Mülheim. Die Bürgerstiftung geht das Thema „Vandalismus vor unseren Augen“ jetzt offensiv an – und fordert dazu auch die Politik und die Stadtverwaltung heraus: “Im Gegenzug lieber ein Stadtfest weniger.“

Dr. Ilselore Paschmann, Unternehmerin und Mitglied der Mülheimer Bürgerstiftung, hat die Nachrichten und Berichte über Zerstörungswut und Verdreckung in der Stadt gesammelt: „Da können wir nicht einfach weiterhin tatenlos zusehen“, sagt sie und betont: „Das haben Stadt und Bürger nicht verdient.“ Die Bürgerstiftung geht das Thema „Vandalismus vor unseren Augen“ jetzt offensiv an – und fordert dazu auch die Politik und die Stadtverwaltung heraus.

„Wir müssen“, sagt der Vorsitzende der Bürgerstiftung, Frank Lenz, beim Besuch der WAZ-Redaktion, „in Personen investieren. Im Gegenzug lieber ein Stadtfest weniger.“ Lenz, der lange auch in der Mülheimer Innenstadt gelebt hat, lässt keinen Zweifel daran: „Die Lust am Zerstören hat deutlich zugenommen. Viele öffentliche Flächen und Einrichtungen sind betroffen. Wenn wir uns jetzt nicht des Problems annehmen, werden wir davon überrollt.“ Sein Appell an die Stadtgesellschaft: „Wir müssen wieder auf die Einhaltung von Regeln pochen.“ Es müsse deutlich gemacht werden, so die Bürgerstiftung, dass man in Mülheim nicht bereit sei, die Verschandelung der Stadt hinzunehmen.

Neue Formen von Vandalismus

Vandalismus beginnt im Kleinen, sagt Ilselore Paschmann und nennt das nächtliche Grölen, schimpft über die vielen Graffitis, ist empört über die Vermüllung in den Landschaftszonen und ist fassungslos über die jüngsten Zerstörung auf Friedhöfen wie über die geraubte öffentliche Kunst, über Diebstähle in Kirchen. Für sie sind das neue Formen von Vandalismus.

Im Medienhaus

Die Bürgerstiftung möchte das Thema „Vandalismus“ öffentlich diskutieren und lädt am Mittwoch, 8. Juni, um 18.30 Uhr ins Medienhaus am Synagogenplatz ein. Gesprächspartner sind Landschaftswächterin Karin Piek, Schulleiterin Marion Krallmann, Schüler Illya Trubman und der Chef des Immobilienservice, Frank Buchwald.

Lenz klagt über die Platten an den Rolltreppen, die mutwillig herausgetreten werden, über Glasflaschen, die auf Wegen und an U-Bahn-Schächten zerschlagen werden, über abgebrochene Autospiegel, zerkratzte Scheiben, aufgeschlitzte Sitze in Bussen und Bahnen, über Jugendliche, die in Hauseingänge urinieren. Er verweist auf Spielplätze, wo Geräte mutwillig zerstört und Abfallbehälter aus den Halterungen getreten werden. Auch der nicht weggeräumte Hundekot ist für Lenz schon eine Form der unzumutbaren Verschmutzung.

"Null Toleranz"-Kampagne eingeführt

Das Bewusstsein, dass öffentliche Einrichtungen allen gehören, geht aus Sicht der Bürgerstiftung verloren. Die Zerstörungen in Bus und Bahn seien ein gutes Beispiel dafür, heißt es. Rund 250.000 Euro muss allein die MVG im Jahr investieren, um die mutwilligen Beschädigungen zu beseitigen. Die MVG erweitert die Überwachung, die Duisburger Verkehrsgesellschaft, über „via“ im Verbund mit der MVG und der Evag, hat die „Null Toleranz“-Kampagne eingeführt. Erste Rückmeldungen sind gut: Nicht nur ältere Fahrgäste hätten signalisiert, dass sie den Einsatz des rund 30 Kräfte umfassenden Teams des Sicherheitsdienstes zu schätzen wissen. Hinter der Kampagne verbirgt sich ein Kampf gegen Gewalt und Vandalismus in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

“Gegendruck“ gefordert: Frank Lenz und Ilselore Paschmann von der Bürgerstiftung.
“Gegendruck“ gefordert: Frank Lenz und Ilselore Paschmann von der Bürgerstiftung. © WazFotoPool

Die Polizei kennt derartige Sorgen, sieht aber in Mülheim im Vergleich zu den Nachbarstädten keine besondere Auffälligkeit. Sachbeschädigungen gerade auch nach Feiern mit Alkohol kämen immer wieder und überall vor, sagt Polizeisprecher Raymund Sandach. Anhand der Zerstörungen an den Autos könne man manchmal den Heimweg der Täter nachverfolgen.

Stärkere soziale Kontrolle

Die Bürgerstiftung spricht sich für einen „Gegendruck“ aus. „Wir haben kein Patentrezept“, sagt Ilselore Paschmann, „aber wir werden verlangen, dass sich die Kommunalpolitik dieser Probleme annimmt.“ Lenz denkt nicht an „Sheriffs“, aber durchaus an eine stärkere soziale Kontrolle, bei der die Bürger wieder den Mut haben sollten, offen ein Fehlverhalten anzusprechen.