Mülheim. Ein schwer verletzter Graureiher ist einem Mülheimer Hafenbecken gerettet worden. Der Vogel hatte sich mit seinem Schnabel in einen Karabinerhaken verfangen. Mehrere Zentimeter tief steckte der Haken im Schlund des Tieres. In Mülheim kommt es zuletzt immer häufiger zu solchen gravierenden Tierverletzungen.

Eine aufwändige Rettungsaktion löste ein schwer verletzter Graureiher im Gebiet des Hafenbeckens von Ruhrbania aus. Im Schnabel des Vogels hatte sich ein Karabinerhaken mit Angelschnüren verfangen. Mehrere Zentimeter tief steckte der Haken im Schlund des Tieres, die Schnur hatte sich mehrmals um Kopf und Hals gewickelt. Ihm drohte der Hungertod.

Dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Mülheimer Landschaftswacht gelang es mithilfe von Spezialisten, den verletzten Reiher einzufangen und in die Wildvogelstation Paasmühle in Hattingen zu bringen. Tierärzte operierten den Wildvogel.

Mitarbeiter fordern gesonderte Angelbereiche

Er wird vermutlich vollständig genesen. Verletzte Wasservögel durch achtlos weggeworfenes Angelmaterial an den Ufern der Ruhr gibt es laut Angaben der Landschaftswacht häufig. Ehrenamtliche Mitarbeiter beklagen in diesem Zusammenhang rücksichtsloses Verhalten von Anglern und fordern gesonderte Angelbereiche.

Angler widersprechen diesen Vorwürfen.

Der gerettete Graureiher vom Hafenbecken Ruhrbania verdankt sein Leben aufmerksamen Passanten, die den schwer verletzten Vogel entdeckten und den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) informierten.

Reiher konnte den Schnabel nicht mehr schließen

Aufgrund des schweren Angelmaterials ist der Vogel der Landschaftswächterin Karin Piek zufolge nicht mehr in der Lage gewesen, den Schnabel zu schließen. Daher habe er nicht mehr fressen können und sei dem Hungertod nahe gewesen.

Ein Einzelfall sei das nicht, beklagt Piek. Wildvögel, die sich an achtlos hinterlassenem Angelmaterial verletzen, seien bereits seit Jahren ein Thema. „Ständig werden Schnüre und Haken einfach liegen gelassen. Dadurch finden wir immer wieder schwer verletzte Wasservögel, verursacht durch ignorante Angler.“ Pieks Kollege Werner Flaum: „Die Verletzungen der Tiere werden einfach in Kauf genommen.“

"Bedrohungen übelster Art"

Fälle von zerschnittenen Entenfüßen, von Vögeln, die an Angelhaken ersticken oder sich in den Schnüren verfangen, von Schwänen, deren Brutstätten durch Vandalismus zerstört würden, wissen die zwei Landschaftswächter aufzuzählen. „Die Ruhrauen verfügen über einen wertvollen Tierbestand“, sagt Piek. Leider werde die Umwelt dort – insbesondere Biotope – immer wieder gestört durch Müll, zerschlagene Flaschen oder randalierendes Verhalten Betrunkener. Problematisch: Sprechen die Landschaftswächter die Verursacher auf ihr Benehmen an, werden sie zumeist konfrontiert mit Beschimpfungen, Unverständnis oder „Bedrohungen übelster Art“, äußert sich Piek.

Zumindest was das Problem unachtsamer Angler angeht, schlägt die Landschaftwacht einen konkreten Lösungsansatz vor – in Form gesondert ausgewiesener Anglerbereiche. „Wir Landschaftswächter fordern Anglerstege“, sagt Piek. So blieben andere Bereiche geschont.

Den Vorwürfen widerspricht Jochen Kaienburg, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Fischereivereine Untere Ruhr, der 19 Angelvereine in Mülheim, Duisburg und Essen angehören. Dass sich Enten, Schwäne oder eben Reiher einen Köder samt Haken im Wasser schnappen, komme hin und wieder vor, gibt er zu. Wo geangelt wird, sind die Vögel meist nicht weit, da für sie Futter abfällt. Aber: „Angler sind selbst Naturschützer“, so Kaienburg. „Wenn so etwas vorkommt, versuchen wir das Tier zu fangen und den Haken vorsichtig zu entfernen.“

Reiher ist auf dem Weg der Besserung

Bereits in der Ausbildung werde Wissen über das „waidgerechte“ Angeln vermittelt. Dazu zähle auch, „sich außer Fische kein anderes Wild anzueignen“. Dass Haken immer wieder am Ufer von Anglern liegen gelassen werden, hält er für unwahrscheinlich. „Dafür sind die viel zu teuer.“

Der Graureiher übrigens ist auf dem Weg der Besserung. Angelhaken aus dem Schlund des Tieres sind entfernt. Zurzeit befindet sich der Vogel in der Hattinger Auffangstation. Dort, in einem kleinen Stall, wird er rundum versorgt, bis er laut Klinik in schätzungsweise einer Woche vollständig genesen sein wird.

Anschließend wird der Reiher wieder in die Freiheit entlassen – aber wohl nicht in Mülheim.