Mülheim. . Weil Ignoranten ihren Müll zwischen die Gleise werfen, müssen Bahn-Mitarbeiter sie immer wieder und keineswegs ungefährlich von Hand reinigen.
Gegen 22 Uhr am Hauptbahnhof: Es ist dunkel. Zwei Männer, mit orangen Westen bekleidet, haben getan, was sonst keiner darf, sind vom Bahnsteig auf das Gleis hinabgestiegen. Sie sammeln Flaschen und Müll ein. Oben bleibt ein Dritter stehen. Er muss aufpassen, ob ein Zug einfährt. Das hält ihn allerdings nicht davon ab, mit Passanten zu plaudern oder beim Rauchen seinen Blick schweifen zu lassen. Kurt darauf fährt ein Zug ein. Denkt irgendjemand, der seinen Müll auf die Gleise wirft, darüber nach, wie und mit welchem Risiko der Abfall entsorgt werden muss?
Risiko. Kein Wort, das die Bahn gern hört. „Vor einer solchen Aktion wird das Gleis vom Fahrdienstleiter im Stellwerk gesperrt“, versichert Bahn-Sprecher Manfred Ziegerath. „Die Mitarbeiter vor Ort sind mit dem Stellwerk per Funk verbunden.“ Sei die Reinigung beendet, werde dies sofort durchgegeben und die Sperrung aufgehoben. „Da genügt ein Knopfdruck.“ Warum dann trotzdem der zusätzliche Aufpasser? „Dies ist durch die Unfallverhütungsvorschrift so vorgegeben“, erläutert Ziegerath. Ein gewisses Restrisiko scheint also doch zu bestehen.
Selbst wenn der Aufpasser einen Zug bemerken würde, könnte er seine Kollegen tatsächlich rechtzeitig warnen? Ein ICE etwa, von denen nicht wenige in Mülheim durchfahren, saust in wenigen Sekunden über das Gleis. Auch wenn die Arbeiter mit der „Sicherungsfachkraft“ - so die offizielle Bezeichnung - über einen Knopf im Ohr verbunden sind, können sie bei drohender Gefahr schnell genug reagieren? Bahn-Sprecher Ziegerath verweist auf die Sicherheitsrichtlinie. Und auch die bisherige Erfahrung scheint ihm Recht zu geben.
Müll ins Gleisbett zu werfen, kann 20 Euro Bußgeld kosten
Aber könnte nicht jedes Unfallrisiko - ganz gleich wie groß es nun letztlich ist - verhindert werden, wenn die Bahn sich statt auf die Reinigung mehr auf die Vermeidung von Müll konzentrierte? Kurz: Könnte nicht Personal eingesetzt werden, um darauf zu achten, dass auf den Bahnsteigen auch die Hausordnung eingehalten wird? Nach der, so betont Ziegerath, sei nämlich nicht nur verboten, das Gleis als Mülleimer zu missbrauchen, Verstöße würden vielmehr auch mit einem Bußgeld von 20 Euro bestraft. Schließlich könnte sogar auch ein Hausverbot ausgesprochen werden.
Allein in NRW gibt es rund 700 Bahnhöfe
Genau dieses Personal aber fehlt - und nach der Prognose des Bahnsprechers dürfte sich auch in Zukunft nichts daran ändern: „Es gibt in NRW rund 700 Bahnhöfe. Wollte man dort rund um die Uhr Aufsichtspersonal einsetzen, wären das mindestens jeweils drei Arbeitsschichten. Die Fahrkarten können gar nicht so teuer werden, um die Kosten aufzufangen“, meint Ziegerath. Doch die Reinigungskräfte beziehen ja auch Lohn.
Dazu, wie hoch der ist, dazu will sich Ziegerath freilich nicht äußern. „Sie verdienen jedenfalls mehr als in der freien Wirtschaft“, betont er. Auch sei die Verschmutzung nicht an allen Bahnhöfen gleich groß. In Mülheim sei sie eher niedrig. So reiche es auch aus, in regelmäßigen Abständen, etwa alle drei bis sechs Monate, eine solche Reinigung durchzuführen. Alternativen scheinen nicht diskutiert zu werden. Sicher ist sicher, zumindest in ökonomischer Hinsicht.