Mülheim. . Die Stadt diskutiert bislang hinter verschlossenen Türen, welche Bahnlinien stillgelegt und durch Busse ersetzt werden könnten. Der Fahrgastverband „Pro Bahn“ plädiert gar dafür, die Bahn auch zwischen Broich und Saarner Kuppe fahren zu lassen.
Der Fahrgastverband „Pro Bahn“ schwimmt in der öffentlichkeitsscheuen Debatte um die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs in Mülheim gegen den Strom. Wird in der Stadt bislang hinter verschlossenen Türen darüber diskutiert, welche Straßenbahnlinien stillgelegt und durch Busverkehr ersetzt werden könnten, so plädiert „Pro Bahn“ gar dafür, alte Pläne hervorzukramen und die Straßenbahn auch zwischen Broich und Saarner Kuppe verkehren zu lassen.
Zur Haltestelle „Heuweg“ in Broich hatte der Fahrgastverband am Sonntag geladen, um seine Vision zum Ausbau des Netzes noch einmal vor Augen zu führen. Die Pläne dafür liegen irgendwo tief unten in den Schubladen der Stadtplaner, angesichts anhaltend hohem Defizit im Mülheimer ÖPNV von zuletzt 25 Mio. Euro scheint es auch wenig realistisch, dass das alte Vorhaben alsbald in aller Entschiedenheit verfolgt wird.
Wenig Resonanz
Und doch, wohl als Zeichen des Trotzes, plädiert Lothar Ebbers von „Pro Bahn Ruhr“ für einen „gezielten Ausbau statt planlosen Rückbau“. Nur wenige Bürger waren Ebbers’ Einladung gefolgt, um den Verlauf der Wunschroute vom Heuweg zur Saarner Kuppe per pedes hinter sich zu bringen und zu diskutieren.
Der Fahrgastverband sähe gerne die bestehende Straßenbahnlinie 102 (Oberdümpten-Uhlenhorst) bis zur Saarner Kuppe verlängert. Dafür soll die Straßenbahn bereits an der Haltestelle Heuweg in Broich die Kurve auf die Saarner Straße nehmen und über die Straßburger Allee und an der Gesamtschule Saarn vorbei zur Kuppe zu gelangen.
Taxibusse als Ersatz
Um den Wegfall der Straßenbahn-Haltestelle am Waldschlösschen zu kompensieren, könnte laut Ebbers künftig der 131er Bus (Hauptbahnhof – Breitscheid Nord) seine Route ändern. Er soll dann ab Heuweg nicht parallel zur neuen Straßenbahn die Saarner Straße herunterfahren, sondern die Großenbaumer Straße und den Schneisberg ansteuern, um seine Fahrt schließlich auf gewohnter Route über die Straße „Am Bühlsbach“ fortzusetzen. Für die Anbindung an den Uhlenhorst schlägt der Fahrgastverband als Ersatz für die Bahn Taxibusse vor.
Mit seinen Vorstellungen kommt „Pro Bahn“ der Ratsfraktion der Grünen nahe. Für die zeichnete gestern deren verkehrspolitischer Sprecher Axel Hercher einen ähnlichen Weg auf. Auch die Grünen würden, wenn irgend machbar, vom Heuweg aus eine Bahn nach Saarn rollen lassen. Allerdings, so Hercher, ohne die Linie 102. Die soll nach seinen Vorstellungen komplett verschwinden. Dafür soll die U 18 vom Hauptbahnhof gen Westen rollen und die Trasse über Broich gen Saarn befahren. Das Teilstück der 102 zwischen Hauptbahnhof und Oberdümpten soll der 901 (bisher Obermarxloh - Hauptbahnhof) zugeschlagen werden – dafür müsste auf dieser Strecke aber kostenträchtig von Meter- auf Normalspur umgestellt werden. Die Verwaltung prüft diese Variante bereits auf Antrag der Grünen.
Mehrere Millionen investieren
Mit dieser Umwälzung im Streckenplan glaubt Hercher ein Stück weit das in Mülheim historisch gewachsene Problem zu lösen, dass der Schienenverkehr deshalb in Betrieb und Unterhaltung so teuer ist, weil auf zwei Spur- und gar mit drei Fahrzeugbreiten gefahren wird. Würden die Pläne der Grünen umgesetzt, müsste im Ruhrtunnel nur mehr eine Normalspur vorgehalten werden. Allerdings wäre auch hier zu investieren: Wenn die breiteren Stadtbahnwagen hier durch sollen, müssen für mehrere Millionen Euro die Bahnsteige umgebaut werden. Aktuell würden die Stadtbahnwagen nicht an der Bahnsteigkante entlangkommen.
Allein diese Diskussion rund um die Linien 102, U 18 und 901 zeigt, wie schwierig es sein wird, eine betriebswirtschaftliche Lösung für den Mülheimer ÖPNV zu finden, der gleichsam auch nicht erhebliche Qualitätseinbußen für Fahrgäste mit sich bringt.
Im stillen Kämmerlein
Städtische Beteiligungsholding und Stadtkanzlei sind bisher bemüht, sich im stillen Kämmerlein ein Konstrukt für die Zukunft zurechtzulegen. Laut Stadtkanzlei-Leiter Frank Mendack soll den Vorsitzenden und den verkehrspolitischen Sprechern der Ratsfraktionen am 7. Juli ein „Rahmengutachten“ hierzu vorgestellt werden. Auf dessen Basis solle die Politik entscheiden, wie und wann sie in die öffentliche Diskussion mit Bürgern aus den Stadtteilen in die Diskussion einsteige.
Zum Ärger der MBI ist die Zukunft des ÖPNV heute erneut nicht Thema im Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Mobilität. „Was um Himmels Willen soll diese Geheimniskrämerei um den Öffentlichen Nahverkehr?“, fragt Fraktionssprecher Lothar Reinhard. „Welchen Sinn kann Bürgerbeteiligung machen, wenn erst alles streng vertraulich nur zwischen Verwaltung und Politik verhackstückt wird?“ Die MBI fordern für heute einen öffentlichen Sachstandsbericht.