumsleiterin Dr. Beate Reese eine Chance, „eigene Arbeiten im großen, zeitgeschichtlichen Kontext zu zeigen“. So vereint die Schau 180 Arbeiten: Gemälde, Grafiken, aber auch Bücher und Musikstücke deutscher wie polnischer Kunstschaffender. Reese: „Es ist eher eine kulturhistorische als eine Kunstausstellung.“
Dies zeige auch die Auswahl der Ausgestellten: Wichtiger als ihr Bekanntheitsgrad war ihr Schicksal. „Die Werke sind nur der Zugang zu den Biografien“, sagt LVR-Kuratorin Judith Schönwiesner, die die Ausstellung gemeinsam mit ihrer polnischen Kollegin ICC-Kuratorin Dr. Monika Rydiger zusammenstellte. Persönliche Hintergründe und Zitate stehen unter den Bildern und bieten Informationen, die über den Hinweis „Öl auf Leinwand“ hinausgehen. So passiert es, dass Werke von Nolde, Grosz, Ernst, Schlemmer und Kaufmann sowie von Brecht und Weill, Arbeiten von Else Lasker-Schüler gegenüber stehen, die im Berlin der 1920er Jahre eine schillernde Persönlichkeit war, heute aber fast vergessen ist.
Kunst des Exils, der Verfolgung und des Widerstands
„Jagd auf die Moderne“ ist in vier Teile gegliedert. Da sind zunächst Werke, die vor 1933 entstanden: Expressionistisches, Reaktionen auf den Ersten Weltkrieg machen den Anfang. Dort steht auch Rudolf Bellings „Weiblicher Kopf“ (1925) vor seinem fotografierten Ebenbild, aufgenommen bei der Eröffnung der „Entartete Kunst“ im Beisein Hitlers.
Kunst, die während der NS-Zeit entstand, wird in zwei Teilen gezeigt: die Kunst des Exils und der Verfolgung sowie die Kunst des Widerstands. Bedrückende Lithographien, wie Leo Haas’ „Reihe Deutscher Konzentrationslager“, in denen ausgemergelte Körper sich aneinanderdrücken, sind dort zu sehen, aber auch farbenfrohe Landschaften von Hans Tombrock. Jeweils räumlich im Zentrum stehen Arbeiten polnischer Kunstschaffender.
"Auslöschung der polnischen intellektuellen Elite"
Bewusst habe man sie von den deutschen getrennt. Da die Verfolgung polnischer Intellektueller, die nach der Besatzung Polens 1938 begann, sich von der der Deutschen unterschied, wie Dr. Monika Rydiger sagt: „Es ging um die vollständige Auslöschung der polnischen intellektuellen Elite.“ Religion und künstlerisches Schaffen hingegen seien, anders als in Deutschland, zweitrangig gewesen.
„Jagd auf die Moderne – Verbotene Künste im Dritten Reich“ ist ab Sonntag, 18. März 2012, 10 Uhr, für alle zugänglich. Die Ausstellung wird durch ein vielfältiges, museumspädagogisches Rahmenprogramm begleitet, zu dem auch Zeitzeugen-Gespräche gehören.