Mülheim. .

Die Pläne, Straßenbahnstrecken in Mülheim zu kappen, stoßen auf Widerstand. Vor allem ältere Menschen fürchten, weniger am Leben teilhaben zu können. Anwohner in Saarn und Broich sammeln Unterschriften, schreiben Briefe und hängen Flugblätter aus.

In Saarn und Broich wächst die Wut an den Wartehäuschen – und damit der Widerstand. Anwohner sammeln Unterschriften, schreiben Briefe an Politiker und hängen Flugblätter aus.

Ihr Protest richtet sich gegen die Vorschläge aus der Politik, die Strecke der Straßenbahnlinie 102 zu kürzen. Anwohner aus der Lindenhofsiedlung, der Großenbaumer Straße und rund um das Waldschlösschen rüsten sich, um gegen die Pläne mobil zu machen.

Unterschriftenaktion

„Es geht um die Anbindung der Menschen an die Gesellschaft“, findet Anwohnerin Maria Müller, die sich gemeinsam mit ihren Nachbarn einsetzt. Die 74-Jährige wohnt am Schneisberg und schellt nun täglich an Haustüren in der Umgebung, um Unterschriften zu sammeln. Auch Nachbarin Sabine Daamen macht mit, sie hängt Listen und Flugzettel in Arztpraxen, Gaststätten und Haltestellen aus, um möglichst viele Mülheimer zu mobilisieren. „Hier oben herrscht richtige Wut“, sagt Sabine Daamen. Und Maria Müller erklärt, welche Bedeutung die Straßenbahnlinie für Saarn und ­Broich hat: „Die 102 ist wie eine Lebensader durch den Stadtteil. Die kann man doch nicht einfach kappen.“

Aus der WAZ vom 10. Dezember erfuhr Maria Müller dann von der politischen Diskussion, das Liniennetz auszudünnen und im Zuge dessen, der 102 und der 104 die Strecken zu kürzen. Die Überlegung sieht vor, die Bahn 102 am Heuweg enden zu lassen und die letzten zwei Stationen mit Bussen anzufahren. Allerdings sollen diese im 20-Minuten und nicht – wie die Bahn – im 10-Minuten-Takt verkehren. Eine solche Maßnahme soll, laut Vorschlag, Kosten einsparen.

"Häufiges Umsteigen ist für Ältere ein Problem"

Für Maria Müller und ihre Nachbarn liegt das Problem im häufigen Umsteigen: „Ältere Leute müssen dann mit ihren Rollatoren raus aus der Bahn und wieder rein in den Bus.“ Treppe herauf, Treppe herunter, das sei einfach zu viel, für ältere Menschen, aber auch für viele Schüler, die täglich mit der Bahn zur Schule fahren. „Die müssen dann die viel befahrene Straße überqueren und haben aufgrund der unterschiedlichen Taktung längere Wartezeiten“, vermutet Müller.

Sabine Daamen wohnt an der Großenbaumer Straße und muss als Berufspendlerin täglich mit der 102 Richtung Hauptbahnhof fahren. Auch sie vermutet Verspätungen durch den Einsatz der Busse. Gerade Senioren und Familien mit Kindern klagen, weil sie nicht wissen, was mit dem Sparkurs der MVG auf sie zukommt. „Manche überlegen, ihr Ticket abzugeben und gar nicht mehr mit der Bahn zu fahren“, weiß Sabine Daamen.

Wunsch nach Bürgerbus

Maria Müller sieht von der drohenden Kappung vor allem die ältere Generation betroffen: Diesen Menschen werden eine Hürde geschaffen, aus dem Haus zu kommen und am täglichen Leben teilzuhaben. „Wir wollen eine gute Anbindung an unseren Stadtteil, in dem das soziale Leben stattfindet“, erklärt Maria Müller. Und meint: „Ohne Auto sitzen wir hier oben im Aus.“

Eine mögliche Lösung sehen die Frauen und ihre Mitstreiter in der Anschaffung eines Bürgerbusses. Dümpten und Styrum versuchen bereits, einen solchen als Ergänzung zum Öffentlichen Nahverkehr einzurichten. In der Nachbarstadt Essen pendelt der Bür­gerbus schon erfolgreich zwischen den Stadtteilen, Ehrenamtliche sitzen dort hinterm Steuer. Ob sich ein solcher Bus auch für Saarn und Broich lohnt? Für Maria Müller und ihre Nachbarn wäre er zumindest eine Alternative.